garde das eidliche Versprechen des völligsten Gehorsams gegen König und Nationalversammlung erhalten. Die unbesonnene Zuversicht Lafayette's auf leere Worte ging so weit, daß er den König bewog, den französischen Garden die alten Wachtposten im Äußeren des Schlosses wieder zu vertrauen. Der erschöpfte Fürst ging um 2 Uhr zurOct. 6. Ruhe, auch die Nationalversammlung ließ den Gedanken an eine Nachtsitzung fahren und machte müden Pari- sern und Pariserinnen Platz, die im Saale sich zum Schlafen einrichteten. Auch Lafayette suchte endlich sein Quartier in der Stadt Versailles; er will dort die ganze Nacht wach geblieben seyn, nur drei Viertelstunden den mat- ten Körper gestreckt haben. Immerhin! Der gutmüthig ver- trauende Mann ward wie ein Kind von den Ereignissen über- rascht. Denn früh Morgens 6 Uhr drang ein bewaffneter Pöbelhaufe durch ein Paar Eingänge in den Palast ein, ohne daß die Wachen, französische Garden, Widerstand leisteten. Es war zunächst auf die seit den Auftritten im Opernsaale so tödtlich gehaßte Adelgarde abgesehen, und nicht lange, so erblickte man zwei Gardes-du-corps erschla- gen, ihre Köpfe auf Piken gesteckt. Der Haufe drang weiter die Haupttreppe hinauf gerade zu den Gemächern der Königin. Hier traten ihnen aus den Vorzimmern ein- zelne Gardes-du-corps entgegen, mehr abmahnend als ab- wehrend, denn der König hatte ihnen vor Schlafengehen jeden ernstlichen Gebrauch ihrer Waffen wiederholt unter- sagt. Die aufgeschreckte Königin flüchtete kaum bekleidet
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garde das eidliche Verſprechen des völligſten Gehorſams gegen König und Nationalverſammlung erhalten. Die unbeſonnene Zuverſicht Lafayette’s auf leere Worte ging ſo weit, daß er den König bewog, den franzöſiſchen Garden die alten Wachtpoſten im Äußeren des Schloſſes wieder zu vertrauen. Der erſchöpfte Fürſt ging um 2 Uhr zurOct. 6. Ruhe, auch die Nationalverſammlung ließ den Gedanken an eine Nachtſitzung fahren und machte müden Pari- ſern und Pariſerinnen Platz, die im Saale ſich zum Schlafen einrichteten. Auch Lafayette ſuchte endlich ſein Quartier in der Stadt Verſailles; er will dort die ganze Nacht wach geblieben ſeyn, nur drei Viertelſtunden den mat- ten Körper geſtreckt haben. Immerhin! Der gutmüthig ver- trauende Mann ward wie ein Kind von den Ereigniſſen über- raſcht. Denn früh Morgens 6 Uhr drang ein bewaffneter Pöbelhaufe durch ein Paar Eingänge in den Palaſt ein, ohne daß die Wachen, franzöſiſche Garden, Widerſtand leiſteten. Es war zunächſt auf die ſeit den Auftritten im Opernſaale ſo tödtlich gehaßte Adelgarde abgeſehen, und nicht lange, ſo erblickte man zwei Gardes-du-corps erſchla- gen, ihre Köpfe auf Piken geſteckt. Der Haufe drang weiter die Haupttreppe hinauf gerade zu den Gemächern der Königin. Hier traten ihnen aus den Vorzimmern ein- zelne Gardes-du-corps entgegen, mehr abmahnend als ab- wehrend, denn der König hatte ihnen vor Schlafengehen jeden ernſtlichen Gebrauch ihrer Waffen wiederholt unter- ſagt. Die aufgeſchreckte Königin flüchtete kaum bekleidet
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garde das eidliche Verſprechen des völligſten Gehorſams
gegen König und Nationalverſammlung erhalten. Die
unbeſonnene Zuverſicht Lafayette’s auf leere Worte ging ſo
weit, daß er den König bewog, den franzöſiſchen Garden
die alten Wachtpoſten im Äußeren des Schloſſes wieder
zu vertrauen. Der erſchöpfte Fürſt ging um 2 Uhr zur
Ruhe, auch die Nationalverſammlung ließ den Gedanken
an eine Nachtſitzung fahren und machte müden Pari-
ſern und Pariſerinnen Platz, die im Saale ſich zum
Schlafen einrichteten. Auch Lafayette ſuchte endlich ſein
Quartier in der Stadt Verſailles; er will dort die ganze
Nacht wach geblieben ſeyn, nur drei Viertelſtunden den mat-
ten Körper geſtreckt haben. Immerhin! Der gutmüthig ver-
trauende Mann ward wie ein Kind von den Ereigniſſen über-
raſcht. Denn früh Morgens 6 Uhr drang ein bewaffneter
Pöbelhaufe durch ein Paar Eingänge in den Palaſt ein,
ohne daß die Wachen, franzöſiſche Garden, Widerſtand
leiſteten. Es war zunächſt auf die ſeit den Auftritten im
Opernſaale ſo tödtlich gehaßte Adelgarde abgeſehen, und
nicht lange, ſo erblickte man zwei Gardes-du-corps erſchla-
gen, ihre Köpfe auf Piken geſteckt. Der Haufe drang
weiter die Haupttreppe hinauf gerade zu den Gemächern
der Königin. Hier traten ihnen aus den Vorzimmern ein-
zelne Gardes-du-corps entgegen, mehr abmahnend als ab-
wehrend, denn der König hatte ihnen vor Schlafengehen
jeden ernſtlichen Gebrauch ihrer Waffen wiederholt unter-
ſagt. Die aufgeſchreckte Königin flüchtete kaum bekleidet
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/301>, abgerufen am 27.11.2024.
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