und verschiedenartigen Versammlungen gepflogen und allein diejenigen Gegenstände, über welche beide sich Eins geworden sind, dem Könige zur Entscheidung vorgelegt werden. Diese Form der Verhandlung vermeidet die Zu- fälligkeiten, welche stets an der Stimmenmehrheit in einer einzigen Versammlung haften, vermeidet das von mehr als zwei Kammern unzertrennliche verhaßte Gefühl von einer Minorität der Köpfe beherrscht zu werden, vermei- det die Gefahren leidenschaftlicher, häufig bald hernach bereuter Beschlüsse, indem der lobenswerthe Ehrgeiz jeder Kammer dahin geht auf ihre Amtsgenossin berichtigend einzuwirken. Ganz besonders aber gewährt diese Ordnung treuen Schutz der Krone vor der Erschütterung, welche die brausende Welle der Berathungen so vieler Köpfe leicht hervorbrächte, schlüge sie ungebrochen immerfort geradezu an den Thron an. Von der anderen Seite wirkt sie eben so kräftig für die Freiheit, sowohl in außerordentlichen Fällen dem Despoten gegenüber, der in der Unwandel- barkeit einer erblichen Kammer das entschiedenste Hinder- niß seiner Plane findet, als im ordentlichen Laufe der Dinge, weil ein in beiden Kammern übereinstimmend gefaß- ter Beschluß als die wirkliche Stimme des Volks vor dem Throne erscheint, mithin in der Regel die königliche Ge- nehmigung nach sich zieht. Diese Einsicht stand auch seit Montesquieu den Franzosen von Bildung nicht mehr fern, sie ließ sich bei den Einen auf Englands altbewährten Vorgang, bei den Andern auf die Nordamerikaner stützen,
und verſchiedenartigen Verſammlungen gepflogen und allein diejenigen Gegenſtände, über welche beide ſich Eins geworden ſind, dem Könige zur Entſcheidung vorgelegt werden. Dieſe Form der Verhandlung vermeidet die Zu- fälligkeiten, welche ſtets an der Stimmenmehrheit in einer einzigen Verſammlung haften, vermeidet das von mehr als zwei Kammern unzertrennliche verhaßte Gefühl von einer Minorität der Köpfe beherrſcht zu werden, vermei- det die Gefahren leidenſchaftlicher, häufig bald hernach bereuter Beſchlüſſe, indem der lobenswerthe Ehrgeiz jeder Kammer dahin geht auf ihre Amtsgenoſſin berichtigend einzuwirken. Ganz beſonders aber gewährt dieſe Ordnung treuen Schutz der Krone vor der Erſchütterung, welche die brauſende Welle der Berathungen ſo vieler Köpfe leicht hervorbrächte, ſchlüge ſie ungebrochen immerfort geradezu an den Thron an. Von der anderen Seite wirkt ſie eben ſo kräftig für die Freiheit, ſowohl in außerordentlichen Fällen dem Despoten gegenüber, der in der Unwandel- barkeit einer erblichen Kammer das entſchiedenſte Hinder- niß ſeiner Plane findet, als im ordentlichen Laufe der Dinge, weil ein in beiden Kammern übereinſtimmend gefaß- ter Beſchluß als die wirkliche Stimme des Volks vor dem Throne erſcheint, mithin in der Regel die königliche Ge- nehmigung nach ſich zieht. Dieſe Einſicht ſtand auch ſeit Montesquieu den Franzoſen von Bildung nicht mehr fern, ſie ließ ſich bei den Einen auf Englands altbewährten Vorgang, bei den Andern auf die Nordamerikaner ſtützen,
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und verſchiedenartigen Verſammlungen gepflogen und
allein diejenigen Gegenſtände, über welche beide ſich Eins
geworden ſind, dem Könige zur Entſcheidung vorgelegt
werden. Dieſe Form der Verhandlung vermeidet die Zu-
fälligkeiten, welche ſtets an der Stimmenmehrheit in einer
einzigen Verſammlung haften, vermeidet das von mehr
als zwei Kammern unzertrennliche verhaßte Gefühl von
einer Minorität der Köpfe beherrſcht zu werden, vermei-
det die Gefahren leidenſchaftlicher, häufig bald hernach
bereuter Beſchlüſſe, indem der lobenswerthe Ehrgeiz jeder
Kammer dahin geht auf ihre Amtsgenoſſin berichtigend
einzuwirken. Ganz beſonders aber gewährt dieſe Ordnung
treuen Schutz der Krone vor der Erſchütterung, welche
die brauſende Welle der Berathungen ſo vieler Köpfe leicht
hervorbrächte, ſchlüge ſie ungebrochen immerfort geradezu
an den Thron an. Von der anderen Seite wirkt ſie eben
ſo kräftig für die Freiheit, ſowohl in außerordentlichen
Fällen dem Despoten gegenüber, der in der Unwandel-
barkeit einer erblichen Kammer das entſchiedenſte Hinder-
niß ſeiner Plane findet, als im ordentlichen Laufe der
Dinge, weil ein in beiden Kammern übereinſtimmend gefaß-
ter Beſchluß als die wirkliche Stimme des Volks vor dem
Throne erſcheint, mithin in der Regel die königliche Ge-
nehmigung nach ſich zieht. Dieſe Einſicht ſtand auch ſeit
Montesquieu den Franzoſen von Bildung nicht mehr fern,
ſie ließ ſich bei den Einen auf Englands altbewährten
Vorgang, bei den Andern auf die Nordamerikaner ſtützen,
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/153>, abgerufen am 23.11.2024.
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