Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Die Idee des Königthums. Beispiel des hellenischen Orients, der, in Schlaffheit und Knechts¬sinn versunken, jedem Machthaber Weihrauch zu streuen und göttliche Ehren darzubringen bereit war. Auch das Römer¬ thum zeigte sich unfähig, dem betäubenden Gifte zu widerstehen, das mit furchtbarer Schnelligkeit den klaren Geist europäischer Gesittung umdüsterte. Der Sohn des Germanicus ließ sich schon bei Lebzeiten als einem Gotte huldigen, dem neuen Helios, den die anderen Fürsten wie Trabanten umgaben. Der Weltherr¬ schaftsschwindel erschien also mit Despotismus und Abgötterei wieder unzertrennlich verbunden. Die glücklichen Zeiten, in denen die Gegensätze von Alleinherrschaft und Freiheit über¬ wunden wurden, waren nur vorübergehende Lichtblicke, die das Gewölk durchbrachen. Im Ganzen versank nach einem unerbitt¬ lichen Fatum das Römerthum, nachdem seine Lebenskraft er¬ storben, in orientalische Erstarrung und diese Entwickelung vollendete sich, als auch der Boden der Republik verlassen und die schon beim Beginn des Principats beabsichtigte Verlegung der Reichshauptstadt aus Europa an die Schwelle des Orients vollzogen ward. Der römische Cäsar zog sich aus der Ge¬ meinschaft des Volks zurück und ließ sich mit dem geschmack¬ losen Pomp des orientalischen Herrscherthums umhüllen. Nach hierarchischem Ceremoniell wurde der Hofstaat geregelt und die Hand Gottes, wie sie auf den Münzen Constantin's aus den Wolken ragt, reicht dem Imperator die Krone der Welt¬ herrschaft. Das römische Imperatorenthum hat auch in die neuere Die Idee des Königthums. Beiſpiel des helleniſchen Orients, der, in Schlaffheit und Knechts¬ſinn verſunken, jedem Machthaber Weihrauch zu ſtreuen und göttliche Ehren darzubringen bereit war. Auch das Römer¬ thum zeigte ſich unfähig, dem betäubenden Gifte zu widerſtehen, das mit furchtbarer Schnelligkeit den klaren Geiſt europäiſcher Geſittung umdüſterte. Der Sohn des Germanicus ließ ſich ſchon bei Lebzeiten als einem Gotte huldigen, dem neuen Helios, den die anderen Fürſten wie Trabanten umgaben. Der Weltherr¬ ſchaftsſchwindel erſchien alſo mit Despotismus und Abgötterei wieder unzertrennlich verbunden. Die glücklichen Zeiten, in denen die Gegenſätze von Alleinherrſchaft und Freiheit über¬ wunden wurden, waren nur vorübergehende Lichtblicke, die das Gewölk durchbrachen. Im Ganzen verſank nach einem unerbitt¬ lichen Fatum das Römerthum, nachdem ſeine Lebenskraft er¬ ſtorben, in orientaliſche Erſtarrung und dieſe Entwickelung vollendete ſich, als auch der Boden der Republik verlaſſen und die ſchon beim Beginn des Principats beabſichtigte Verlegung der Reichshauptſtadt aus Europa an die Schwelle des Orients vollzogen ward. Der römiſche Cäſar zog ſich aus der Ge¬ meinſchaft des Volks zurück und ließ ſich mit dem geſchmack¬ loſen Pomp des orientaliſchen Herrſcherthums umhüllen. Nach hierarchiſchem Ceremoniell wurde der Hofſtaat geregelt und die Hand Gottes, wie ſie auf den Münzen Conſtantin's aus den Wolken ragt, reicht dem Imperator die Krone der Welt¬ herrſchaft. Das römiſche Imperatorenthum hat auch in die neuere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0378" n="362"/><fw place="top" type="header">Die Idee des Königthums.<lb/></fw> Beiſpiel des helleniſchen Orients, der, in Schlaffheit und Knechts¬<lb/> ſinn verſunken, jedem Machthaber Weihrauch zu ſtreuen und<lb/> göttliche Ehren darzubringen bereit war. Auch das Römer¬<lb/> thum zeigte ſich unfähig, dem betäubenden Gifte zu widerſtehen,<lb/> das mit furchtbarer Schnelligkeit den klaren Geiſt europäiſcher<lb/> Geſittung umdüſterte. 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Mit der Erhebung zum Auguſtus traten die<lb/> orientaliſchen Ideen, welche als ein verhängnißvolles Erbe aus<lb/> dem Cäſarenthum übernommen wurden, in die deutſche Welt<lb/> ein und das tragiſche Schickſal eines Otto des Dritten lag<lb/> darin, daß er von dem Taumel maßloſer Herrſchaftsideen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [362/0378]
Die Idee des Königthums.
Beiſpiel des helleniſchen Orients, der, in Schlaffheit und Knechts¬
ſinn verſunken, jedem Machthaber Weihrauch zu ſtreuen und
göttliche Ehren darzubringen bereit war. Auch das Römer¬
thum zeigte ſich unfähig, dem betäubenden Gifte zu widerſtehen,
das mit furchtbarer Schnelligkeit den klaren Geiſt europäiſcher
Geſittung umdüſterte. Der Sohn des Germanicus ließ ſich ſchon
bei Lebzeiten als einem Gotte huldigen, dem neuen Helios, den
die anderen Fürſten wie Trabanten umgaben. Der Weltherr¬
ſchaftsſchwindel erſchien alſo mit Despotismus und Abgötterei
wieder unzertrennlich verbunden. Die glücklichen Zeiten, in
denen die Gegenſätze von Alleinherrſchaft und Freiheit über¬
wunden wurden, waren nur vorübergehende Lichtblicke, die das
Gewölk durchbrachen. Im Ganzen verſank nach einem unerbitt¬
lichen Fatum das Römerthum, nachdem ſeine Lebenskraft er¬
ſtorben, in orientaliſche Erſtarrung und dieſe Entwickelung
vollendete ſich, als auch der Boden der Republik verlaſſen und
die ſchon beim Beginn des Principats beabſichtigte Verlegung
der Reichshauptſtadt aus Europa an die Schwelle des Orients
vollzogen ward. Der römiſche Cäſar zog ſich aus der Ge¬
meinſchaft des Volks zurück und ließ ſich mit dem geſchmack¬
loſen Pomp des orientaliſchen Herrſcherthums umhüllen. Nach
hierarchiſchem Ceremoniell wurde der Hofſtaat geregelt und
die Hand Gottes, wie ſie auf den Münzen Conſtantin's aus
den Wolken ragt, reicht dem Imperator die Krone der Welt¬
herrſchaft.
Das römiſche Imperatorenthum hat auch in die neuere
Zeit ſeinen Einfluß erſtreckt. Durch den Anſchluß an daſſelbe
hat ſich das deutſche Königthum, welches von Anfang an, wie
das der Makedonier, Griechen und Römer, einen ſtaatlichen
Charakter hatte und im Verein mit der Gemeinde die Gränzen
hüten und die Rechte ſeiner Angehörigen ſchützen ſollte, weſent¬
lich verändert. Mit der Erhebung zum Auguſtus traten die
orientaliſchen Ideen, welche als ein verhängnißvolles Erbe aus
dem Cäſarenthum übernommen wurden, in die deutſche Welt
ein und das tragiſche Schickſal eines Otto des Dritten lag
darin, daß er von dem Taumel maßloſer Herrſchaftsideen
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