Mittlerweile blieben die Wachen stehen, welche den Zutritt zu dem Ständesaale der ungeduldigen Menge manchmal mit Gewalt verwehrten. Das hielt die Mehr- zahl der Geistlichkeit nicht ab, jetzt ihren Übergang zum dritten Stande ohne Vorbehalt zu vollführen; unter denJuni 24. Auswanderern befand sich Talleyrand, Bischof von Au- tun. Ein Gleiches zu thun schlug in der Adelskammer der Graf von Clermont-Tonnerre vor, vom Grafen Lally- Tollendal mit Nachdruck unterstützt. "Bedenken wir," sprach Lally, "daß es eine Gewalt der Dinge giebt, stär- ker als die Gewalt der Menschen. Nähme jene einen zu schnellen Lauf, so wäre das einzige Mittel ihn zu verzö- gern das, sich ihr anzuschließen. Es hat eine Zeit ge- geben, da man die Sclaverei aufheben mußte, und sie ist aufgehoben, eine andere da man den dritten Stand in die Nationalversammlungen eintreten lassen mußte, und er ist eingetreten. Jetzt haben wir eine Zeit, da die Fortschritte der Einsicht, die zu lange verkannten Rechte der Mensch- heit diesem dritten Stande, der 24 Millionen zählt, die Gleichheit der Rechte, welche ihm gebührt, zutheilen wer- den. Diese dritte Revolution hat begonnen und nichts wird sie aufhalten." Die Versammlung beschloß den An- trag nicht in Erwägung zu ziehen; niemand widersprach heftiger als d'Espremenil und der Vicomte von Mira- beau, jüngerer Bruder des Grafen. Da aber traten den nächsten Tag 47 Mitglieder der Adelskammer in den SaalJuni 25. der Nationalversammlung, unter ihnen der Herzog von
Mittlerweile blieben die Wachen ſtehen, welche den Zutritt zu dem Ständeſaale der ungeduldigen Menge manchmal mit Gewalt verwehrten. Das hielt die Mehr- zahl der Geiſtlichkeit nicht ab, jetzt ihren Übergang zum dritten Stande ohne Vorbehalt zu vollführen; unter denJuni 24. Auswanderern befand ſich Talleyrand, Biſchof von Au- tun. Ein Gleiches zu thun ſchlug in der Adelskammer der Graf von Clermont-Tonnerre vor, vom Grafen Lally- Tollendal mit Nachdruck unterſtützt. „Bedenken wir,“ ſprach Lally, „daß es eine Gewalt der Dinge giebt, ſtär- ker als die Gewalt der Menſchen. Nähme jene einen zu ſchnellen Lauf, ſo wäre das einzige Mittel ihn zu verzö- gern das, ſich ihr anzuſchließen. Es hat eine Zeit ge- geben, da man die Sclaverei aufheben mußte, und ſie iſt aufgehoben, eine andere da man den dritten Stand in die Nationalverſammlungen eintreten laſſen mußte, und er iſt eingetreten. Jetzt haben wir eine Zeit, da die Fortſchritte der Einſicht, die zu lange verkannten Rechte der Menſch- heit dieſem dritten Stande, der 24 Millionen zählt, die Gleichheit der Rechte, welche ihm gebührt, zutheilen wer- den. Dieſe dritte Revolution hat begonnen und nichts wird ſie aufhalten.“ Die Verſammlung beſchloß den An- trag nicht in Erwägung zu ziehen; niemand widerſprach heftiger als d’Espréménil und der Vicomte von Mira- beau, jüngerer Bruder des Grafen. Da aber traten den nächſten Tag 47 Mitglieder der Adelskammer in den SaalJuni 25. der Nationalverſammlung, unter ihnen der Herzog von
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Mittlerweile blieben die Wachen ſtehen, welche den
Zutritt zu dem Ständeſaale der ungeduldigen Menge
manchmal mit Gewalt verwehrten. Das hielt die Mehr-
zahl der Geiſtlichkeit nicht ab, jetzt ihren Übergang zum
dritten Stande ohne Vorbehalt zu vollführen; unter den
Auswanderern befand ſich Talleyrand, Biſchof von Au-
tun. Ein Gleiches zu thun ſchlug in der Adelskammer
der Graf von Clermont-Tonnerre vor, vom Grafen Lally-
Tollendal mit Nachdruck unterſtützt. „Bedenken wir,“
ſprach Lally, „daß es eine Gewalt der Dinge giebt, ſtär-
ker als die Gewalt der Menſchen. Nähme jene einen zu
ſchnellen Lauf, ſo wäre das einzige Mittel ihn zu verzö-
gern das, ſich ihr anzuſchließen. Es hat eine Zeit ge-
geben, da man die Sclaverei aufheben mußte, und ſie iſt
aufgehoben, eine andere da man den dritten Stand in die
Nationalverſammlungen eintreten laſſen mußte, und er iſt
eingetreten. Jetzt haben wir eine Zeit, da die Fortſchritte
der Einſicht, die zu lange verkannten Rechte der Menſch-
heit dieſem dritten Stande, der 24 Millionen zählt, die
Gleichheit der Rechte, welche ihm gebührt, zutheilen wer-
den. Dieſe dritte Revolution hat begonnen und nichts
wird ſie aufhalten.“ Die Verſammlung beſchloß den An-
trag nicht in Erwägung zu ziehen; niemand widerſprach
heftiger als d’Espréménil und der Vicomte von Mira-
beau, jüngerer Bruder des Grafen. Da aber traten den
nächſten Tag 47 Mitglieder der Adelskammer in den Saal
der Nationalverſammlung, unter ihnen der Herzog von
Juni 24.
Juni 25.
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/227>, abgerufen am 21.11.2024.
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