Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

er keineswegs daß sich Alles so von selber machen dürfe
und werde, wie Necker wähnte, keineswegs daß es ge-
lingen könne nichts thuend das Heft in den Händen zu be-
halten. Malouet warnte beide als es noch Zeit war, trieb
sie, mit nützlichen und gerechten Zugeständnissen den
Reichsständen entgegen zu kommen, ohne Kargheit billige
Wünsche zu befriedigen, bevor diese nur ausgesprochen
würden, und eben dadurch sich die Macht zu sichern, schäd-
lichen und umwälzenden Planen entgegenzutreten. Seine
Warnungen machten Eindruck auf Montmorin, Neckern
bewegten sie nicht. Durch politische Schwärmerei und
Selbstgefälligkeit getäuscht, fuhr dieser fort in den bevor-
stehenden Reichsständen lediglich die Erhabenheit einer
zu den edelsten menschlichen Zwecken berufenen Versamm-
lung zu erblicken, und seines redlichen Willens sich ganz
bewußt, rechnete er auf ihre Leitsamkeit und die unsterb-
liche Dankbarkeit des französischen Volks. Malouet mußte
sich mit der Antwort zufrieden stellen, es sey gefährlich,
mit Adel und Geistlichkeit es zu verderben, ohne gewiß zu
wissen, ob man auch mit seinen Anerbietungen dem drit-
ten Stande Genüge thue. Nun traten die Reichsstände
in Thätigkeit. Malouet wünschte so redlich wie Mounier
von ihrer Versammlung eine Verjüngung Frankreichs, sah,
wie dieser, das Mittel dazu in der Durchstimmung nach
Köpfen, aber ihn betrübte der wachsende Zwiespalt der
Stände, die träumerische Unthätigkeit der Krone. Da
ging ihm an dem entscheidenden 10ten Junius eine Hoff-

er keineswegs daß ſich Alles ſo von ſelber machen dürfe
und werde, wie Necker wähnte, keineswegs daß es ge-
lingen könne nichts thuend das Heft in den Händen zu be-
halten. Malouet warnte beide als es noch Zeit war, trieb
ſie, mit nützlichen und gerechten Zugeſtändniſſen den
Reichsſtänden entgegen zu kommen, ohne Kargheit billige
Wünſche zu befriedigen, bevor dieſe nur ausgeſprochen
würden, und eben dadurch ſich die Macht zu ſichern, ſchäd-
lichen und umwälzenden Planen entgegenzutreten. Seine
Warnungen machten Eindruck auf Montmorin, Neckern
bewegten ſie nicht. Durch politiſche Schwärmerei und
Selbſtgefälligkeit getäuſcht, fuhr dieſer fort in den bevor-
ſtehenden Reichsſtänden lediglich die Erhabenheit einer
zu den edelſten menſchlichen Zwecken berufenen Verſamm-
lung zu erblicken, und ſeines redlichen Willens ſich ganz
bewußt, rechnete er auf ihre Leitſamkeit und die unſterb-
liche Dankbarkeit des franzöſiſchen Volks. Malouet mußte
ſich mit der Antwort zufrieden ſtellen, es ſey gefährlich,
mit Adel und Geiſtlichkeit es zu verderben, ohne gewiß zu
wiſſen, ob man auch mit ſeinen Anerbietungen dem drit-
ten Stande Genüge thue. Nun traten die Reichsſtände
in Thätigkeit. Malouet wünſchte ſo redlich wie Mounier
von ihrer Verſammlung eine Verjüngung Frankreichs, ſah,
wie dieſer, das Mittel dazu in der Durchſtimmung nach
Köpfen, aber ihn betrübte der wachſende Zwieſpalt der
Stände, die träumeriſche Unthätigkeit der Krone. Da
ging ihm an dem entſcheidenden 10ten Junius eine Hoff-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0210" n="200"/>
er keineswegs daß &#x017F;ich Alles &#x017F;o von &#x017F;elber machen dürfe<lb/>
und werde, wie Necker wähnte, keineswegs daß es ge-<lb/>
lingen könne nichts thuend das Heft in den Händen zu be-<lb/>
halten. Malouet warnte beide als es noch Zeit war, trieb<lb/>
&#x017F;ie, mit nützlichen und gerechten Zuge&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;en den<lb/>
Reichs&#x017F;tänden entgegen zu kommen, ohne Kargheit billige<lb/>
Wün&#x017F;che zu befriedigen, bevor die&#x017F;e nur ausge&#x017F;prochen<lb/>
würden, und eben dadurch &#x017F;ich die Macht zu &#x017F;ichern, &#x017F;chäd-<lb/>
lichen und umwälzenden Planen entgegenzutreten. Seine<lb/>
Warnungen machten Eindruck auf Montmorin, Neckern<lb/>
bewegten &#x017F;ie nicht. Durch politi&#x017F;che Schwärmerei und<lb/>
Selb&#x017F;tgefälligkeit getäu&#x017F;cht, fuhr die&#x017F;er fort in den bevor-<lb/>
&#x017F;tehenden Reichs&#x017F;tänden lediglich die Erhabenheit einer<lb/>
zu den edel&#x017F;ten men&#x017F;chlichen Zwecken berufenen Ver&#x017F;amm-<lb/>
lung zu erblicken, und &#x017F;eines redlichen Willens &#x017F;ich ganz<lb/>
bewußt, rechnete er auf ihre Leit&#x017F;amkeit und die un&#x017F;terb-<lb/>
liche Dankbarkeit des franzö&#x017F;i&#x017F;chen Volks. Malouet mußte<lb/>
&#x017F;ich mit der Antwort zufrieden &#x017F;tellen, es &#x017F;ey gefährlich,<lb/>
mit Adel und Gei&#x017F;tlichkeit es zu verderben, ohne gewiß zu<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, ob man auch mit &#x017F;einen Anerbietungen dem drit-<lb/>
ten Stande Genüge thue. Nun traten die Reichs&#x017F;tände<lb/>
in Thätigkeit. Malouet wün&#x017F;chte &#x017F;o redlich wie Mounier<lb/>
von ihrer Ver&#x017F;ammlung eine Verjüngung Frankreichs, &#x017F;ah,<lb/>
wie die&#x017F;er, das Mittel dazu in der Durch&#x017F;timmung nach<lb/>
Köpfen, aber ihn betrübte der wach&#x017F;ende Zwie&#x017F;palt der<lb/>
Stände, die träumeri&#x017F;che Unthätigkeit der Krone. Da<lb/>
ging ihm an dem ent&#x017F;cheidenden 10ten Junius eine Hoff-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0210] er keineswegs daß ſich Alles ſo von ſelber machen dürfe und werde, wie Necker wähnte, keineswegs daß es ge- lingen könne nichts thuend das Heft in den Händen zu be- halten. Malouet warnte beide als es noch Zeit war, trieb ſie, mit nützlichen und gerechten Zugeſtändniſſen den Reichsſtänden entgegen zu kommen, ohne Kargheit billige Wünſche zu befriedigen, bevor dieſe nur ausgeſprochen würden, und eben dadurch ſich die Macht zu ſichern, ſchäd- lichen und umwälzenden Planen entgegenzutreten. Seine Warnungen machten Eindruck auf Montmorin, Neckern bewegten ſie nicht. Durch politiſche Schwärmerei und Selbſtgefälligkeit getäuſcht, fuhr dieſer fort in den bevor- ſtehenden Reichsſtänden lediglich die Erhabenheit einer zu den edelſten menſchlichen Zwecken berufenen Verſamm- lung zu erblicken, und ſeines redlichen Willens ſich ganz bewußt, rechnete er auf ihre Leitſamkeit und die unſterb- liche Dankbarkeit des franzöſiſchen Volks. Malouet mußte ſich mit der Antwort zufrieden ſtellen, es ſey gefährlich, mit Adel und Geiſtlichkeit es zu verderben, ohne gewiß zu wiſſen, ob man auch mit ſeinen Anerbietungen dem drit- ten Stande Genüge thue. Nun traten die Reichsſtände in Thätigkeit. Malouet wünſchte ſo redlich wie Mounier von ihrer Verſammlung eine Verjüngung Frankreichs, ſah, wie dieſer, das Mittel dazu in der Durchſtimmung nach Köpfen, aber ihn betrübte der wachſende Zwieſpalt der Stände, die träumeriſche Unthätigkeit der Krone. Da ging ihm an dem entſcheidenden 10ten Junius eine Hoff-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/210
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/210>, abgerufen am 21.11.2024.