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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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lichen Auffassung der alten Grammatiker. Jetzt sind sie, in
den modischen Mantel der Analogiebildung gehüllt, wieder zu
Ehren gekommen (G. Meyer Gr. Gr. § 325). Wenn es sich
hier überhaupt um Analogiebildung handelte, so läge doch
nichts näher als die Annahme, dass der Nom. Sing, der Mas-
culina in diesen Fällen dem der Feminina sich angeschlossen
habe, mit welchem ja diese Masculina mit Ausnahme der ver-
breiteten Nominativform und des Genitivs Sing. alle Casus-
formen theilen. Das hohe Alter dieser Bildung wird aber da-
durch verbürgt, dass das Lateinische in scriba, agricola u. s. w.
genau dieselbe Form zeigt, und dass auch in andern Sprach-
gebieten ähnliche Erscheinungen zu Tage treten (Angermann
Stud. V, besonders S. 399 ff.). Diese im Grunde ganz gleich-
artigen Erscheinungen von einander zu trennen, indem man
für das Lateinische und einen Theil der griechischen Formen
den Uebergang von Femininis in Masculina zu erweisen sucht,
in andern aber auf vocativischen Ursprung räth (Delbrück,
syntakt. Forschungen IV, 8) hat für mich keine Wahrschein-
lichkeit. Vgl. Jac. Grimm Kl. Schriften III, 349.

Wenn wir, was oben weiter erörtert ward, festhalten, dass
das bedeutungsvollste von den sprechenden relativ am feste-
sten gehalten wurde, so wird es begreiflich, dass die Ana-
logiebildung auf solchen Gebieten und in solchen Wörterclassen
sich am leichtesten verbreitet, die wir nicht eben als in be-
sonderem Grade bedeutungsvoll betrachten können. So bei den
Zahlwörtern. Diese Wörter sind mehr als andere conventio-
nelle notae rerum. Sie stehen mit Wörtern anderer Art ausser
aller, den sprechenden bewusster oder empfundener Verbin-
dung, entbehren also des Schutzes, welchen Wörter anderer
Art in dem Gefühl der Zusammengehörigkeit mit andern an-
gehörigen derselben Wortsippe finden. Sie sind, so zu sagen,
schutzlose Fremdlinge mitten unter eng verbundenen Familien-
sippen. Eben deshalb habe ich in meiner Abhandlung "über
die Tragweite der Lautgesetze" (Berichte der kgl. sächs. Ge-

lichen Auffassung der alten Grammatiker. Jetzt sind sie, in
den modischen Mantel der Analogiebildung gehüllt, wieder zu
Ehren gekommen (G. Meyer Gr. Gr. § 325). Wenn es sich
hier überhaupt um Analogiebildung handelte, so läge doch
nichts näher als die Annahme, dass der Nom. Sing, der Mas-
culina in diesen Fällen dem der Feminina sich angeschlossen
habe, mit welchem ja diese Masculina mit Ausnahme der ver-
breiteten Nominativform und des Genitivs Sing. alle Casus-
formen theilen. Das hohe Alter dieser Bildung wird aber da-
durch verbürgt, dass das Lateinische in scriba, agricola u. s. w.
genau dieselbe Form zeigt, und dass auch in andern Sprach-
gebieten ähnliche Erscheinungen zu Tage treten (Angermann
Stud. V, besonders S. 399 ff.). Diese im Grunde ganz gleich-
artigen Erscheinungen von einander zu trennen, indem man
für das Lateinische und einen Theil der griechischen Formen
den Uebergang von Femininis in Masculina zu erweisen sucht,
in andern aber auf vocativischen Ursprung räth (Delbrück,
syntakt. Forschungen IV, 8) hat für mich keine Wahrschein-
lichkeit. Vgl. Jac. Grimm Kl. Schriften III, 349.

Wenn wir, was oben weiter erörtert ward, festhalten, dass
das bedeutungsvollste von den sprechenden relativ am feste-
sten gehalten wurde, so wird es begreiflich, dass die Ana-
logiebildung auf solchen Gebieten und in solchen Wörterclassen
sich am leichtesten verbreitet, die wir nicht eben als in be-
sonderem Grade bedeutungsvoll betrachten können. So bei den
Zahlwörtern. Diese Wörter sind mehr als andere conventio-
nelle notae rerum. Sie stehen mit Wörtern anderer Art ausser
aller, den sprechenden bewusster oder empfundener Verbin-
dung, entbehren also des Schutzes, welchen Wörter anderer
Art in dem Gefühl der Zusammengehörigkeit mit andern an-
gehörigen derselben Wortsippe finden. Sie sind, so zu sagen,
schutzlose Fremdlinge mitten unter eng verbundenen Familien-
sippen. Eben deshalb habe ich in meiner Abhandlung „über
die Tragweite der Lautgesetze“ (Berichte der kgl. sächs. Ge-

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[76/0084] lichen Auffassung der alten Grammatiker. Jetzt sind sie, in den modischen Mantel der Analogiebildung gehüllt, wieder zu Ehren gekommen (G. Meyer Gr. Gr. § 325). Wenn es sich hier überhaupt um Analogiebildung handelte, so läge doch nichts näher als die Annahme, dass der Nom. Sing, der Mas- culina in diesen Fällen dem der Feminina sich angeschlossen habe, mit welchem ja diese Masculina mit Ausnahme der ver- breiteten Nominativform und des Genitivs Sing. alle Casus- formen theilen. Das hohe Alter dieser Bildung wird aber da- durch verbürgt, dass das Lateinische in scriba, agricola u. s. w. genau dieselbe Form zeigt, und dass auch in andern Sprach- gebieten ähnliche Erscheinungen zu Tage treten (Angermann Stud. V, besonders S. 399 ff.). Diese im Grunde ganz gleich- artigen Erscheinungen von einander zu trennen, indem man für das Lateinische und einen Theil der griechischen Formen den Uebergang von Femininis in Masculina zu erweisen sucht, in andern aber auf vocativischen Ursprung räth (Delbrück, syntakt. Forschungen IV, 8) hat für mich keine Wahrschein- lichkeit. Vgl. Jac. Grimm Kl. Schriften III, 349. Wenn wir, was oben weiter erörtert ward, festhalten, dass das bedeutungsvollste von den sprechenden relativ am feste- sten gehalten wurde, so wird es begreiflich, dass die Ana- logiebildung auf solchen Gebieten und in solchen Wörterclassen sich am leichtesten verbreitet, die wir nicht eben als in be- sonderem Grade bedeutungsvoll betrachten können. So bei den Zahlwörtern. Diese Wörter sind mehr als andere conventio- nelle notae rerum. Sie stehen mit Wörtern anderer Art ausser aller, den sprechenden bewusster oder empfundener Verbin- dung, entbehren also des Schutzes, welchen Wörter anderer Art in dem Gefühl der Zusammengehörigkeit mit andern an- gehörigen derselben Wortsippe finden. Sie sind, so zu sagen, schutzlose Fremdlinge mitten unter eng verbundenen Familien- sippen. Eben deshalb habe ich in meiner Abhandlung „über die Tragweite der Lautgesetze“ (Berichte der kgl. sächs. Ge-

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/84>, abgerufen am 21.11.2024.