Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.kommt man auf diesem Gebiet mit unverbrüchlichen Formeln Um mich möglichst vor rein subjectiven Meinungen zu Ich kann nicht schliessen, ohne meinem lieben Freunde Leipzig, Januar 1885. kommt man auf diesem Gebiet mit unverbrüchlichen Formeln Um mich möglichst vor rein subjectiven Meinungen zu Ich kann nicht schliessen, ohne meinem lieben Freunde Leipzig, Januar 1885. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0163" n="155"/> kommt man auf diesem Gebiet mit unverbrüchlichen Formeln<lb/> aus. Mass und Ordnung durchdringt das ganze Wesen der<lb/> Sprache. Die Erforschung der Sprache gehört zu den ge-<lb/> schichtlichen Geisteswissenschaften und bei diesen ist vielfach<lb/> nicht ohne ein vorsichtig tastendes Verfahren auszukommen.<lb/> Darum ist auf die Bedeutung der fraglichen Wörter und Wort-<lb/> formen ebenso sorgfältig wie auf die Laute zu achten und<lb/> vor allem in jedem einzelnen Falle von den unbefangen er-<lb/> mittelten Thatsachen der Sprachgeschichte auszugehen. Dass<lb/> wir dabei häufig, namentlich wo es sich um die Gründe der<lb/> einzelnen Erscheinungen handelt, über eine gewisse Wahr-<lb/> scheinlichkeit nicht hinauskommen, wird zuzugeben sein. Aber<lb/> was nützen zuversichtliche Behauptungen, bei denen man doch<lb/> zu rein willkürlichen Annahmen greifen muss ? Im Anschluss<lb/> und unter kritischer Benutzung der Arbeiten, welche vom Be-<lb/> ginn der vergleichenden Sprachwissenschaft an bis auf die<lb/> Gegenwart unternommen sind, wird man, das ist zu hoffen,<lb/> weiter und weiter kommen.</p><lb/> <p>Um mich möglichst vor rein subjectiven Meinungen zu<lb/> hüten, habe ich überall mich bemüht, die Aussprüche andrer<lb/> Gelehrter heranzuziehen und so ein Bild der Meinungen zu<lb/> geben, die keineswegs in dem Masse übereinstimmen, wie<lb/> dies häufig behauptet wird. Auch hat, irre ich nicht, die Zu-<lb/> versicht, mit der man vor neun Jahren eine neue Aera erwar-<lb/> tete, schon vielfach sehr nachgelassen. Sollten diese Blätter<lb/> etwas zur Klärung der Meinungen und zur Ausgleichung der<lb/> Gegensätze beitragen, würde ich das nach mehr als vierzig-<lb/> jähriger Bemühung auf diesem Gebiete als den schönsten Lohn<lb/> betrachten.</p><lb/> <p>Ich kann nicht schliessen, ohne meinem lieben Freunde<lb/> und Collegen <hi rendition="#g">Ernst Windisch</hi> für die treue, anregende und<lb/> vielfach belehrende Theilnahme, die er diesem Buche von<lb/> Anfang bis zu Ende widmete, herzlich zu danken.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Leipzig</hi>, Januar 1885.</p><lb/> </div><lb/> </body> <back> </back> </text> </TEI> [155/0163]
kommt man auf diesem Gebiet mit unverbrüchlichen Formeln
aus. Mass und Ordnung durchdringt das ganze Wesen der
Sprache. Die Erforschung der Sprache gehört zu den ge-
schichtlichen Geisteswissenschaften und bei diesen ist vielfach
nicht ohne ein vorsichtig tastendes Verfahren auszukommen.
Darum ist auf die Bedeutung der fraglichen Wörter und Wort-
formen ebenso sorgfältig wie auf die Laute zu achten und
vor allem in jedem einzelnen Falle von den unbefangen er-
mittelten Thatsachen der Sprachgeschichte auszugehen. Dass
wir dabei häufig, namentlich wo es sich um die Gründe der
einzelnen Erscheinungen handelt, über eine gewisse Wahr-
scheinlichkeit nicht hinauskommen, wird zuzugeben sein. Aber
was nützen zuversichtliche Behauptungen, bei denen man doch
zu rein willkürlichen Annahmen greifen muss ? Im Anschluss
und unter kritischer Benutzung der Arbeiten, welche vom Be-
ginn der vergleichenden Sprachwissenschaft an bis auf die
Gegenwart unternommen sind, wird man, das ist zu hoffen,
weiter und weiter kommen.
Um mich möglichst vor rein subjectiven Meinungen zu
hüten, habe ich überall mich bemüht, die Aussprüche andrer
Gelehrter heranzuziehen und so ein Bild der Meinungen zu
geben, die keineswegs in dem Masse übereinstimmen, wie
dies häufig behauptet wird. Auch hat, irre ich nicht, die Zu-
versicht, mit der man vor neun Jahren eine neue Aera erwar-
tete, schon vielfach sehr nachgelassen. Sollten diese Blätter
etwas zur Klärung der Meinungen und zur Ausgleichung der
Gegensätze beitragen, würde ich das nach mehr als vierzig-
jähriger Bemühung auf diesem Gebiete als den schönsten Lohn
betrachten.
Ich kann nicht schliessen, ohne meinem lieben Freunde
und Collegen Ernst Windisch für die treue, anregende und
vielfach belehrende Theilnahme, die er diesem Buche von
Anfang bis zu Ende widmete, herzlich zu danken.
Leipzig, Januar 1885.
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