Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.LVII. Betrachtung. wird den Armen erretten, der da schreyet, und denElenden, der da keinen Helfer hat. Er wird gnä- dig seyn den Geringen und Armen, und den Seelen der Armen wird er helfen.*) Es war daher kein Stand so geringe, der nicht die wohlthätigen Wir- kungen seiner Gegenwart auf Erden genossen, und der nicht an seinen lehrreichen Besuchen Antheil ge- nommen hätte. Er gieng öfterer mit Leuten von ge- ringem Stande um, um ihnen die großen Beweise von seiner göttlichen Sendung zu verkündigen, und um sie in den Lehren und Pflichten der geoffenbarten Religion zu unterrichten, als mit den Großen und Reichen, von welchen er wußte, daß sie der Stolz und verjährte Vorurtheile von der Untersuchung und Annehmung der bessern Religion abhielten. Mit nachsichtsvoller Freundlichkeit und Herablassung un- terredete er sich auch mit den geringsten, z. E. mit dem Samaritanischen Weibe, die doch zu einem Vol- ke gehörte, welches die Juden verabscheuten, und dem sie allen vertrauten Umgang versagten;**) ru- hig hörte er alle ihre Fragen und Bitten an, und gab ihr über alles nähere Auskunft. Entfernt von allem Stolze, verstattete er jedem, der sich ihm näherte, ei- nen freyen Zutritt, so bald er nur Lehr- und Besse- rungsbegierde an ihm gewahr wurde. Kein Elen- der, kein Armer sprach ihn vergeblich um Hülfe an; er *) Ps. 72, 12. 13. **) Joh. 4, 9. 10. A a 5
LVII. Betrachtung. wird den Armen erretten, der da ſchreyet, und denElenden, der da keinen Helfer hat. Er wird gnä- dig ſeyn den Geringen und Armen, und den Seelen der Armen wird er helfen.*) Es war daher kein Stand ſo geringe, der nicht die wohlthätigen Wir- kungen ſeiner Gegenwart auf Erden genoſſen, und der nicht an ſeinen lehrreichen Beſuchen Antheil ge- nommen hätte. Er gieng öfterer mit Leuten von ge- ringem Stande um, um ihnen die großen Beweiſe von ſeiner göttlichen Sendung zu verkündigen, und um ſie in den Lehren und Pflichten der geoffenbarten Religion zu unterrichten, als mit den Großen und Reichen, von welchen er wußte, daß ſie der Stolz und verjährte Vorurtheile von der Unterſuchung und Annehmung der beſſern Religion abhielten. Mit nachſichtsvoller Freundlichkeit und Herablaſſung un- terredete er ſich auch mit den geringſten, z. E. mit dem Samaritaniſchen Weibe, die doch zu einem Vol- ke gehörte, welches die Juden verabſcheuten, und dem ſie allen vertrauten Umgang verſagten;**) ru- hig hörte er alle ihre Fragen und Bitten an, und gab ihr über alles nähere Auskunft. Entfernt von allem Stolze, verſtattete er jedem, der ſich ihm näherte, ei- nen freyen Zutritt, ſo bald er nur Lehr- und Beſſe- rungsbegierde an ihm gewahr wurde. Kein Elen- der, kein Armer ſprach ihn vergeblich um Hülfe an; er *) Pſ. 72, 12. 13. **) Joh. 4, 9. 10. A a 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0403" n="377"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">LVII.</hi> Betrachtung.</fw><lb/><hi rendition="#fr">wird den Armen erretten, der da ſchreyet, und den<lb/> Elenden, der da keinen Helfer hat. Er wird gnä-<lb/> dig ſeyn den Geringen und Armen, und den Seelen<lb/> der Armen wird er helfen.</hi><note place="foot" n="*)">Pſ. 72, 12. 13.</note> Es war daher kein<lb/> Stand ſo geringe, der nicht die wohlthätigen Wir-<lb/> kungen ſeiner Gegenwart auf Erden genoſſen, und<lb/> der nicht an ſeinen lehrreichen Beſuchen Antheil ge-<lb/> nommen hätte. Er gieng öfterer mit Leuten von ge-<lb/> ringem Stande um, um ihnen die großen Beweiſe<lb/> von ſeiner göttlichen Sendung zu verkündigen, und<lb/> um ſie in den Lehren und Pflichten der geoffenbarten<lb/> Religion zu unterrichten, als mit den Großen und<lb/> Reichen, von welchen er wußte, daß ſie der Stolz<lb/> und verjährte Vorurtheile von der Unterſuchung und<lb/> Annehmung der beſſern Religion abhielten. Mit<lb/> nachſichtsvoller Freundlichkeit und Herablaſſung un-<lb/> terredete er ſich auch mit den geringſten, z. E. mit<lb/> dem Samaritaniſchen Weibe, die doch zu einem Vol-<lb/> ke gehörte, welches die Juden verabſcheuten, und<lb/> dem ſie allen vertrauten Umgang verſagten;<note place="foot" n="**)">Joh. 4, 9. 10.</note> ru-<lb/> hig hörte er alle ihre Fragen und Bitten an, und gab<lb/> ihr über alles nähere Auskunft. Entfernt von allem<lb/> Stolze, verſtattete er jedem, der ſich ihm näherte, ei-<lb/> nen freyen Zutritt, ſo bald er nur Lehr- und Beſſe-<lb/> rungsbegierde an ihm gewahr wurde. Kein Elen-<lb/> der, kein Armer ſprach ihn vergeblich um Hülfe an;<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A a 5</fw><fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [377/0403]
LVII. Betrachtung.
wird den Armen erretten, der da ſchreyet, und den
Elenden, der da keinen Helfer hat. Er wird gnä-
dig ſeyn den Geringen und Armen, und den Seelen
der Armen wird er helfen. *) Es war daher kein
Stand ſo geringe, der nicht die wohlthätigen Wir-
kungen ſeiner Gegenwart auf Erden genoſſen, und
der nicht an ſeinen lehrreichen Beſuchen Antheil ge-
nommen hätte. Er gieng öfterer mit Leuten von ge-
ringem Stande um, um ihnen die großen Beweiſe
von ſeiner göttlichen Sendung zu verkündigen, und
um ſie in den Lehren und Pflichten der geoffenbarten
Religion zu unterrichten, als mit den Großen und
Reichen, von welchen er wußte, daß ſie der Stolz
und verjährte Vorurtheile von der Unterſuchung und
Annehmung der beſſern Religion abhielten. Mit
nachſichtsvoller Freundlichkeit und Herablaſſung un-
terredete er ſich auch mit den geringſten, z. E. mit
dem Samaritaniſchen Weibe, die doch zu einem Vol-
ke gehörte, welches die Juden verabſcheuten, und
dem ſie allen vertrauten Umgang verſagten; **) ru-
hig hörte er alle ihre Fragen und Bitten an, und gab
ihr über alles nähere Auskunft. Entfernt von allem
Stolze, verſtattete er jedem, der ſich ihm näherte, ei-
nen freyen Zutritt, ſo bald er nur Lehr- und Beſſe-
rungsbegierde an ihm gewahr wurde. Kein Elen-
der, kein Armer ſprach ihn vergeblich um Hülfe an;
er
*) Pſ. 72, 12. 13.
**) Joh. 4, 9. 10.
A a 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |