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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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an. Die anderen thaten sonst Kriegsdienste, und wenn
dann die Bruchtheile eines solchen Mirabeau in den ver-
schiedensten Regionen begraben lagen, kehrte der Rest zu-
rück auf das väterliche Schloß Mirabeau, und trieb dort
mehr Lärmen noch als sonst irgend wer, der seine Glied-
maßen beisammen hatte. In schon sehr zahmer Zeit lebte
Mirabeau's Großvater, stark, groß, schön, ganz Kriegs-
mann, allein er bringt es im spanischen Erbfolgekriege
doch nicht weiter als zum Brigadier, weil er von Hof-
gunst nichts wissen will. Ihm genügt daß sein Lieblings-
held, Marschall Vendome ihn anerkennt, besonders als
er an der Adda gegen Eugen Stand gehalten. Vendome
sagte einmal: "Mirabeau ist groß." "Ja," wirft einer
vom Generalstabe ein, "beinahe sechs Fuß." "Nein,"
ruft der Feldherr, "er ist groß am Tage der Schlacht."
Als er es einmal besonders brav gemacht, betheuert ein
Marechal de Camp, der das Verdienst hat Bruder des
untüchtigen Kriegsministers Chamillard zu seyn, er werde
es bei seinem Bruder zu beloben wissen und empfängt zur
Antwort: "Herr, Euer Bruder ist sehr glücklich Euch zu
besitzen, denn ohne Euch wäre er der größeste Narr im
Königreiche." Sein Starrsinn sprengte die spanische
Etiquette, nöthigte den König von Spanien ihm in Ita-
lien persönlich die Parole zu geben, und was mehr ist,
er wagte es mit dem bei seinem Könige allmächtigen Pa-
ter La Chaise seinen Scherz zu treiben. Allein der Tag
kam, da er, wenn wir ihm selber glauben, getödtet

an. Die anderen thaten ſonſt Kriegsdienſte, und wenn
dann die Bruchtheile eines ſolchen Mirabeau in den ver-
ſchiedenſten Regionen begraben lagen, kehrte der Reſt zu-
rück auf das väterliche Schloß Mirabeau, und trieb dort
mehr Lärmen noch als ſonſt irgend wer, der ſeine Glied-
maßen beiſammen hatte. In ſchon ſehr zahmer Zeit lebte
Mirabeau’s Großvater, ſtark, groß, ſchön, ganz Kriegs-
mann, allein er bringt es im ſpaniſchen Erbfolgekriege
doch nicht weiter als zum Brigadier, weil er von Hof-
gunſt nichts wiſſen will. Ihm genügt daß ſein Lieblings-
held, Marſchall Vendome ihn anerkennt, beſonders als
er an der Adda gegen Eugen Stand gehalten. Vendome
ſagte einmal: „Mirabeau iſt groß.“ „Ja,“ wirft einer
vom Generalſtabe ein, „beinahe ſechs Fuß.“ „Nein,“
ruft der Feldherr, „er iſt groß am Tage der Schlacht.“
Als er es einmal beſonders brav gemacht, betheuert ein
Marechal de Camp, der das Verdienſt hat Bruder des
untüchtigen Kriegsminiſters Chamillard zu ſeyn, er werde
es bei ſeinem Bruder zu beloben wiſſen und empfängt zur
Antwort: „Herr, Euer Bruder iſt ſehr glücklich Euch zu
beſitzen, denn ohne Euch wäre er der größeſte Narr im
Königreiche.“ Sein Starrſinn ſprengte die ſpaniſche
Etiquette, nöthigte den König von Spanien ihm in Ita-
lien perſönlich die Parole zu geben, und was mehr iſt,
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[169/0179] an. Die anderen thaten ſonſt Kriegsdienſte, und wenn dann die Bruchtheile eines ſolchen Mirabeau in den ver- ſchiedenſten Regionen begraben lagen, kehrte der Reſt zu- rück auf das väterliche Schloß Mirabeau, und trieb dort mehr Lärmen noch als ſonſt irgend wer, der ſeine Glied- maßen beiſammen hatte. In ſchon ſehr zahmer Zeit lebte Mirabeau’s Großvater, ſtark, groß, ſchön, ganz Kriegs- mann, allein er bringt es im ſpaniſchen Erbfolgekriege doch nicht weiter als zum Brigadier, weil er von Hof- gunſt nichts wiſſen will. Ihm genügt daß ſein Lieblings- held, Marſchall Vendome ihn anerkennt, beſonders als er an der Adda gegen Eugen Stand gehalten. Vendome ſagte einmal: „Mirabeau iſt groß.“ „Ja,“ wirft einer vom Generalſtabe ein, „beinahe ſechs Fuß.“ „Nein,“ ruft der Feldherr, „er iſt groß am Tage der Schlacht.“ Als er es einmal beſonders brav gemacht, betheuert ein Marechal de Camp, der das Verdienſt hat Bruder des untüchtigen Kriegsminiſters Chamillard zu ſeyn, er werde es bei ſeinem Bruder zu beloben wiſſen und empfängt zur Antwort: „Herr, Euer Bruder iſt ſehr glücklich Euch zu beſitzen, denn ohne Euch wäre er der größeſte Narr im Königreiche.“ Sein Starrſinn ſprengte die ſpaniſche Etiquette, nöthigte den König von Spanien ihm in Ita- lien perſönlich die Parole zu geben, und was mehr iſt, er wagte es mit dem bei ſeinem Könige allmächtigen Pa- ter La Chaiſe ſeinen Scherz zu treiben. Allein der Tag kam, da er, wenn wir ihm ſelber glauben, getödtet

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/179>, abgerufen am 23.11.2024.