Sechsundfunfzigste Betrachtung. Jesu Verhalten gegen Reiche und Vornehme.
Sirach 11, 2.
Du sollst niemand rühmen um seines großen Ansehns willen.
Der große Haufe der Menschen preist gemeiniglich nur die Reichen und Vornehmen glückselig, und erweiset ihnen blindlings alle Achtung, die sie stolz und eigenmächtig fordern. Man drängt sich zu ihnen hin, man schmeichelt um ihre Gunst, oft auf die niedrigste Art, man bequemt sich nach ihren Vor- urtheilen und Launen, ja man läßt sich wohl gar zur Theilnehmung an ihren Sünden und Ausschweifun- gen und zur geheimen Ausführung ihrer gemeinschäd- lichen Absichten mißbrauchen. So urtheilte und han- delte aber Jesus nicht. Er drängte sich nicht zu den höchsten und im Lande gebietenden Personen, er lebte nicht in der Gesellschaft der Reichen und Vornehmen, und er kannte ihre Ergötzungen und Vergnügungen oft kaum dem Namen nach. Er verrichtete die we- nigsten Wunder an Personen von Stande, an Gro- ßen und Mächtigen; und wenn er es that, so ge- schahe es auf keine verbindlichere und schmeichelhaf- tere Art, als sonst. Gewiß ein Beweis, daß er sich solchen Familien nicht aufdrängte, sie nicht in sein
Jn-
A a
Sechsundfunfzigſte Betrachtung. Jeſu Verhalten gegen Reiche und Vornehme.
Sirach 11, 2.
Du ſollſt niemand rühmen um ſeines großen Anſehns willen.
Der große Haufe der Menſchen preiſt gemeiniglich nur die Reichen und Vornehmen glückſelig, und erweiſet ihnen blindlings alle Achtung, die ſie ſtolz und eigenmächtig fordern. Man drängt ſich zu ihnen hin, man ſchmeichelt um ihre Gunſt, oft auf die niedrigſte Art, man bequemt ſich nach ihren Vor- urtheilen und Launen, ja man läßt ſich wohl gar zur Theilnehmung an ihren Sünden und Ausſchweifun- gen und zur geheimen Ausführung ihrer gemeinſchäd- lichen Abſichten mißbrauchen. So urtheilte und han- delte aber Jeſus nicht. Er drängte ſich nicht zu den höchſten und im Lande gebietenden Perſonen, er lebte nicht in der Geſellſchaft der Reichen und Vornehmen, und er kannte ihre Ergötzungen und Vergnügungen oft kaum dem Namen nach. Er verrichtete die we- nigſten Wunder an Perſonen von Stande, an Gro- ßen und Mächtigen; und wenn er es that, ſo ge- ſchahe es auf keine verbindlichere und ſchmeichelhaf- tere Art, als ſonſt. Gewiß ein Beweis, daß er ſich ſolchen Familien nicht aufdrängte, ſie nicht in ſein
Jn-
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Sechsundfunfzigſte Betrachtung.
Jeſu Verhalten gegen Reiche und Vornehme.
Sirach 11, 2.
Du ſollſt niemand rühmen um ſeines großen Anſehns willen.
Der große Haufe der Menſchen preiſt gemeiniglich
nur die Reichen und Vornehmen glückſelig,
und erweiſet ihnen blindlings alle Achtung, die ſie
ſtolz und eigenmächtig fordern. Man drängt ſich zu
ihnen hin, man ſchmeichelt um ihre Gunſt, oft auf
die niedrigſte Art, man bequemt ſich nach ihren Vor-
urtheilen und Launen, ja man läßt ſich wohl gar zur
Theilnehmung an ihren Sünden und Ausſchweifun-
gen und zur geheimen Ausführung ihrer gemeinſchäd-
lichen Abſichten mißbrauchen. So urtheilte und han-
delte aber Jeſus nicht. Er drängte ſich nicht zu den
höchſten und im Lande gebietenden Perſonen, er lebte
nicht in der Geſellſchaft der Reichen und Vornehmen,
und er kannte ihre Ergötzungen und Vergnügungen
oft kaum dem Namen nach. Er verrichtete die we-
nigſten Wunder an Perſonen von Stande, an Gro-
ßen und Mächtigen; und wenn er es that, ſo ge-
ſchahe es auf keine verbindlichere und ſchmeichelhaf-
tere Art, als ſonſt. Gewiß ein Beweis, daß er ſich
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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/395>, abgerufen am 25.11.2024.
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