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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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Weiterer Beispiele, wie Patroklos neben Patrokles, Amphi-
klos
u. s. w., bedarf es nicht. Wie sollen wir nun diese Kurz-
namen auffassen? Wohl niemand wird sich getrauen, durch
lautlichen Uebergang die Kürze erklären zu wollen, aber auch
wer auf Analogiebildung riethe, hätte einen schweren Stand.
Ich leugne zwar nicht, dass auch bei diesen verkürzten Zu-
sammensetzungen einfache Bildungen als Muster mitgewirkt
haben, wie z. B. für Andrikos die zahlreichen Adjectiva auf
-ikos, für Andron die Nomina auf -on (vgl. Stud. IX S. 177 ff.),
allein das treibende Motiv der Sprache lag offenbar nicht in
jener Nachbildung, sondern in dem Bestreben nach einer ver-
traulichen Kürzung, und ähnlich wird es in andern Sprachen,
z. B. im Deutschen, sein, wo gewiss niemand Hinz, Kunz,
Götz und ähnliches etwa als Analogiebildung nach Schütz,
oder was sonst einem einfallen mag, erklären wird. Auch
möchten derartige Muster häufig gar nicht zu finden sein.
Nun hat aber Fick Stud. IX, 167 ff. gezeigt, dass es auch
unter Appellativen namenartige Bildungen gibt, und wenn da-
runter auch manche für mich allzu kühnen Vermuthungen sich
finden *), so scheinen mir doch einzelne Annahmen durchaus
berechtigt, z. B. pas, Gen. pa, das von Grammatikern als
Kurzname zu pater, ma, das als Kürzung zu mater von
Grammatikern angeführt wird, ba bei Aesch. Suppl. 892, das
gewiss am richtigsten mit basileus gedeutet wird, kasis, wohl
mit Recht als Kurzform für kasignetos betrachtet, wie das
homerische ekatos als Kurzform für ekatebolos. Dass noch
manches der Art, namentlich aus der volkstümlichen Sprache,
wird nachgewiesen werden können, ist mir durchaus wahr-
scheinlich.

b) Zur Vermeidung eines dem ästhetischen Sinne der
sprechenden missfälligen Gleichklanges werden in unmittel-

*) Auf wünschenswerthe Einschränkungen des ganzen Princips ver-
weist Pott Bezzenb. Beitr. VIII, 83 ff.

Weiterer Beispiele, wie Πάτροκλος neben Πατροκλῆς, Ἄμφι-
κλος
u. s. w., bedarf es nicht. Wie sollen wir nun diese Kurz-
namen auffassen? Wohl niemand wird sich getrauen, durch
lautlichen Uebergang die Kürze erklären zu wollen, aber auch
wer auf Analogiebildung riethe, hätte einen schweren Stand.
Ich leugne zwar nicht, dass auch bei diesen verkürzten Zu-
sammensetzungen einfache Bildungen als Muster mitgewirkt
haben, wie z. B. für Ἀνδρικός die zahlreichen Adjectiva auf
-ικός, für Ἄνδρων die Nomina auf -ων (vgl. Stud. IX S. 177 ff.),
allein das treibende Motiv der Sprache lag offenbar nicht in
jener Nachbildung, sondern in dem Bestreben nach einer ver-
traulichen Kürzung, und ähnlich wird es in andern Sprachen,
z. B. im Deutschen, sein, wo gewiss niemand Hinz, Kunz,
Götz und ähnliches etwa als Analogiebildung nach Schütz,
oder was sonst einem einfallen mag, erklären wird. Auch
möchten derartige Muster häufig gar nicht zu finden sein.
Nun hat aber Fick Stud. IX, 167 ff. gezeigt, dass es auch
unter Appellativen namenartige Bildungen gibt, und wenn da-
runter auch manche für mich allzu kühnen Vermuthungen sich
finden *), so scheinen mir doch einzelne Annahmen durchaus
berechtigt, z. B. πᾶς, Gen. πᾶ, das von Grammatikern als
Kurzname zu πατήρ, μᾶ, das als Kürzung zu μάτηρ von
Grammatikern angeführt wird, βᾶ bei Aesch. Suppl. 892, das
gewiss am richtigsten mit βασιλεύς gedeutet wird, κάσις, wohl
mit Recht als Kurzform für κασίγνετος betrachtet, wie das
homerische ἕκατος als Kurzform für ἑκατηβόλος. Dass noch
manches der Art, namentlich aus der volkstümlichen Sprache,
wird nachgewiesen werden können, ist mir durchaus wahr-
scheinlich.

b) Zur Vermeidung eines dem ästhetischen Sinne der
sprechenden missfälligen Gleichklanges werden in unmittel-

*) Auf wünschenswerthe Einschränkungen des ganzen Princips ver-
weist Pott Bezzenb. Beitr. VIII, 83 ff.
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[85/0093] Weiterer Beispiele, wie Πάτροκλος neben Πατροκλῆς, Ἄμφι- κλος u. s. w., bedarf es nicht. Wie sollen wir nun diese Kurz- namen auffassen? Wohl niemand wird sich getrauen, durch lautlichen Uebergang die Kürze erklären zu wollen, aber auch wer auf Analogiebildung riethe, hätte einen schweren Stand. Ich leugne zwar nicht, dass auch bei diesen verkürzten Zu- sammensetzungen einfache Bildungen als Muster mitgewirkt haben, wie z. B. für Ἀνδρικός die zahlreichen Adjectiva auf -ικός, für Ἄνδρων die Nomina auf -ων (vgl. Stud. IX S. 177 ff.), allein das treibende Motiv der Sprache lag offenbar nicht in jener Nachbildung, sondern in dem Bestreben nach einer ver- traulichen Kürzung, und ähnlich wird es in andern Sprachen, z. B. im Deutschen, sein, wo gewiss niemand Hinz, Kunz, Götz und ähnliches etwa als Analogiebildung nach Schütz, oder was sonst einem einfallen mag, erklären wird. Auch möchten derartige Muster häufig gar nicht zu finden sein. Nun hat aber Fick Stud. IX, 167 ff. gezeigt, dass es auch unter Appellativen namenartige Bildungen gibt, und wenn da- runter auch manche für mich allzu kühnen Vermuthungen sich finden *), so scheinen mir doch einzelne Annahmen durchaus berechtigt, z. B. πᾶς, Gen. πᾶ, das von Grammatikern als Kurzname zu πατήρ, μᾶ, das als Kürzung zu μάτηρ von Grammatikern angeführt wird, βᾶ bei Aesch. Suppl. 892, das gewiss am richtigsten mit βασιλεύς gedeutet wird, κάσις, wohl mit Recht als Kurzform für κασίγνετος betrachtet, wie das homerische ἕκατος als Kurzform für ἑκατηβόλος. Dass noch manches der Art, namentlich aus der volkstümlichen Sprache, wird nachgewiesen werden können, ist mir durchaus wahr- scheinlich. b) Zur Vermeidung eines dem ästhetischen Sinne der sprechenden missfälligen Gleichklanges werden in unmittel- *) Auf wünschenswerthe Einschränkungen des ganzen Princips ver- weist Pott Bezzenb. Beitr. VIII, 83 ff.

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/93>, abgerufen am 24.11.2024.