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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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Schwester war an den Thronerben von Sardinien verhei-
rathet, die andere, Elisabeth, ein Kind von zehn Jahren.
In Zurückgezogenheit vom Hofe lebten die Tanten des Kö-
nigs, Töchter Ludwigs XV., welche die junge Königin
schon als Österreicherin nicht liebten und an ihren neuen
Weisen ein Ärgerniß nahmen; man vernachlässigte sich
wechselseitig. Von der Seitenlinie der Orleans hielt man
sich in alter Eifersucht getrennt. Der jetzige König der
Franzosen stand in seinem ersten Lebensjahre.

Also auch in seiner Familie fand der junge König keine
haltbare Stütze; fand er sie bei seinen Ministern? Ludwig
dachte bescheiden von seinen Kräften, sah sich nach einem
ersten Minister um und fiel zuerst auf Machault, einen
strengen und einsichtig sparsamen Mann, dessen früheres
Ministerium ein Opfer des österreichischen Systems ge-
worden war. Allein der ältesten Tante Adelaide, die eini-
gen Einfluß über den König festhielt, misfiel an Machault,
daß er überall, wo Staat und Kirche zusammentrafen, un-
beugsam auf des Staates Seite stand; sie brachte den
Grafen Maurepas in Vorschlag, als einen Mann, mit
dem sich reden ließ. Gewiß auch er gehörte nicht zu der
Zahl der Frommen, aber er war frivol, mithin kein Mann
von lästigen Grundsätzen; zu seinem Lobe gereichte, daß
er ein Ministerium, welches ihm im siebzehnten Lebens-
jahre zufiel, gleich zu Anfang der Maitressenwirthschaft
durch die Frau von Pompadour verloren hatte. Jetzt ward
er dreiundsiebzigjährig, am Ende doch nicht älter als

Schweſter war an den Thronerben von Sardinien verhei-
rathet, die andere, Eliſabeth, ein Kind von zehn Jahren.
In Zurückgezogenheit vom Hofe lebten die Tanten des Kö-
nigs, Töchter Ludwigs XV., welche die junge Königin
ſchon als Öſterreicherin nicht liebten und an ihren neuen
Weiſen ein Ärgerniß nahmen; man vernachläſſigte ſich
wechſelſeitig. Von der Seitenlinie der Orleans hielt man
ſich in alter Eiferſucht getrennt. Der jetzige König der
Franzoſen ſtand in ſeinem erſten Lebensjahre.

Alſo auch in ſeiner Familie fand der junge König keine
haltbare Stütze; fand er ſie bei ſeinen Miniſtern? Ludwig
dachte beſcheiden von ſeinen Kräften, ſah ſich nach einem
erſten Miniſter um und fiel zuerſt auf Machault, einen
ſtrengen und einſichtig ſparſamen Mann, deſſen früheres
Miniſterium ein Opfer des öſterreichiſchen Syſtems ge-
worden war. Allein der älteſten Tante Adelaide, die eini-
gen Einfluß über den König feſthielt, misfiel an Machault,
daß er überall, wo Staat und Kirche zuſammentrafen, un-
beugſam auf des Staates Seite ſtand; ſie brachte den
Grafen Maurepas in Vorſchlag, als einen Mann, mit
dem ſich reden ließ. Gewiß auch er gehörte nicht zu der
Zahl der Frommen, aber er war frivol, mithin kein Mann
von läſtigen Grundſätzen; zu ſeinem Lobe gereichte, daß
er ein Miniſterium, welches ihm im ſiebzehnten Lebens-
jahre zufiel, gleich zu Anfang der Maitreſſenwirthſchaft
durch die Frau von Pompadour verloren hatte. Jetzt ward
er dreiundſiebzigjährig, am Ende doch nicht älter als

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[18/0028] Schweſter war an den Thronerben von Sardinien verhei- rathet, die andere, Eliſabeth, ein Kind von zehn Jahren. In Zurückgezogenheit vom Hofe lebten die Tanten des Kö- nigs, Töchter Ludwigs XV., welche die junge Königin ſchon als Öſterreicherin nicht liebten und an ihren neuen Weiſen ein Ärgerniß nahmen; man vernachläſſigte ſich wechſelſeitig. Von der Seitenlinie der Orleans hielt man ſich in alter Eiferſucht getrennt. Der jetzige König der Franzoſen ſtand in ſeinem erſten Lebensjahre. Alſo auch in ſeiner Familie fand der junge König keine haltbare Stütze; fand er ſie bei ſeinen Miniſtern? Ludwig dachte beſcheiden von ſeinen Kräften, ſah ſich nach einem erſten Miniſter um und fiel zuerſt auf Machault, einen ſtrengen und einſichtig ſparſamen Mann, deſſen früheres Miniſterium ein Opfer des öſterreichiſchen Syſtems ge- worden war. Allein der älteſten Tante Adelaide, die eini- gen Einfluß über den König feſthielt, misfiel an Machault, daß er überall, wo Staat und Kirche zuſammentrafen, un- beugſam auf des Staates Seite ſtand; ſie brachte den Grafen Maurepas in Vorſchlag, als einen Mann, mit dem ſich reden ließ. Gewiß auch er gehörte nicht zu der Zahl der Frommen, aber er war frivol, mithin kein Mann von läſtigen Grundſätzen; zu ſeinem Lobe gereichte, daß er ein Miniſterium, welches ihm im ſiebzehnten Lebens- jahre zufiel, gleich zu Anfang der Maitreſſenwirthſchaft durch die Frau von Pompadour verloren hatte. Jetzt ward er dreiundſiebzigjährig, am Ende doch nicht älter als

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/28>, abgerufen am 21.11.2024.