Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

einen einzigen König" (Wären denn für einen kleinen meh-
rere Könige noth?), "ein einziges Gesetz, eine einzige
Einregistrirung," konnte gerade nicht für geistreich gelten.
In der gern vernommenen Äußerung "daß die etats-gene-
raux
nicht nur das eine Mal, sondern jedes Mal, wenn
die Bedürfnisse des Staates es erfordern, versammelt
werden sollen," war doch noch immer nicht deren regel-
mäßige Wiederkehr enthalten. Als nun die Einzeichnung
nicht ohne Widerspruch abgezwungen war, protestirten
alle Mitglieder des Parlaments gleich nach der Sitzung
von einem versailler Gasthofe aus, und die von der ersten
Kammer weigerten sich in die cour pleniere zu treten. Ihre
Beharrlichkeit ward nicht wenig durch die Nachrichten aus
den Provinzen bestärkt. Die Mehrzahl der bretagnischen
Edelleute unterzeichnete eine Erklärung, in welcher sie ei-
nen jeden für ehrlos erklären, der eine Stelle in der neuen
Ordnung der Dinge annähme; und sie glaubten hiemit
noch nicht genug gethan zu haben. Man faßte eine An-
klage der Minister ab und schickte zwölf Abgeordnete, um
solche dem Könige zu überreichen. Diese nun fanden ihr
Unterkommen in der Bastille. Sogleich aber reiste eine
zweite noch zahlreichere Deputation ab, um ihre Loslassung
zu verlangen; der Intendant der Provinz, Bertrand de
Molleville, Anfangs übereifrig in des Königs Dienst,
sah sich zur Flucht genöthigt. Es schien hier eine blutige
Entscheidung bevorzustehen, und fast nicht minder aufre-
gend wirkten die Berathungen der ergrimmten bretagner

einen einzigen König“ (Wären denn für einen kleinen meh-
rere Könige noth?), „ein einziges Geſetz, eine einzige
Einregiſtrirung,“ konnte gerade nicht für geiſtreich gelten.
In der gern vernommenen Äußerung „daß die états-géné-
raux
nicht nur das eine Mal, ſondern jedes Mal, wenn
die Bedürfniſſe des Staates es erfordern, verſammelt
werden ſollen,“ war doch noch immer nicht deren regel-
mäßige Wiederkehr enthalten. Als nun die Einzeichnung
nicht ohne Widerſpruch abgezwungen war, proteſtirten
alle Mitglieder des Parlaments gleich nach der Sitzung
von einem verſailler Gaſthofe aus, und die von der erſten
Kammer weigerten ſich in die cour plenière zu treten. Ihre
Beharrlichkeit ward nicht wenig durch die Nachrichten aus
den Provinzen beſtärkt. Die Mehrzahl der bretagniſchen
Edelleute unterzeichnete eine Erklärung, in welcher ſie ei-
nen jeden für ehrlos erklären, der eine Stelle in der neuen
Ordnung der Dinge annähme; und ſie glaubten hiemit
noch nicht genug gethan zu haben. Man faßte eine An-
klage der Miniſter ab und ſchickte zwölf Abgeordnete, um
ſolche dem Könige zu überreichen. Dieſe nun fanden ihr
Unterkommen in der Baſtille. Sogleich aber reiſte eine
zweite noch zahlreichere Deputation ab, um ihre Loslaſſung
zu verlangen; der Intendant der Provinz, Bertrand de
Molleville, Anfangs übereifrig in des Königs Dienſt,
ſah ſich zur Flucht genöthigt. Es ſchien hier eine blutige
Entſcheidung bevorzuſtehen, und faſt nicht minder aufre-
gend wirkten die Berathungen der ergrimmten bretagner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0145" n="135"/>
einen einzigen König&#x201C; (Wären denn für einen kleinen meh-<lb/>
rere Könige noth?), &#x201E;ein einziges Ge&#x017F;etz, eine einzige<lb/>
Einregi&#x017F;trirung,&#x201C; konnte gerade nicht für gei&#x017F;treich gelten.<lb/>
In der gern vernommenen Äußerung &#x201E;daß die <hi rendition="#aq">états-géné-<lb/>
raux</hi> nicht nur das <hi rendition="#g">eine</hi> Mal, &#x017F;ondern jedes Mal, wenn<lb/>
die Bedürfni&#x017F;&#x017F;e des Staates es erfordern, ver&#x017F;ammelt<lb/>
werden &#x017F;ollen,&#x201C; war doch noch immer nicht deren regel-<lb/>
mäßige Wiederkehr enthalten. Als nun die Einzeichnung<lb/>
nicht ohne Wider&#x017F;pruch abgezwungen war, prote&#x017F;tirten<lb/>
alle Mitglieder des Parlaments gleich nach der Sitzung<lb/>
von einem ver&#x017F;ailler Ga&#x017F;thofe aus, und die von der er&#x017F;ten<lb/>
Kammer weigerten &#x017F;ich in die <hi rendition="#aq">cour plenière</hi> zu treten. Ihre<lb/>
Beharrlichkeit ward nicht wenig durch die Nachrichten aus<lb/>
den Provinzen be&#x017F;tärkt. Die Mehrzahl der bretagni&#x017F;chen<lb/>
Edelleute unterzeichnete eine Erklärung, in welcher &#x017F;ie ei-<lb/>
nen jeden für ehrlos erklären, der eine Stelle in der neuen<lb/>
Ordnung der Dinge annähme; und &#x017F;ie glaubten hiemit<lb/>
noch nicht genug gethan zu haben. Man faßte eine An-<lb/>
klage der Mini&#x017F;ter ab und &#x017F;chickte zwölf Abgeordnete, um<lb/>
&#x017F;olche dem Könige zu überreichen. Die&#x017F;e nun fanden ihr<lb/>
Unterkommen in der Ba&#x017F;tille. Sogleich aber rei&#x017F;te eine<lb/>
zweite noch zahlreichere Deputation ab, um ihre Losla&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
zu verlangen; der Intendant der Provinz, Bertrand de<lb/>
Molleville, Anfangs übereifrig in des Königs Dien&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;ah &#x017F;ich zur Flucht genöthigt. Es &#x017F;chien hier eine blutige<lb/>
Ent&#x017F;cheidung bevorzu&#x017F;tehen, und fa&#x017F;t nicht minder aufre-<lb/>
gend wirkten die Berathungen der ergrimmten bretagner<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0145] einen einzigen König“ (Wären denn für einen kleinen meh- rere Könige noth?), „ein einziges Geſetz, eine einzige Einregiſtrirung,“ konnte gerade nicht für geiſtreich gelten. In der gern vernommenen Äußerung „daß die états-géné- raux nicht nur das eine Mal, ſondern jedes Mal, wenn die Bedürfniſſe des Staates es erfordern, verſammelt werden ſollen,“ war doch noch immer nicht deren regel- mäßige Wiederkehr enthalten. Als nun die Einzeichnung nicht ohne Widerſpruch abgezwungen war, proteſtirten alle Mitglieder des Parlaments gleich nach der Sitzung von einem verſailler Gaſthofe aus, und die von der erſten Kammer weigerten ſich in die cour plenière zu treten. Ihre Beharrlichkeit ward nicht wenig durch die Nachrichten aus den Provinzen beſtärkt. Die Mehrzahl der bretagniſchen Edelleute unterzeichnete eine Erklärung, in welcher ſie ei- nen jeden für ehrlos erklären, der eine Stelle in der neuen Ordnung der Dinge annähme; und ſie glaubten hiemit noch nicht genug gethan zu haben. Man faßte eine An- klage der Miniſter ab und ſchickte zwölf Abgeordnete, um ſolche dem Könige zu überreichen. Dieſe nun fanden ihr Unterkommen in der Baſtille. Sogleich aber reiſte eine zweite noch zahlreichere Deputation ab, um ihre Loslaſſung zu verlangen; der Intendant der Provinz, Bertrand de Molleville, Anfangs übereifrig in des Königs Dienſt, ſah ſich zur Flucht genöthigt. Es ſchien hier eine blutige Entſcheidung bevorzuſtehen, und faſt nicht minder aufre- gend wirkten die Berathungen der ergrimmten bretagner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/145
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/145>, abgerufen am 27.11.2024.