Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.auf eine Stufe zu stellen, bei welcher das Moment der Be- Als ein unverächtliches Mittel zur Erklärung ursprachlicher Ebenfalls belehrend sind analoge Vorgänge in völlig un- *) Ebenso spricht sich Whitney aus in seiner an Ernst Kuhn "Ueber
Herkunft und Sprache der transgangetischen Völker" anknüpfenden Ab- handlung (american Journal of Philology Vol. V No. 1) aus, die sehr viel beachtenswerthes enthält, desgleichen Pott im zweiten Heft von Tech- mer's internationaler Zeitschr. Bd. I. auf eine Stufe zu stellen, bei welcher das Moment der Be- Als ein unverächtliches Mittel zur Erklärung ursprachlicher Ebenfalls belehrend sind analoge Vorgänge in völlig un- *) Ebenso spricht sich Whitney aus in seiner an Ernst Kuhn „Ueber
Herkunft und Sprache der transgangetischen Völker“ anknüpfenden Ab- handlung (american Journal of Philology Vol. V No. 1) aus, die sehr viel beachtenswerthes enthält, desgleichen Pott im zweiten Heft von Tech- mer's internationaler Zeitschr. Bd. I. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0157" n="149"/> auf eine Stufe zu stellen, bei welcher das Moment der Be-<lb/> deutung gänzlich bei Seite geschoben wird <note place="foot" n="*)">Ebenso spricht sich <hi rendition="#g">Whitney</hi> aus in seiner an Ernst Kuhn „Ueber<lb/> Herkunft und Sprache der transgangetischen Völker“ anknüpfenden Ab-<lb/> handlung (american Journal of Philology Vol. V No. 1) aus, die sehr viel<lb/> beachtenswerthes enthält, desgleichen <hi rendition="#g">Pott</hi> im zweiten Heft von Tech-<lb/> mer's internationaler Zeitschr. Bd. I.</note></p><lb/> <p>Als ein unverächtliches Mittel zur Erklärung ursprachlicher<lb/> Vorgänge hat man von jeher die Analogie andrer Sprachen,<lb/> zunächst jüngerer Glieder des indogermanischen Stammes, be-<lb/> trachtet. Ohne die deutschen und romanischen Erscheinungen<lb/> wie „<hi rendition="#i">ich liebe</hi>“, „<hi rendition="#i">il donne</hi>“ wäre selbst Bopp kaum auf die<lb/> Grundlagen seiner Deutung gekommen. Dass enklitische Wört-<lb/> chen bei der Anschmelzung an andere sich verkürzen, kann<lb/> uns lateinisches <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="lat">nec</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="lat">neu</foreign></hi> neben <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="lat">neque</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="lat">neve</foreign></hi> und deutsches<lb/> „<hi rendition="#i">ist's</hi>“, „<hi rendition="#i">s'ist</hi>“ und ähnliches lehren. Auf welchem Wege im<lb/> Neugriechischen <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">θέλω ἵνα</foreign></hi> zu <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">θα</foreign></hi> mit dem Conjunctiv gewor-<lb/> den ist, verspricht Krumbacher „Beiträge zu einer Geschichte<lb/> der griechischen Sprache“ S. 17 uns noch deutlicher zu zeigen.<lb/> Ohne das Princip der Kürzung kommen wir für solche flexi-<lb/> visch gewordene Silben nicht aus. Demgemäss ist die An-<lb/> nahme wenig auffallend, dass selbst in den ältesten Perioden<lb/> der Sprachen die Anfügung solcher Elemente mancherlei Ver-<lb/> kürzungen mit sich brachte, durch die sich die aller Wahr-<lb/> scheinlichkeit nach enklitisch angefügten Wörtchen mehr und<lb/> mehr von ihrem ursprünglichen Lautbestande entfernten. Auf<lb/> das Princip der <hi rendition="#g">Kürzung</hi> als einen gar nicht abzuweisenden<lb/> Factor im Sprachleben verwies ich S. 89. Es scheint mir<lb/> mehr als wahrscheinlich, dass dies Princip in jener frühen<lb/> Epoche wirksam war, in welcher der Uebergang von der An-<lb/> fügung zur eigentlichen Flexion stattfand.</p><lb/> <p>Ebenfalls belehrend sind analoge Vorgänge in völlig un-<lb/> verwandten Sprachen, wofür schon Buttmann und Bopp das<lb/> Hebräische herangezogen haben (Verb. I<hi rendition="#sup">2</hi> S. 35). An dem-<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [149/0157]
auf eine Stufe zu stellen, bei welcher das Moment der Be-
deutung gänzlich bei Seite geschoben wird *)
Als ein unverächtliches Mittel zur Erklärung ursprachlicher
Vorgänge hat man von jeher die Analogie andrer Sprachen,
zunächst jüngerer Glieder des indogermanischen Stammes, be-
trachtet. Ohne die deutschen und romanischen Erscheinungen
wie „ich liebe“, „il donne“ wäre selbst Bopp kaum auf die
Grundlagen seiner Deutung gekommen. Dass enklitische Wört-
chen bei der Anschmelzung an andere sich verkürzen, kann
uns lateinisches nec, neu neben neque, neve und deutsches
„ist's“, „s'ist“ und ähnliches lehren. Auf welchem Wege im
Neugriechischen θέλω ἵνα zu θα mit dem Conjunctiv gewor-
den ist, verspricht Krumbacher „Beiträge zu einer Geschichte
der griechischen Sprache“ S. 17 uns noch deutlicher zu zeigen.
Ohne das Princip der Kürzung kommen wir für solche flexi-
visch gewordene Silben nicht aus. Demgemäss ist die An-
nahme wenig auffallend, dass selbst in den ältesten Perioden
der Sprachen die Anfügung solcher Elemente mancherlei Ver-
kürzungen mit sich brachte, durch die sich die aller Wahr-
scheinlichkeit nach enklitisch angefügten Wörtchen mehr und
mehr von ihrem ursprünglichen Lautbestande entfernten. Auf
das Princip der Kürzung als einen gar nicht abzuweisenden
Factor im Sprachleben verwies ich S. 89. Es scheint mir
mehr als wahrscheinlich, dass dies Princip in jener frühen
Epoche wirksam war, in welcher der Uebergang von der An-
fügung zur eigentlichen Flexion stattfand.
Ebenfalls belehrend sind analoge Vorgänge in völlig un-
verwandten Sprachen, wofür schon Buttmann und Bopp das
Hebräische herangezogen haben (Verb. I2 S. 35). An dem-
*) Ebenso spricht sich Whitney aus in seiner an Ernst Kuhn „Ueber
Herkunft und Sprache der transgangetischen Völker“ anknüpfenden Ab-
handlung (american Journal of Philology Vol. V No. 1) aus, die sehr viel
beachtenswerthes enthält, desgleichen Pott im zweiten Heft von Tech-
mer's internationaler Zeitschr. Bd. I.
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