Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Der Wettkampf. genden der Väter nicht mit ihnen in das Grab gesunken seien,so feiern wir das Gedächtniß der theuern Männer, die uns angehört haben, durch den Eifer ihre Tugenden fortzupflanzen, ihr Andenken lebendig zu erhalten und in ihre Arbeit rüstig einzutreten. Die Jugend aber -- wie könnte sie aus so vielen Städten und Gauen des Vaterlandes hier zusammenströmen, ohne daß dadurch die in den Einzelnen schlummernden Kräfte zu gemeinsamem Streben geweckt, zum freudigen Wetteifer begeistert werden sollten! An Eifer und Wetteifer fehlt es freilich nirgends unter Daß ich am heutigen Tage gerade diese Richtung meinen Ich brauche um so weniger zu besorgen, daß ich Fern¬ Der Wettkampf. genden der Väter nicht mit ihnen in das Grab geſunken ſeien,ſo feiern wir das Gedächtniß der theuern Männer, die uns angehört haben, durch den Eifer ihre Tugenden fortzupflanzen, ihr Andenken lebendig zu erhalten und in ihre Arbeit rüſtig einzutreten. Die Jugend aber — wie könnte ſie aus ſo vielen Städten und Gauen des Vaterlandes hier zuſammenſtrömen, ohne daß dadurch die in den Einzelnen ſchlummernden Kräfte zu gemeinſamem Streben geweckt, zum freudigen Wetteifer begeiſtert werden ſollten! An Eifer und Wetteifer fehlt es freilich nirgends unter Daß ich am heutigen Tage gerade dieſe Richtung meinen Ich brauche um ſo weniger zu beſorgen, daß ich Fern¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0162" n="146"/><fw place="top" type="header">Der Wettkampf.<lb/></fw> genden der Väter nicht mit ihnen in das Grab geſunken ſeien,<lb/> ſo feiern wir das Gedächtniß der theuern Männer, die uns<lb/> angehört haben, durch den Eifer ihre Tugenden fortzupflanzen,<lb/> ihr Andenken lebendig zu erhalten und in ihre Arbeit rüſtig<lb/> einzutreten. Die Jugend aber — wie könnte ſie aus ſo vielen<lb/> Städten und Gauen des Vaterlandes hier zuſammenſtrömen,<lb/> ohne daß dadurch die in den Einzelnen ſchlummernden Kräfte<lb/> zu gemeinſamem Streben geweckt, zum freudigen Wetteifer<lb/> begeiſtert werden ſollten!</p><lb/> <p>An Eifer und Wetteifer fehlt es freilich nirgends unter<lb/> den Menſchen und von Jahr zu Jahr rennen ſie mit ſteigender<lb/> Ungeduld durch einander, damit Einer dem Andern den Preis<lb/> abjage. Aber da handelt es ſich um Gewinn und Beſitz, um<lb/> Ehre und Einfluß oder eitlen Sinnengenuß; unſer gemeinſamer<lb/> Beruf fordert einen Wetteifer, wie ihn die Hellenen geübt<lb/> haben, den Wetteifer, welcher in der freien Entfaltung aller<lb/> Kräfte, im ſelbſtverläugnenden Streben nach dem höchſten Ziele<lb/> ſeine volle Befriedigung findet.</p><lb/> <p>Daß ich am heutigen Tage gerade dieſe Richtung meinen<lb/> Gedanken gegeben habe, kann Sie nicht befremden. Denn ich<lb/> darf ja im Namen einer Univerſität reden, deren Gründung<lb/> von dem hochherzigen Gedanken ausgegangen iſt, daß ein<lb/> deutſcher Staat durch Zuwachs an Macht und Ehre zugleich<lb/> die Verpflichtung empfange, in der Förderung deutſcher Wiſſen¬<lb/> ſchaft mit allen Nachbarſtaaten zu wetteifern, einer Univerſität,<lb/> welche den Gedanken ihres königlichen Gründers unter Gottes<lb/> ſichtlichem Segen verwirklicht, die, ſeit ſie in die Schranken<lb/> eingetreten iſt, viel unverwelkliche Ehrenkränze gewonnen hat<lb/> und mit den auserwählteſten Namen deutſcher Nation ver¬<lb/> wachſen iſt.</p><lb/> <p>Ich brauche um ſo weniger zu beſorgen, daß ich Fern¬<lb/> liegendes zum Gegenſtande dieſer Rede gewählt habe, wenn<lb/> ich bedenke, wie der König, welcher dem Gründer der Georgia-<lb/> Auguſta auch in der Liebe zu ihr nachgefolgt iſt, ſeinen Ge¬<lb/> burtstag uns für alle Zeiten zum Feſttage gemacht hat. Denn<lb/> indem er dieſen Tag zur Austheilung der erworbenen Preiſe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [146/0162]
Der Wettkampf.
genden der Väter nicht mit ihnen in das Grab geſunken ſeien,
ſo feiern wir das Gedächtniß der theuern Männer, die uns
angehört haben, durch den Eifer ihre Tugenden fortzupflanzen,
ihr Andenken lebendig zu erhalten und in ihre Arbeit rüſtig
einzutreten. Die Jugend aber — wie könnte ſie aus ſo vielen
Städten und Gauen des Vaterlandes hier zuſammenſtrömen,
ohne daß dadurch die in den Einzelnen ſchlummernden Kräfte
zu gemeinſamem Streben geweckt, zum freudigen Wetteifer
begeiſtert werden ſollten!
An Eifer und Wetteifer fehlt es freilich nirgends unter
den Menſchen und von Jahr zu Jahr rennen ſie mit ſteigender
Ungeduld durch einander, damit Einer dem Andern den Preis
abjage. Aber da handelt es ſich um Gewinn und Beſitz, um
Ehre und Einfluß oder eitlen Sinnengenuß; unſer gemeinſamer
Beruf fordert einen Wetteifer, wie ihn die Hellenen geübt
haben, den Wetteifer, welcher in der freien Entfaltung aller
Kräfte, im ſelbſtverläugnenden Streben nach dem höchſten Ziele
ſeine volle Befriedigung findet.
Daß ich am heutigen Tage gerade dieſe Richtung meinen
Gedanken gegeben habe, kann Sie nicht befremden. Denn ich
darf ja im Namen einer Univerſität reden, deren Gründung
von dem hochherzigen Gedanken ausgegangen iſt, daß ein
deutſcher Staat durch Zuwachs an Macht und Ehre zugleich
die Verpflichtung empfange, in der Förderung deutſcher Wiſſen¬
ſchaft mit allen Nachbarſtaaten zu wetteifern, einer Univerſität,
welche den Gedanken ihres königlichen Gründers unter Gottes
ſichtlichem Segen verwirklicht, die, ſeit ſie in die Schranken
eingetreten iſt, viel unverwelkliche Ehrenkränze gewonnen hat
und mit den auserwählteſten Namen deutſcher Nation ver¬
wachſen iſt.
Ich brauche um ſo weniger zu beſorgen, daß ich Fern¬
liegendes zum Gegenſtande dieſer Rede gewählt habe, wenn
ich bedenke, wie der König, welcher dem Gründer der Georgia-
Auguſta auch in der Liebe zu ihr nachgefolgt iſt, ſeinen Ge¬
burtstag uns für alle Zeiten zum Feſttage gemacht hat. Denn
indem er dieſen Tag zur Austheilung der erworbenen Preiſe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |