Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.unverändert, die anderswo verändert wird. Es heisst robur unverändert, die anderswo verändert wird. Es heisst robur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0076" n="68"/> unverändert, die anderswo verändert wird. Es heisst <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="lat">robur<lb/> roboris</foreign></hi>, aber <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="lat">corpus corporis</foreign></hi>. Ein Beispiel äusserer Analogie-<lb/> bildung ist der ebenfalls schon erwähnte Uebertritt von <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἀγώνεσσι</foreign></hi><lb/> in <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἀγώνοις</foreign></hi>, das Wort tritt in ein aussen liegendes System<lb/> über. Dass im allgemeinen die innere Analogie die meiste<lb/> Wahrscheinlichkeit für sich hat, ist klar. Denn eine Behaup-<lb/> tung der Art ist um so glaublicher, je greifbarer das Band<lb/> ist, das die eine Form mit der andern verbindet. Jede Form<lb/> liegt aber den übrigen desselben Systems ganz besonders nahe.<lb/> Die Zusammengehörigkeit von <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="lat">honos</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="lat">honoris, honorem</foreign></hi> war<lb/> auch dem ohne Reflexion sprechenden nicht verborgen, von ihr<lb/> dürfen wir ein Gefühl bei jedem voraussetzen, dem die Sprache<lb/> angeboren war. Es wird hier also die Bedingung erfüllt, die<lb/> wir S. 49 für jede Analogiebildung als eine wesentliche auf-<lb/> stellten. Als Beispiele der inneren Analogie, für welche der<lb/> Name <hi rendition="#g">Ausgleichung</hi> der angemessenste sein dürfte, mögen<lb/> hier noch folgende aufgeführt werden. Da das lateinische <hi rendition="#i">ver</hi><lb/> dem griech. <hi rendition="#i">ϝέαρ</hi> entspricht, müssen wir als Stamm des ersteren<lb/> *<hi rendition="#i">veser</hi> erwarten = griech. <hi rendition="#i">ϝέσαρ</hi>. Im Griechischen fiel nach<lb/> dem bekannten Lautgesetz das inlautende <hi rendition="#i">σ</hi> aus, dem Latei-<lb/> nischen aber ist dies Lautgesetz unbekannt. Hier aber gerieth<lb/> das <hi rendition="#i">s</hi> in den Casus obliqui mit dem <hi rendition="#i">r</hi> des schwächsten Stammes<lb/> *<hi rendition="#i">vesr</hi> (vgl. <hi rendition="#i">patr</hi>) in Conflict und musste schliesslich vor dem <hi rendition="#i">r</hi><lb/> ausfallen. So wurde, wie ich glaube, zuerst aus <hi rendition="#i">vesr-is vēr-is</hi>,<lb/> aus <hi rendition="#i">vesri vēri</hi> u. s. w. und erst später erklang die zusammen-<lb/> gedrängte Form <hi rendition="#i">vēr</hi> auch im Nominativ. Von ähnlicher Art<lb/> ist die allbekannte Vereinfachung des Vocalismus im deutschen<lb/> Praeteritum, in der älteren Sprache <hi rendition="#i">band, bunden</hi>, in der spä-<lb/> teren <hi rendition="#i">band, banden</hi>. Für das Griechische ist ein Normalbei-<lb/> spiel dieser Art von Veränderung das Plusquamperfectum des<lb/> Activs (Verb. II<hi rendition="#sup">2</hi> 157 ff.), auf dessen Lautgestalt wir schon<lb/> oben S. 49 geführt wurden. Hier sind uns nämlich die ver-<lb/> schiedenen Stadien der Ausgleichung überliefert. Es sind ihrer<lb/> zunächst drei. Bei Homer finden wir <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ᾔδεα</foreign></hi> neben der 3. Sing.<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [68/0076]
unverändert, die anderswo verändert wird. Es heisst robur
roboris, aber corpus corporis. Ein Beispiel äusserer Analogie-
bildung ist der ebenfalls schon erwähnte Uebertritt von ἀγώνεσσι
in ἀγώνοις, das Wort tritt in ein aussen liegendes System
über. Dass im allgemeinen die innere Analogie die meiste
Wahrscheinlichkeit für sich hat, ist klar. Denn eine Behaup-
tung der Art ist um so glaublicher, je greifbarer das Band
ist, das die eine Form mit der andern verbindet. Jede Form
liegt aber den übrigen desselben Systems ganz besonders nahe.
Die Zusammengehörigkeit von honos und honoris, honorem war
auch dem ohne Reflexion sprechenden nicht verborgen, von ihr
dürfen wir ein Gefühl bei jedem voraussetzen, dem die Sprache
angeboren war. Es wird hier also die Bedingung erfüllt, die
wir S. 49 für jede Analogiebildung als eine wesentliche auf-
stellten. Als Beispiele der inneren Analogie, für welche der
Name Ausgleichung der angemessenste sein dürfte, mögen
hier noch folgende aufgeführt werden. Da das lateinische ver
dem griech. ϝέαρ entspricht, müssen wir als Stamm des ersteren
*veser erwarten = griech. ϝέσαρ. Im Griechischen fiel nach
dem bekannten Lautgesetz das inlautende σ aus, dem Latei-
nischen aber ist dies Lautgesetz unbekannt. Hier aber gerieth
das s in den Casus obliqui mit dem r des schwächsten Stammes
*vesr (vgl. patr) in Conflict und musste schliesslich vor dem r
ausfallen. So wurde, wie ich glaube, zuerst aus vesr-is vēr-is,
aus vesri vēri u. s. w. und erst später erklang die zusammen-
gedrängte Form vēr auch im Nominativ. Von ähnlicher Art
ist die allbekannte Vereinfachung des Vocalismus im deutschen
Praeteritum, in der älteren Sprache band, bunden, in der spä-
teren band, banden. Für das Griechische ist ein Normalbei-
spiel dieser Art von Veränderung das Plusquamperfectum des
Activs (Verb. II2 157 ff.), auf dessen Lautgestalt wir schon
oben S. 49 geführt wurden. Hier sind uns nämlich die ver-
schiedenen Stadien der Ausgleichung überliefert. Es sind ihrer
zunächst drei. Bei Homer finden wir ᾔδεα neben der 3. Sing.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |