Wenn nun schon im großen Kreise der Staatsgemeinschaft diese einträchtige Gesinnung so unentbehrlich ist, wie im Chor¬ gesange die Harmonie der Stimmen, wie viel mehr in dem engen Kreise von Berufsgenossen, die täglich für einen gemein¬ samen Zweck mit einander arbeiten, die recht eigentlich dazu berufen sind, sich gegenseitig zu ergänzen und mit Rath und That einander nahe zu sein! Wahrlich, hier ist die gegen¬ seitige Befreundung nicht nur ein anmuthiger Schmuck, nicht nur das Ehrenkleid der Anstalt, sondern ihr Lebensprincip. dessen Verläugnung ihr Gedeihen sofort gefährden würde. Dies fühlen wir Alle, und nirgends scheint mir eine Beweis¬ führung dieses Satzes weniger am Orte zu sein, als in der Aula unserer Universität, welche, so lange sie besteht und blüht, diese geistige Genossenschaft als ihr bestes Gut erkannt und gepflegt hat. Sie ist der Boden, aus dem wir Kraft ent¬ nehmen, so oft wir ihn berühren; sie ist die Lebenslust, in der wir uns stärken und erfrischen, und je weniger es bei uns, wie etwa zwischen Haus- und Familiengenossen, ein an¬ geborenes und instinktartiges Gefühl ist, das uns verbindet, um so mehr soll es ein freies, sittliches und bewußtes sein, ein Gefühl des geistigen Zusammenhanges, in welchem wir, wenn auch aus Nord und Süd und unter Einwirkung vieler scheinbarer Zufälligkeiten hier vereinigt, dennoch des festen Glaubens sind, daß Jeder von uns auch nach einer höheren Ordnung der Dinge an seinem Platze stehe und unter den gegebenen Verhältnissen mit seinen Amtsgenossen zu wirken berufen sei. Auf diesem Gefühle des Zusammenhangs und der brüderlichen Einigkeit beruht das Wohl des Ganzen wie das aller einzelnen Theilnehmer, und jede Universitätsfeier fordert uns auf, von Neuem zu reiner Harmonie die Saiten zu stimmen.
Aber es wäre doch nicht wohl um unser Gemeinwesen be¬ stellt, wenn diese Harmonie nur auf der Stimmung des Wohl¬ wollens und auf der Freude an einem vertraulichen Zusammen¬ leben beruhte; sie muß einen andern, einen breiteren und festeren Boden haben, und zwar im Gegenstande des Berufs,
Das Mittleramt der Philologie.
Wenn nun ſchon im großen Kreiſe der Staatsgemeinſchaft dieſe einträchtige Geſinnung ſo unentbehrlich iſt, wie im Chor¬ geſange die Harmonie der Stimmen, wie viel mehr in dem engen Kreiſe von Berufsgenoſſen, die täglich für einen gemein¬ ſamen Zweck mit einander arbeiten, die recht eigentlich dazu berufen ſind, ſich gegenſeitig zu ergänzen und mit Rath und That einander nahe zu ſein! Wahrlich, hier iſt die gegen¬ ſeitige Befreundung nicht nur ein anmuthiger Schmuck, nicht nur das Ehrenkleid der Anſtalt, ſondern ihr Lebensprincip. deſſen Verläugnung ihr Gedeihen ſofort gefährden würde. Dies fühlen wir Alle, und nirgends ſcheint mir eine Beweis¬ führung dieſes Satzes weniger am Orte zu ſein, als in der Aula unſerer Univerſität, welche, ſo lange ſie beſteht und blüht, dieſe geiſtige Genoſſenſchaft als ihr beſtes Gut erkannt und gepflegt hat. Sie iſt der Boden, aus dem wir Kraft ent¬ nehmen, ſo oft wir ihn berühren; ſie iſt die Lebensluſt, in der wir uns ſtärken und erfriſchen, und je weniger es bei uns, wie etwa zwiſchen Haus- und Familiengenoſſen, ein an¬ geborenes und inſtinktartiges Gefühl iſt, das uns verbindet, um ſo mehr ſoll es ein freies, ſittliches und bewußtes ſein, ein Gefühl des geiſtigen Zuſammenhanges, in welchem wir, wenn auch aus Nord und Süd und unter Einwirkung vieler ſcheinbarer Zufälligkeiten hier vereinigt, dennoch des feſten Glaubens ſind, daß Jeder von uns auch nach einer höheren Ordnung der Dinge an ſeinem Platze ſtehe und unter den gegebenen Verhältniſſen mit ſeinen Amtsgenoſſen zu wirken berufen ſei. Auf dieſem Gefühle des Zuſammenhangs und der brüderlichen Einigkeit beruht das Wohl des Ganzen wie das aller einzelnen Theilnehmer, und jede Univerſitätsfeier fordert uns auf, von Neuem zu reiner Harmonie die Saiten zu ſtimmen.
Aber es wäre doch nicht wohl um unſer Gemeinweſen be¬ ſtellt, wenn dieſe Harmonie nur auf der Stimmung des Wohl¬ wollens und auf der Freude an einem vertraulichen Zuſammen¬ leben beruhte; ſie muß einen andern, einen breiteren und feſteren Boden haben, und zwar im Gegenſtande des Berufs,
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Das Mittleramt der Philologie.
Wenn nun ſchon im großen Kreiſe der Staatsgemeinſchaft
dieſe einträchtige Geſinnung ſo unentbehrlich iſt, wie im Chor¬
geſange die Harmonie der Stimmen, wie viel mehr in dem
engen Kreiſe von Berufsgenoſſen, die täglich für einen gemein¬
ſamen Zweck mit einander arbeiten, die recht eigentlich dazu
berufen ſind, ſich gegenſeitig zu ergänzen und mit Rath und
That einander nahe zu ſein! Wahrlich, hier iſt die gegen¬
ſeitige Befreundung nicht nur ein anmuthiger Schmuck, nicht
nur das Ehrenkleid der Anſtalt, ſondern ihr Lebensprincip.
deſſen Verläugnung ihr Gedeihen ſofort gefährden würde.
Dies fühlen wir Alle, und nirgends ſcheint mir eine Beweis¬
führung dieſes Satzes weniger am Orte zu ſein, als in der
Aula unſerer Univerſität, welche, ſo lange ſie beſteht und blüht,
dieſe geiſtige Genoſſenſchaft als ihr beſtes Gut erkannt und
gepflegt hat. Sie iſt der Boden, aus dem wir Kraft ent¬
nehmen, ſo oft wir ihn berühren; ſie iſt die Lebensluſt, in
der wir uns ſtärken und erfriſchen, und je weniger es bei
uns, wie etwa zwiſchen Haus- und Familiengenoſſen, ein an¬
geborenes und inſtinktartiges Gefühl iſt, das uns verbindet,
um ſo mehr ſoll es ein freies, ſittliches und bewußtes ſein,
ein Gefühl des geiſtigen Zuſammenhanges, in welchem wir,
wenn auch aus Nord und Süd und unter Einwirkung vieler
ſcheinbarer Zufälligkeiten hier vereinigt, dennoch des feſten
Glaubens ſind, daß Jeder von uns auch nach einer höheren
Ordnung der Dinge an ſeinem Platze ſtehe und unter den
gegebenen Verhältniſſen mit ſeinen Amtsgenoſſen zu wirken
berufen ſei. Auf dieſem Gefühle des Zuſammenhangs und
der brüderlichen Einigkeit beruht das Wohl des Ganzen wie
das aller einzelnen Theilnehmer, und jede Univerſitätsfeier
fordert uns auf, von Neuem zu reiner Harmonie die Saiten
zu ſtimmen.
Aber es wäre doch nicht wohl um unſer Gemeinweſen be¬
ſtellt, wenn dieſe Harmonie nur auf der Stimmung des Wohl¬
wollens und auf der Freude an einem vertraulichen Zuſammen¬
leben beruhte; ſie muß einen andern, einen breiteren und
feſteren Boden haben, und zwar im Gegenſtande des Berufs,
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/18>, abgerufen am 21.11.2024.
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