ernennen, so ließ sich ein Oberhaus erwarten, welches keineswegs mit bloß erborgtem Lichte geglänzt hätte. Selbst der Staatsbankerutt, unabwendbar drohend, wenn man unverrichteter Sache aus einander ginge, und in sei- nem Gefolge eine Staatsumwälzung, legte eine furcht- bare Waffe in des Ministers Hände, welcher sie gegen Starrköpfe wie Artois zu gebrauchen verstand. Auch die zwar aufgeregte, aber durchaus noch nicht unverbesserlich irregeführte öffentliche Meinung war für eine getheilte Reichsstandschaft zu gewinnen, wovon die um diese Zeit erschienenen Schriften von Mounier, Bergasse, von dem Bischof von Langres de la Luzerne, dem Grafen Laura- gais und andern genugsam Zeugniß geben, und in Be- nutzung dieses sicheren Fahrwassers ließ sich dann ferner von Anfang her den Provinzen kundthun daß ihre Depu- tirten zwar mit Aufträgen versehen, aber an keine Vor- schriften gebunden werden dürften. Daneben mußten Be- stimmungen für die Wähler und die Wählbarkeit zur zwei- ten Kammer erlassen werden, und für jetzt war zu wün- schen daß beide Berechtigungen an einen gewissen Grund- besitz, übrigens ohne Unterschied des Standes, geknüpft würden. Zur Aushülfe konnte eine gewisse Steuerquote hinzutreten. Weil aber die besten Grundsätze nur dann etwas für die Welt bedeuten, wenn sie von Lebendigen zu rechter Zeit vertreten werden, so galt es nun vor allen Dingen für den praktischen Staatsmann, durch die Kraft der Überzeugung, welche von hoher Stelle aus mächtig
Französische Revolution. 10
ernennen, ſo ließ ſich ein Oberhaus erwarten, welches keineswegs mit bloß erborgtem Lichte geglänzt hätte. Selbſt der Staatsbankerutt, unabwendbar drohend, wenn man unverrichteter Sache aus einander ginge, und in ſei- nem Gefolge eine Staatsumwälzung, legte eine furcht- bare Waffe in des Miniſters Hände, welcher ſie gegen Starrköpfe wie Artois zu gebrauchen verſtand. Auch die zwar aufgeregte, aber durchaus noch nicht unverbeſſerlich irregeführte öffentliche Meinung war für eine getheilte Reichsſtandſchaft zu gewinnen, wovon die um dieſe Zeit erſchienenen Schriften von Mounier, Bergaſſe, von dem Biſchof von Langres de la Luzerne, dem Grafen Laura- gais und andern genugſam Zeugniß geben, und in Be- nutzung dieſes ſicheren Fahrwaſſers ließ ſich dann ferner von Anfang her den Provinzen kundthun daß ihre Depu- tirten zwar mit Aufträgen verſehen, aber an keine Vor- ſchriften gebunden werden dürften. Daneben mußten Be- ſtimmungen für die Wähler und die Wählbarkeit zur zwei- ten Kammer erlaſſen werden, und für jetzt war zu wün- ſchen daß beide Berechtigungen an einen gewiſſen Grund- beſitz, übrigens ohne Unterſchied des Standes, geknüpft würden. Zur Aushülfe konnte eine gewiſſe Steuerquote hinzutreten. Weil aber die beſten Grundſätze nur dann etwas für die Welt bedeuten, wenn ſie von Lebendigen zu rechter Zeit vertreten werden, ſo galt es nun vor allen Dingen für den praktiſchen Staatsmann, durch die Kraft der Überzeugung, welche von hoher Stelle aus mächtig
Franzöſiſche Revolution. 10
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0155"n="145"/>
ernennen, ſo ließ ſich ein Oberhaus erwarten, welches<lb/>
keineswegs mit bloß erborgtem Lichte geglänzt hätte.<lb/>
Selbſt der Staatsbankerutt, unabwendbar drohend, wenn<lb/>
man unverrichteter Sache aus einander ginge, und in ſei-<lb/>
nem Gefolge eine Staatsumwälzung, legte eine furcht-<lb/>
bare Waffe in des Miniſters Hände, welcher ſie gegen<lb/>
Starrköpfe wie Artois zu gebrauchen verſtand. Auch die<lb/>
zwar aufgeregte, aber durchaus noch nicht unverbeſſerlich<lb/>
irregeführte öffentliche Meinung war für eine getheilte<lb/>
Reichsſtandſchaft zu gewinnen, wovon die um dieſe Zeit<lb/>
erſchienenen Schriften von Mounier, Bergaſſe, von dem<lb/>
Biſchof von Langres de la Luzerne, dem Grafen Laura-<lb/>
gais und andern genugſam Zeugniß geben, und in Be-<lb/>
nutzung dieſes ſicheren Fahrwaſſers ließ ſich dann ferner<lb/>
von Anfang her den Provinzen kundthun daß ihre Depu-<lb/>
tirten zwar mit Aufträgen verſehen, aber an keine Vor-<lb/>ſchriften gebunden werden dürften. Daneben mußten Be-<lb/>ſtimmungen für die Wähler und die Wählbarkeit zur zwei-<lb/>
ten Kammer erlaſſen werden, und für jetzt war zu wün-<lb/>ſchen daß beide Berechtigungen an einen gewiſſen Grund-<lb/>
beſitz, übrigens ohne Unterſchied des Standes, geknüpft<lb/>
würden. Zur Aushülfe konnte eine gewiſſe Steuerquote<lb/>
hinzutreten. Weil aber die beſten Grundſätze nur dann<lb/>
etwas für die Welt bedeuten, wenn ſie von Lebendigen<lb/>
zu rechter Zeit vertreten werden, ſo galt es nun vor allen<lb/>
Dingen für den praktiſchen Staatsmann, durch die Kraft<lb/>
der Überzeugung, welche von hoher Stelle aus mächtig<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Franzöſiſche Revolution. 10</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[145/0155]
ernennen, ſo ließ ſich ein Oberhaus erwarten, welches
keineswegs mit bloß erborgtem Lichte geglänzt hätte.
Selbſt der Staatsbankerutt, unabwendbar drohend, wenn
man unverrichteter Sache aus einander ginge, und in ſei-
nem Gefolge eine Staatsumwälzung, legte eine furcht-
bare Waffe in des Miniſters Hände, welcher ſie gegen
Starrköpfe wie Artois zu gebrauchen verſtand. Auch die
zwar aufgeregte, aber durchaus noch nicht unverbeſſerlich
irregeführte öffentliche Meinung war für eine getheilte
Reichsſtandſchaft zu gewinnen, wovon die um dieſe Zeit
erſchienenen Schriften von Mounier, Bergaſſe, von dem
Biſchof von Langres de la Luzerne, dem Grafen Laura-
gais und andern genugſam Zeugniß geben, und in Be-
nutzung dieſes ſicheren Fahrwaſſers ließ ſich dann ferner
von Anfang her den Provinzen kundthun daß ihre Depu-
tirten zwar mit Aufträgen verſehen, aber an keine Vor-
ſchriften gebunden werden dürften. Daneben mußten Be-
ſtimmungen für die Wähler und die Wählbarkeit zur zwei-
ten Kammer erlaſſen werden, und für jetzt war zu wün-
ſchen daß beide Berechtigungen an einen gewiſſen Grund-
beſitz, übrigens ohne Unterſchied des Standes, geknüpft
würden. Zur Aushülfe konnte eine gewiſſe Steuerquote
hinzutreten. Weil aber die beſten Grundſätze nur dann
etwas für die Welt bedeuten, wenn ſie von Lebendigen
zu rechter Zeit vertreten werden, ſo galt es nun vor allen
Dingen für den praktiſchen Staatsmann, durch die Kraft
der Überzeugung, welche von hoher Stelle aus mächtig
Franzöſiſche Revolution. 10
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/155>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.