Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Die Idee des Königthums. hat, dieser Idee gegenüber seine Stellung zu nehmen, so istdie Geschichte des Königthums ein lehrreicher Spiegel für die verschiedenen Zeiten und Volkszustände. Es geht aber durch die Vorstellungen vom Königthume Im Morgenland ist das Königthum eine Thatsache, an Das Abendland ist der Boden der Arbeit. Es hat Alles Im Orient hat sich das Herrscherthum von dem Ursprung, Die Idee des Königthums. hat, dieſer Idee gegenüber ſeine Stellung zu nehmen, ſo iſtdie Geſchichte des Königthums ein lehrreicher Spiegel für die verſchiedenen Zeiten und Volkszuſtände. Es geht aber durch die Vorſtellungen vom Königthume Im Morgenland iſt das Königthum eine Thatſache, an Das Abendland iſt der Boden der Arbeit. Es hat Alles Im Orient hat ſich das Herrſcherthum von dem Urſprung, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0374" n="358"/><fw place="top" type="header">Die Idee des Königthums.<lb/></fw> hat, dieſer Idee gegenüber ſeine Stellung zu nehmen, ſo iſt<lb/> die Geſchichte des Königthums ein lehrreicher Spiegel für die<lb/> verſchiedenen Zeiten und Volkszuſtände.</p><lb/> <p>Es geht aber durch die Vorſtellungen vom Königthume<lb/> eine Scheidelinie und bildet bei aller Mannigfaltigkeit im<lb/> Einzelnen zwei große Gruppen; es iſt der Gegenſatz des<lb/> Abend- und Morgenlandes, welcher die Culturwelt des Alter¬<lb/> thums beherrſcht und auch in die neue Zeit bedeutender hin¬<lb/> übergreift, als wir uns deſſen bewußt zu ſein pflegen; denn<lb/> es iſt nicht bloß ein örtlicher Gegenſatz, um den es ſich han¬<lb/> delt, ein Gegenſatz, der nach Gebirgen und Meerſunden be¬<lb/> ſtimmt wird, ſondern ein ethiſcher.</p><lb/> <p>Im Morgenland iſt das Königthum eine Thatſache, an<lb/> der nichts zu ändern iſt, eine Nothwendigkeit, der man ſich<lb/> fügt wie einer Naturmacht, die nach unberechenbaren Geſetzen<lb/> bald Segen, bald Verderben ſendet. Beides iſt ein Fatum,<lb/> dem man ſich ſklaviſch unterwirft. Es giebt keine Staaten,<lb/> ſondern nur Reiche; es giebt keine Bürgerſchaften, ſondern<lb/> nur Haufen von Unterthanen. Herrſcher werden beſeitigt und<lb/> die Dynaſtien wechſeln, aber das Herrſcherthum bleibt das¬<lb/> ſelbe. Der Orient iſt nicht im Stande geweſen ein anderes<lb/> Syſtem hervorzubringen; bei allen Geſetzgebungsverſuchen<lb/> bleibt der Sultan ein Sultan und die Annäherung an euro¬<lb/> päiſche Culturſtaaten kann wohl den Kern des Alten auflöſen,<lb/> aber nichts Neues, Lebensfähiges hervorbringen.</p><lb/> <p>Das Abendland iſt der Boden der Arbeit. Es hat Alles<lb/> vom Orient empfangen, aber nichts gelaſſen wie es war. Alles<lb/> iſt in der Werkſtätte des Geiſtes umgeſchmolzen und neu ge¬<lb/> macht. Jedes Volk ſucht dem Arbeitsſtoffe das Gepräge ſeiner<lb/> Eigenthümlichkeit zu geben, aber die Arbeitskraft iſt nicht<lb/> immer dieſelbe. Wenn ſie nachläßt, ſo nähert ſich das euro¬<lb/> päiſche Weſen unwillkürlich dem Orient und läuft Gefahr, in<lb/> ſeinen Fatalismus und ſeine Monotonie zu verſinken.</p><lb/> <p>Im Orient hat ſich das Herrſcherthum von dem Urſprung,<lb/> in dem es wurzelt, von Stamm und Familie nie gelöſt. Es<lb/> iſt die auf das Reich übertragene Hausvatergewalt. Was aber<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [358/0374]
Die Idee des Königthums.
hat, dieſer Idee gegenüber ſeine Stellung zu nehmen, ſo iſt
die Geſchichte des Königthums ein lehrreicher Spiegel für die
verſchiedenen Zeiten und Volkszuſtände.
Es geht aber durch die Vorſtellungen vom Königthume
eine Scheidelinie und bildet bei aller Mannigfaltigkeit im
Einzelnen zwei große Gruppen; es iſt der Gegenſatz des
Abend- und Morgenlandes, welcher die Culturwelt des Alter¬
thums beherrſcht und auch in die neue Zeit bedeutender hin¬
übergreift, als wir uns deſſen bewußt zu ſein pflegen; denn
es iſt nicht bloß ein örtlicher Gegenſatz, um den es ſich han¬
delt, ein Gegenſatz, der nach Gebirgen und Meerſunden be¬
ſtimmt wird, ſondern ein ethiſcher.
Im Morgenland iſt das Königthum eine Thatſache, an
der nichts zu ändern iſt, eine Nothwendigkeit, der man ſich
fügt wie einer Naturmacht, die nach unberechenbaren Geſetzen
bald Segen, bald Verderben ſendet. Beides iſt ein Fatum,
dem man ſich ſklaviſch unterwirft. Es giebt keine Staaten,
ſondern nur Reiche; es giebt keine Bürgerſchaften, ſondern
nur Haufen von Unterthanen. Herrſcher werden beſeitigt und
die Dynaſtien wechſeln, aber das Herrſcherthum bleibt das¬
ſelbe. Der Orient iſt nicht im Stande geweſen ein anderes
Syſtem hervorzubringen; bei allen Geſetzgebungsverſuchen
bleibt der Sultan ein Sultan und die Annäherung an euro¬
päiſche Culturſtaaten kann wohl den Kern des Alten auflöſen,
aber nichts Neues, Lebensfähiges hervorbringen.
Das Abendland iſt der Boden der Arbeit. Es hat Alles
vom Orient empfangen, aber nichts gelaſſen wie es war. Alles
iſt in der Werkſtätte des Geiſtes umgeſchmolzen und neu ge¬
macht. Jedes Volk ſucht dem Arbeitsſtoffe das Gepräge ſeiner
Eigenthümlichkeit zu geben, aber die Arbeitskraft iſt nicht
immer dieſelbe. Wenn ſie nachläßt, ſo nähert ſich das euro¬
päiſche Weſen unwillkürlich dem Orient und läuft Gefahr, in
ſeinen Fatalismus und ſeine Monotonie zu verſinken.
Im Orient hat ſich das Herrſcherthum von dem Urſprung,
in dem es wurzelt, von Stamm und Familie nie gelöſt. Es
iſt die auf das Reich übertragene Hausvatergewalt. Was aber
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