auf den Vorschlag von Mirabeau und Barnave gab die Versammlung die Erklärung ab, sie sey unzertrennlich von der Person des Königs. Der doppelte Zweck des Zuges nach Versailles war erreicht.
Nur kurze Frist und es ging schon fort. Sieben lange Stunden, von zwei Uhr bis neun, verbrachte der König im Wagen, begleitet von seiner Familie, um- strömt von einer verworrenen Masse von 40,000 eifernden, schießenden, manchmal höhnenden, drohenden Menschen, welche jede raschere Bewegung hinderten. Oft auch schol- len Jubelgesänge dazwischen und man beglückwünschte sich wegen der nun überstandenen Hungersnoth mit dem häufig wiederkehrenden Gesange: "Hier bringen wir den Bäcker, die Bäckerin und den kleinen Bäckerjungen." Das Ge- wühl ward undurchdringlich als man um sieben die Bar- rieren der Hauptstadt erreichte. Man brauchte zwei Stun- den von da bis zum Stadthause. Hier hatte der König noch die Glückwünsche des Gemeinderathes zu überstehen, fuhr dann ab in die öden Gemächer der seit so lange un- bewohnten, noch gar nicht für seinen Empfang eingerich- teten Tuillerien, wo er fortan unter dem Schutze der hauptstädtischen Nationalgarde leben sollte. Die adliche Garde war schon entlassen. Für den Lebensretter der kö- niglichen Familie galt damals Lafayette; von diesem Retter aber wußte man daß er zwar aus Pflichtgefühl seinem Könige treu diene, jedoch im Herzen Republi- kaner sey.
auf den Vorſchlag von Mirabeau und Barnave gab die Verſammlung die Erklärung ab, ſie ſey unzertrennlich von der Perſon des Königs. Der doppelte Zweck des Zuges nach Verſailles war erreicht.
Nur kurze Friſt und es ging ſchon fort. Sieben lange Stunden, von zwei Uhr bis neun, verbrachte der König im Wagen, begleitet von ſeiner Familie, um- ſtrömt von einer verworrenen Maſſe von 40,000 eifernden, ſchießenden, manchmal höhnenden, drohenden Menſchen, welche jede raſchere Bewegung hinderten. Oft auch ſchol- len Jubelgeſänge dazwiſchen und man beglückwünſchte ſich wegen der nun überſtandenen Hungersnoth mit dem häufig wiederkehrenden Geſange: „Hier bringen wir den Bäcker, die Bäckerin und den kleinen Bäckerjungen.“ Das Ge- wühl ward undurchdringlich als man um ſieben die Bar- rieren der Hauptſtadt erreichte. Man brauchte zwei Stun- den von da bis zum Stadthauſe. Hier hatte der König noch die Glückwünſche des Gemeinderathes zu überſtehen, fuhr dann ab in die öden Gemächer der ſeit ſo lange un- bewohnten, noch gar nicht für ſeinen Empfang eingerich- teten Tuillerien, wo er fortan unter dem Schutze der hauptſtädtiſchen Nationalgarde leben ſollte. Die adliche Garde war ſchon entlaſſen. Für den Lebensretter der kö- niglichen Familie galt damals Lafayette; von dieſem Retter aber wußte man daß er zwar aus Pflichtgefühl ſeinem Könige treu diene, jedoch im Herzen Republi- kaner ſey.
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auf den Vorſchlag von Mirabeau und Barnave gab die
Verſammlung die Erklärung ab, ſie ſey unzertrennlich von
der Perſon des Königs. Der doppelte Zweck des Zuges
nach Verſailles war erreicht.
Nur kurze Friſt und es ging ſchon fort. Sieben
lange Stunden, von zwei Uhr bis neun, verbrachte der
König im Wagen, begleitet von ſeiner Familie, um-
ſtrömt von einer verworrenen Maſſe von 40,000 eifernden,
ſchießenden, manchmal höhnenden, drohenden Menſchen,
welche jede raſchere Bewegung hinderten. Oft auch ſchol-
len Jubelgeſänge dazwiſchen und man beglückwünſchte ſich
wegen der nun überſtandenen Hungersnoth mit dem häufig
wiederkehrenden Geſange: „Hier bringen wir den Bäcker,
die Bäckerin und den kleinen Bäckerjungen.“ Das Ge-
wühl ward undurchdringlich als man um ſieben die Bar-
rieren der Hauptſtadt erreichte. Man brauchte zwei Stun-
den von da bis zum Stadthauſe. Hier hatte der König
noch die Glückwünſche des Gemeinderathes zu überſtehen,
fuhr dann ab in die öden Gemächer der ſeit ſo lange un-
bewohnten, noch gar nicht für ſeinen Empfang eingerich-
teten Tuillerien, wo er fortan unter dem Schutze der
hauptſtädtiſchen Nationalgarde leben ſollte. Die adliche
Garde war ſchon entlaſſen. Für den Lebensretter der kö-
niglichen Familie galt damals Lafayette; von dieſem
Retter aber wußte man daß er zwar aus Pflichtgefühl
ſeinem Könige treu diene, jedoch im Herzen Republi-
kaner ſey.
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/303>, abgerufen am 27.11.2024.
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