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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die Weihe des Siegs.
unaussprechlichen Freude die Siegesfeuer auf den Alpenspitzen
lodern. Ja, an allen Küsten des Weltmeers, wo deutscher
Fleiß des Landes Schätze verwerthet, in den fernsten Berg¬
winkeln der neuen Welt, wo die Axt eines Deutschen den
Wald lichtet, wo die Brüder sonst so leicht unserer vergaßen
oder mitleidig auf die Kinder der alternden Europa hinabsahen,
wie haben sie über Land und Meer die Bruderhand gestreckt,
wie haben sie Glück und Noth getheilt, wie haben sie gespendet,
geholfen, ermuthigt! Mit so freudigem Stolze haben wir
uns noch niemals Deutsche nennen können! O wohl uns,
daß wir diese Einigkeit des Volks, diese Macht der Treue,
diese Allgegenwart der Liebe erfahren haben, das Zeugniß
unserer gerechten Sache, die Frucht und Weihe des gerechten
Kriegs!

Für eine gerechte Sache ist auch das Unterliegen schön;
unsere Sache war aber die überall siegreiche, und so lange es
Menschengeschlechter giebt, welche in der Völkergeschichte die
Spuren göttlicher Gerechtigkeit aufsuchen, wird man bei diesem
Kriege mit Vorliebe verweilen. Denn die auf das Böse im
Menschen rechneten, sind mit ihrer Rechnung zu Schanden
geworden. Arglistig suchten sie die preußische Sache von der
deutschen zu trennen und gaben dadurch den Anstoß, daß wir
uns inniger als je vereinigten. Die Rheinbundzeiten wurden
endlich gesühnt und mitten im Feindeslande das Reich her¬
gestellt, dessen Verhinderung der eigentliche Endzweck ihres
Angriffs gewesen war. Da bewährten sich wohl die Worte,
welche uns von Kindheit auf im Gedächtniß schweben: Ihr
gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott hat es gut
mit mir gemacht, und das ist die schönste Weihe unsres Siegs,
daß wir ihn wie eine volle Gottesgabe entgegennehmen dürfen.
So lange es daher ein Volk der Deutschen giebt, wird es
unserm Könige dankbar sein, daß Er Seiner Friedensliebe
ungeachtet mit so starkem Muthe und zweifellosem Gottvertrauen
den Krieg angenommen und mit Seinem, von Ihm neu ge¬
schaffenen, tapfern Heere so herrlich durchgeführt hat. Denn
die Einheit, die Er uns gebracht, ist nicht etwa nur ein Schmuck

Die Weihe des Siegs.
unausſprechlichen Freude die Siegesfeuer auf den Alpenſpitzen
lodern. Ja, an allen Küſten des Weltmeers, wo deutſcher
Fleiß des Landes Schätze verwerthet, in den fernſten Berg¬
winkeln der neuen Welt, wo die Axt eines Deutſchen den
Wald lichtet, wo die Brüder ſonſt ſo leicht unſerer vergaßen
oder mitleidig auf die Kinder der alternden Europa hinabſahen,
wie haben ſie über Land und Meer die Bruderhand geſtreckt,
wie haben ſie Glück und Noth getheilt, wie haben ſie geſpendet,
geholfen, ermuthigt! Mit ſo freudigem Stolze haben wir
uns noch niemals Deutſche nennen können! O wohl uns,
daß wir dieſe Einigkeit des Volks, dieſe Macht der Treue,
dieſe Allgegenwart der Liebe erfahren haben, das Zeugniß
unſerer gerechten Sache, die Frucht und Weihe des gerechten
Kriegs!

Für eine gerechte Sache iſt auch das Unterliegen ſchön;
unſere Sache war aber die überall ſiegreiche, und ſo lange es
Menſchengeſchlechter giebt, welche in der Völkergeſchichte die
Spuren göttlicher Gerechtigkeit aufſuchen, wird man bei dieſem
Kriege mit Vorliebe verweilen. Denn die auf das Böſe im
Menſchen rechneten, ſind mit ihrer Rechnung zu Schanden
geworden. Argliſtig ſuchten ſie die preußiſche Sache von der
deutſchen zu trennen und gaben dadurch den Anſtoß, daß wir
uns inniger als je vereinigten. Die Rheinbundzeiten wurden
endlich geſühnt und mitten im Feindeslande das Reich her¬
geſtellt, deſſen Verhinderung der eigentliche Endzweck ihres
Angriffs geweſen war. Da bewährten ſich wohl die Worte,
welche uns von Kindheit auf im Gedächtniß ſchweben: Ihr
gedachtet es böſe mit mir zu machen, aber Gott hat es gut
mit mir gemacht, und das iſt die ſchönſte Weihe unſres Siegs,
daß wir ihn wie eine volle Gottesgabe entgegennehmen dürfen.
So lange es daher ein Volk der Deutſchen giebt, wird es
unſerm Könige dankbar ſein, daß Er Seiner Friedensliebe
ungeachtet mit ſo ſtarkem Muthe und zweifelloſem Gottvertrauen
den Krieg angenommen und mit Seinem, von Ihm neu ge¬
ſchaffenen, tapfern Heere ſo herrlich durchgeführt hat. Denn
die Einheit, die Er uns gebracht, iſt nicht etwa nur ein Schmuck

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[345/0361] Die Weihe des Siegs. unausſprechlichen Freude die Siegesfeuer auf den Alpenſpitzen lodern. Ja, an allen Küſten des Weltmeers, wo deutſcher Fleiß des Landes Schätze verwerthet, in den fernſten Berg¬ winkeln der neuen Welt, wo die Axt eines Deutſchen den Wald lichtet, wo die Brüder ſonſt ſo leicht unſerer vergaßen oder mitleidig auf die Kinder der alternden Europa hinabſahen, wie haben ſie über Land und Meer die Bruderhand geſtreckt, wie haben ſie Glück und Noth getheilt, wie haben ſie geſpendet, geholfen, ermuthigt! Mit ſo freudigem Stolze haben wir uns noch niemals Deutſche nennen können! O wohl uns, daß wir dieſe Einigkeit des Volks, dieſe Macht der Treue, dieſe Allgegenwart der Liebe erfahren haben, das Zeugniß unſerer gerechten Sache, die Frucht und Weihe des gerechten Kriegs! Für eine gerechte Sache iſt auch das Unterliegen ſchön; unſere Sache war aber die überall ſiegreiche, und ſo lange es Menſchengeſchlechter giebt, welche in der Völkergeſchichte die Spuren göttlicher Gerechtigkeit aufſuchen, wird man bei dieſem Kriege mit Vorliebe verweilen. Denn die auf das Böſe im Menſchen rechneten, ſind mit ihrer Rechnung zu Schanden geworden. Argliſtig ſuchten ſie die preußiſche Sache von der deutſchen zu trennen und gaben dadurch den Anſtoß, daß wir uns inniger als je vereinigten. Die Rheinbundzeiten wurden endlich geſühnt und mitten im Feindeslande das Reich her¬ geſtellt, deſſen Verhinderung der eigentliche Endzweck ihres Angriffs geweſen war. Da bewährten ſich wohl die Worte, welche uns von Kindheit auf im Gedächtniß ſchweben: Ihr gedachtet es böſe mit mir zu machen, aber Gott hat es gut mit mir gemacht, und das iſt die ſchönſte Weihe unſres Siegs, daß wir ihn wie eine volle Gottesgabe entgegennehmen dürfen. So lange es daher ein Volk der Deutſchen giebt, wird es unſerm Könige dankbar ſein, daß Er Seiner Friedensliebe ungeachtet mit ſo ſtarkem Muthe und zweifelloſem Gottvertrauen den Krieg angenommen und mit Seinem, von Ihm neu ge¬ ſchaffenen, tapfern Heere ſo herrlich durchgeführt hat. Denn die Einheit, die Er uns gebracht, iſt nicht etwa nur ein Schmuck

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/361>, abgerufen am 23.11.2024.