Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

LXV. Betrachtung.
seiner Wohlthaten herzlicher erfreuen wird, als es hier
in diesem Leben geschehen konnte. Dort in jenem
bessern Leben werden sich deine Fähigkeiten schneller
entwickeln, und du wirst zu weit edlern Geschäften
gebraucht werden, als hier auf Erden; deine Kennt-
nisse werden eben so geschwind wachsen als deine Tu-
gend. Du verlierest zwar im Tode eine Welt, die
ein Schauplatz der Weisheit und Güte Gottes war,
und wo du unaufhörlich Gutes genossen hast; wo
aber auch böse und gute Menschen vermischt mit ein-
ander lebten, wo Glück und Unglück, Freude und
Traurigkeit oft plötzlich mit einander abwechselten, oft
sehr nahe an einander grenzten. Jedoch du trittst in
eine neue Welt, wo Freude und Schmerz sich nicht
so leicht in einander verlieren; du trittst in das Haus
deines himmlischen Vaters, wo sich alle seine Kinder,
alle Freunde Gottes und Jesu versammeln; wo du
den Heiland wirst näher kennen lernen, der für dich
so viel gethan und gelitten hat, der selbst die Bahn
des Todes für dich erhellte. Jetzt ist es zwar noch
nicht erschienen, was wir seyn werden, wir wissen
aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich
seyn werden, denn wir werden ihn sehen, wie er
ist.
*) Freue dich also, daß du, als Christ, deinen
Tod als einen Uebergang ins beßre Leben, als einen
Hingang zu Gott deinem Vater betrachten kannst,
denn dadurch bekommt er eine ganz andre Gestalt.

Nun
*) 1 Joh. 3, 2.

LXV. Betrachtung.
ſeiner Wohlthaten herzlicher erfreuen wird, als es hier
in dieſem Leben geſchehen konnte. Dort in jenem
beſſern Leben werden ſich deine Fähigkeiten ſchneller
entwickeln, und du wirſt zu weit edlern Geſchäften
gebraucht werden, als hier auf Erden; deine Kennt-
niſſe werden eben ſo geſchwind wachſen als deine Tu-
gend. Du verliereſt zwar im Tode eine Welt, die
ein Schauplatz der Weisheit und Güte Gottes war,
und wo du unaufhörlich Gutes genoſſen haſt; wo
aber auch böſe und gute Menſchen vermiſcht mit ein-
ander lebten, wo Glück und Unglück, Freude und
Traurigkeit oft plötzlich mit einander abwechſelten, oft
ſehr nahe an einander grenzten. Jedoch du trittſt in
eine neue Welt, wo Freude und Schmerz ſich nicht
ſo leicht in einander verlieren; du trittſt in das Haus
deines himmliſchen Vaters, wo ſich alle ſeine Kinder,
alle Freunde Gottes und Jeſu verſammeln; wo du
den Heiland wirſt näher kennen lernen, der für dich
ſo viel gethan und gelitten hat, der ſelbſt die Bahn
des Todes für dich erhellte. Jetzt iſt es zwar noch
nicht erſchienen, was wir ſeyn werden, wir wiſſen
aber, wenn es erſcheinen wird, daß wir ihm gleich
ſeyn werden, denn wir werden ihn ſehen, wie er
iſt.
*) Freue dich alſo, daß du, als Chriſt, deinen
Tod als einen Uebergang ins beßre Leben, als einen
Hingang zu Gott deinem Vater betrachten kannſt,
denn dadurch bekommt er eine ganz andre Geſtalt.

Nun
*) 1 Joh. 3, 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0456" n="430"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">LXV.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
&#x017F;einer Wohlthaten herzlicher erfreuen wird, als es hier<lb/>
in die&#x017F;em Leben ge&#x017F;chehen konnte. Dort in jenem<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ern Leben werden &#x017F;ich deine Fähigkeiten &#x017F;chneller<lb/>
entwickeln, und du wir&#x017F;t zu weit edlern Ge&#x017F;chäften<lb/>
gebraucht werden, als hier auf Erden; deine Kennt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e werden eben &#x017F;o ge&#x017F;chwind wach&#x017F;en als deine Tu-<lb/>
gend. Du verliere&#x017F;t zwar im Tode eine Welt, die<lb/>
ein Schauplatz der Weisheit und Güte Gottes war,<lb/>
und wo du unaufhörlich Gutes geno&#x017F;&#x017F;en ha&#x017F;t; wo<lb/>
aber auch bö&#x017F;e und gute Men&#x017F;chen vermi&#x017F;cht mit ein-<lb/>
ander lebten, wo Glück und Unglück, Freude und<lb/>
Traurigkeit oft plötzlich mit einander abwech&#x017F;elten, oft<lb/>
&#x017F;ehr nahe an einander grenzten. Jedoch du tritt&#x017F;t in<lb/>
eine neue Welt, wo Freude und Schmerz &#x017F;ich nicht<lb/>
&#x017F;o leicht in einander verlieren; du tritt&#x017F;t in das Haus<lb/>
deines himmli&#x017F;chen Vaters, wo &#x017F;ich alle &#x017F;eine Kinder,<lb/>
alle Freunde Gottes und Je&#x017F;u ver&#x017F;ammeln; wo du<lb/>
den Heiland wir&#x017F;t näher kennen lernen, der für dich<lb/>
&#x017F;o viel gethan und gelitten hat, der &#x017F;elb&#x017F;t die Bahn<lb/>
des Todes für dich erhellte. <hi rendition="#fr">Jetzt i&#x017F;t es zwar noch<lb/>
nicht er&#x017F;chienen, was wir &#x017F;eyn werden, wir wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
aber, wenn es er&#x017F;cheinen wird, daß wir ihm gleich<lb/>
&#x017F;eyn werden, denn wir werden ihn &#x017F;ehen, wie er<lb/>
i&#x017F;t.</hi><note place="foot" n="*)">1 Joh. 3, 2.</note> Freue dich al&#x017F;o, daß du, als Chri&#x017F;t, deinen<lb/>
Tod als einen Uebergang ins beßre Leben, als einen<lb/>
Hingang zu Gott deinem Vater betrachten kann&#x017F;t,<lb/>
denn dadurch bekommt er eine ganz andre Ge&#x017F;talt.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Nun</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[430/0456] LXV. Betrachtung. ſeiner Wohlthaten herzlicher erfreuen wird, als es hier in dieſem Leben geſchehen konnte. Dort in jenem beſſern Leben werden ſich deine Fähigkeiten ſchneller entwickeln, und du wirſt zu weit edlern Geſchäften gebraucht werden, als hier auf Erden; deine Kennt- niſſe werden eben ſo geſchwind wachſen als deine Tu- gend. Du verliereſt zwar im Tode eine Welt, die ein Schauplatz der Weisheit und Güte Gottes war, und wo du unaufhörlich Gutes genoſſen haſt; wo aber auch böſe und gute Menſchen vermiſcht mit ein- ander lebten, wo Glück und Unglück, Freude und Traurigkeit oft plötzlich mit einander abwechſelten, oft ſehr nahe an einander grenzten. Jedoch du trittſt in eine neue Welt, wo Freude und Schmerz ſich nicht ſo leicht in einander verlieren; du trittſt in das Haus deines himmliſchen Vaters, wo ſich alle ſeine Kinder, alle Freunde Gottes und Jeſu verſammeln; wo du den Heiland wirſt näher kennen lernen, der für dich ſo viel gethan und gelitten hat, der ſelbſt die Bahn des Todes für dich erhellte. Jetzt iſt es zwar noch nicht erſchienen, was wir ſeyn werden, wir wiſſen aber, wenn es erſcheinen wird, daß wir ihm gleich ſeyn werden, denn wir werden ihn ſehen, wie er iſt. *) Freue dich alſo, daß du, als Chriſt, deinen Tod als einen Uebergang ins beßre Leben, als einen Hingang zu Gott deinem Vater betrachten kannſt, denn dadurch bekommt er eine ganz andre Geſtalt. Nun *) 1 Joh. 3, 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/456
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/456>, abgerufen am 21.11.2024.