deutung hatte, die tollen Worte vernommen: Catilina ist vor Roms Thoren und Ihr berathschlagt? Und wahrlich, es gab damals in unserer Nähe keinen Catilina, keine Ge- fahr, keine Faction, kein Rom. Aber heute ist der Banke- rutt, der scheußliche Bankerutt da, er droht zu verschlingen, Euch, Euer Eigenthum, Eure Ehre, und Ihr berath- schlagt!"
Auf diese Worte erscholl ein Sturm des Beifalls und der Bewunderung, die Versammlung, wider Willen fort- gerissen, beugte sich vor dem Genie, welches sie nicht liebte, dem sie mistraute; die schlichte Fassung des Beschlusses, welche Mirabeau jetzt entwarf: "In Betracht der Dring- lichkeit der Umstände und nach Vernehmung des Finanz- berichtes, nimmt die Nationalversammlung den Plan des Finanzministers mit Vertrauen an," begegnete keinem Widerspruche mehr.
Dagegen zogen andere finstere Wolken auf. Seit län- ger trug man sich in der Hauptstadt mit dem Gedanken, man müsse den König und seine Familie einladen bei sei- nen guten Parisern zu wohnen; kein besseres Mittel gebe es gegen den Brodmangel. Dieser drohte freilich, war aber doch niemals noch wirklich eingetreten, und man hätte sich vielleicht beruhigt ohne eine vom Hofe began- gene, schwer bestrafte Unbesonnenheit. Das Regiment von Flandern war wirklich in Versailles eingerückt; es sollte, um mit den Gardes-du-corps Freundschaft zu schließen, festlich von diesen bewirthet werden. Der präch-
deutung hatte, die tollen Worte vernommen: Catilina iſt vor Roms Thoren und Ihr berathſchlagt? Und wahrlich, es gab damals in unſerer Nähe keinen Catilina, keine Ge- fahr, keine Faction, kein Rom. Aber heute iſt der Banke- rutt, der ſcheußliche Bankerutt da, er droht zu verſchlingen, Euch, Euer Eigenthum, Eure Ehre, und Ihr berath- ſchlagt!“
Auf dieſe Worte erſcholl ein Sturm des Beifalls und der Bewunderung, die Verſammlung, wider Willen fort- geriſſen, beugte ſich vor dem Genie, welches ſie nicht liebte, dem ſie mistraute; die ſchlichte Faſſung des Beſchluſſes, welche Mirabeau jetzt entwarf: „In Betracht der Dring- lichkeit der Umſtände und nach Vernehmung des Finanz- berichtes, nimmt die Nationalverſammlung den Plan des Finanzminiſters mit Vertrauen an,“ begegnete keinem Widerſpruche mehr.
Dagegen zogen andere finſtere Wolken auf. Seit län- ger trug man ſich in der Hauptſtadt mit dem Gedanken, man müſſe den König und ſeine Familie einladen bei ſei- nen guten Pariſern zu wohnen; kein beſſeres Mittel gebe es gegen den Brodmangel. Dieſer drohte freilich, war aber doch niemals noch wirklich eingetreten, und man hätte ſich vielleicht beruhigt ohne eine vom Hofe began- gene, ſchwer beſtrafte Unbeſonnenheit. Das Regiment von Flandern war wirklich in Verſailles eingerückt; es ſollte, um mit den Gardes-du-corps Freundſchaft zu ſchließen, feſtlich von dieſen bewirthet werden. Der präch-
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deutung hatte, die tollen Worte vernommen: Catilina iſt
vor Roms Thoren und Ihr berathſchlagt? Und wahrlich,
es gab damals in unſerer Nähe keinen Catilina, keine Ge-
fahr, keine Faction, kein Rom. Aber heute iſt der Banke-
rutt, der ſcheußliche Bankerutt da, er droht zu verſchlingen,
Euch, Euer Eigenthum, Eure Ehre, und Ihr berath-
ſchlagt!“
Auf dieſe Worte erſcholl ein Sturm des Beifalls und
der Bewunderung, die Verſammlung, wider Willen fort-
geriſſen, beugte ſich vor dem Genie, welches ſie nicht liebte,
dem ſie mistraute; die ſchlichte Faſſung des Beſchluſſes,
welche Mirabeau jetzt entwarf: „In Betracht der Dring-
lichkeit der Umſtände und nach Vernehmung des Finanz-
berichtes, nimmt die Nationalverſammlung den Plan des
Finanzminiſters mit Vertrauen an,“ begegnete keinem
Widerſpruche mehr.
Dagegen zogen andere finſtere Wolken auf. Seit län-
ger trug man ſich in der Hauptſtadt mit dem Gedanken,
man müſſe den König und ſeine Familie einladen bei ſei-
nen guten Pariſern zu wohnen; kein beſſeres Mittel gebe
es gegen den Brodmangel. Dieſer drohte freilich, war
aber doch niemals noch wirklich eingetreten, und man
hätte ſich vielleicht beruhigt ohne eine vom Hofe began-
gene, ſchwer beſtrafte Unbeſonnenheit. Das Regiment
von Flandern war wirklich in Verſailles eingerückt; es
ſollte, um mit den Gardes-du-corps Freundſchaft zu
ſchließen, feſtlich von dieſen bewirthet werden. Der präch-
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/293>, abgerufen am 26.11.2024.
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