freude bloßstelle; hier ward eine Umarbeitung derselben von höchster Hand beschlossen, und gleich morgen am hohen Festtage soll die Aufführung vor den Augen des ganzen Hofes seyn. Kurz vor der Messe wird der Cardinal in das Cabinet des Königs berufen; er findet hier den Kö- nig, die Königin und mehrere Minister. Ein leidenschaft- licher Auftritt erfolgt, mag nun der Cardinal die Vor- würfe der erbitterten Königin mit Gegenbeschuldigungen erwidert oder, wie Andere erzählen, in tiefer Zerknirschung seine Verirrung eingestanden haben. Aber als er aus dem Cabinet tritt, wird er vor Aller Augen verhaftet; nur daß die Ehrfurcht des Officiers dem Kirchenfürsten vor der Ab- fahrt in die Bastille noch eine kurze Frist vergönnt, welche er be- nutzt um seinen Generalvicar zu der Vernichtung seiner gehei- men Papiere durch ein Billet anzuweisen. Auch die Gräfin wird verhaftet, ihr Gemahl entkommt. Die Anklage ward im Namen des Königs wegen Beleidigung seiner Gemahlin vor dem Parlament erhoben. Die Untersuchung zog sich in die Länge und verwickelte sich sehr als die Lamotte ihren Gönner gänzlich im Stiche ließ und ohne Einmischung der Königin so aussagte, daß der Cardinal als ein gemeiner Betrüger in der Art erschien, wie ihn der König sich ge- dacht hatte. Allein in Folge mehrerer Verhaftungen und Ermittelungen mußte sie diesen Standpunct verlassen, und am 31. Mai 1786 erfolgte der Spruch des Parlaments, in welchem dreißig Stimmen gegen zwanzig den Cardinal völlig freisprachen, die Gräfin aber zu Brandmark, Staub-
freude bloßſtelle; hier ward eine Umarbeitung derſelben von höchſter Hand beſchloſſen, und gleich morgen am hohen Feſttage ſoll die Aufführung vor den Augen des ganzen Hofes ſeyn. Kurz vor der Meſſe wird der Cardinal in das Cabinet des Königs berufen; er findet hier den Kö- nig, die Königin und mehrere Miniſter. Ein leidenſchaft- licher Auftritt erfolgt, mag nun der Cardinal die Vor- würfe der erbitterten Königin mit Gegenbeſchuldigungen erwidert oder, wie Andere erzählen, in tiefer Zerknirſchung ſeine Verirrung eingeſtanden haben. Aber als er aus dem Cabinet tritt, wird er vor Aller Augen verhaftet; nur daß die Ehrfurcht des Officiers dem Kirchenfürſten vor der Ab- fahrt in die Baſtille noch eine kurze Friſt vergönnt, welche er be- nutzt um ſeinen Generalvicar zu der Vernichtung ſeiner gehei- men Papiere durch ein Billet anzuweiſen. Auch die Gräfin wird verhaftet, ihr Gemahl entkommt. Die Anklage ward im Namen des Königs wegen Beleidigung ſeiner Gemahlin vor dem Parlament erhoben. Die Unterſuchung zog ſich in die Länge und verwickelte ſich ſehr als die Lamotte ihren Gönner gänzlich im Stiche ließ und ohne Einmiſchung der Königin ſo ausſagte, daß der Cardinal als ein gemeiner Betrüger in der Art erſchien, wie ihn der König ſich ge- dacht hatte. Allein in Folge mehrerer Verhaftungen und Ermittelungen mußte ſie dieſen Standpunct verlaſſen, und am 31. Mai 1786 erfolgte der Spruch des Parlaments, in welchem dreißig Stimmen gegen zwanzig den Cardinal völlig freiſprachen, die Gräfin aber zu Brandmark, Staub-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0113"n="103"/>
freude bloßſtelle; hier ward eine Umarbeitung derſelben<lb/>
von höchſter Hand beſchloſſen, und gleich morgen am hohen<lb/>
Feſttage ſoll die Aufführung vor den Augen des ganzen<lb/>
Hofes ſeyn. Kurz vor der Meſſe wird der Cardinal in<lb/>
das Cabinet des Königs berufen; er findet hier den Kö-<lb/>
nig, die Königin und mehrere Miniſter. Ein leidenſchaft-<lb/>
licher Auftritt erfolgt, mag nun der Cardinal die Vor-<lb/>
würfe der erbitterten Königin mit Gegenbeſchuldigungen<lb/>
erwidert oder, wie Andere erzählen, in tiefer Zerknirſchung<lb/>ſeine Verirrung eingeſtanden haben. Aber als er aus dem<lb/>
Cabinet tritt, wird er vor Aller Augen verhaftet; nur daß<lb/>
die Ehrfurcht des Officiers dem Kirchenfürſten vor der Ab-<lb/>
fahrt in die Baſtille noch eine kurze Friſt vergönnt, welche er be-<lb/>
nutzt um ſeinen Generalvicar zu der Vernichtung ſeiner gehei-<lb/>
men Papiere durch ein Billet anzuweiſen. Auch die Gräfin<lb/>
wird verhaftet, ihr Gemahl entkommt. Die Anklage ward<lb/>
im Namen des Königs wegen Beleidigung ſeiner Gemahlin<lb/>
vor dem Parlament erhoben. Die Unterſuchung zog ſich<lb/>
in die Länge und verwickelte ſich ſehr als die Lamotte ihren<lb/>
Gönner gänzlich im Stiche ließ und ohne Einmiſchung der<lb/>
Königin ſo ausſagte, daß der Cardinal als ein gemeiner<lb/>
Betrüger in der Art erſchien, wie ihn der König ſich ge-<lb/>
dacht hatte. Allein in Folge mehrerer Verhaftungen und<lb/>
Ermittelungen mußte ſie dieſen Standpunct verlaſſen, und<lb/>
am 31. Mai 1786 erfolgte der Spruch des Parlaments,<lb/>
in welchem dreißig Stimmen gegen zwanzig den Cardinal<lb/>
völlig freiſprachen, die Gräfin aber zu Brandmark, Staub-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[103/0113]
freude bloßſtelle; hier ward eine Umarbeitung derſelben
von höchſter Hand beſchloſſen, und gleich morgen am hohen
Feſttage ſoll die Aufführung vor den Augen des ganzen
Hofes ſeyn. Kurz vor der Meſſe wird der Cardinal in
das Cabinet des Königs berufen; er findet hier den Kö-
nig, die Königin und mehrere Miniſter. Ein leidenſchaft-
licher Auftritt erfolgt, mag nun der Cardinal die Vor-
würfe der erbitterten Königin mit Gegenbeſchuldigungen
erwidert oder, wie Andere erzählen, in tiefer Zerknirſchung
ſeine Verirrung eingeſtanden haben. Aber als er aus dem
Cabinet tritt, wird er vor Aller Augen verhaftet; nur daß
die Ehrfurcht des Officiers dem Kirchenfürſten vor der Ab-
fahrt in die Baſtille noch eine kurze Friſt vergönnt, welche er be-
nutzt um ſeinen Generalvicar zu der Vernichtung ſeiner gehei-
men Papiere durch ein Billet anzuweiſen. Auch die Gräfin
wird verhaftet, ihr Gemahl entkommt. Die Anklage ward
im Namen des Königs wegen Beleidigung ſeiner Gemahlin
vor dem Parlament erhoben. Die Unterſuchung zog ſich
in die Länge und verwickelte ſich ſehr als die Lamotte ihren
Gönner gänzlich im Stiche ließ und ohne Einmiſchung der
Königin ſo ausſagte, daß der Cardinal als ein gemeiner
Betrüger in der Art erſchien, wie ihn der König ſich ge-
dacht hatte. Allein in Folge mehrerer Verhaftungen und
Ermittelungen mußte ſie dieſen Standpunct verlaſſen, und
am 31. Mai 1786 erfolgte der Spruch des Parlaments,
in welchem dreißig Stimmen gegen zwanzig den Cardinal
völlig freiſprachen, die Gräfin aber zu Brandmark, Staub-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/113>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.