von beiden Seiten sich in die Extreme werfe. Dem Könige gebührt die Wache für das Auswärtige, und das ist sein Recht; droht aber Krieg, so bedarf er des Geldes der Nation, und dieses zu bewilligen oder zu verneinen und im Falle des irgendwie verschuldeten Krieges die Mi- nister zur Strafe zu ziehen ist das Recht der Nationalver- sammlung. So erhalten beide Theile ihr natürliches Ge- biet für die Beantwortung dieser Frage. Der leitende Grundsatz für Beide muß seyn: Frankreich verzichtet auf jede Eroberung. Dringt man dem Könige von seinem Rechte das Geringste ab, nöthigt man ihn das nothwen- dige Geheimniß der Verhandlungen mit fremden Mächten zu entschleiern, darf seine angegriffene Flotte, angegriffen in fernen Meeren vielleicht, sich nicht vertheidigen, darf sie selbst nicht zuvorkommen, bevor die Nationalversamm- lung den Krieg genehmigt hat, so sündigt man gegen die Natur der Dinge und stürzt das Vaterland in Gefahr. Seine Worte machten tiefen Eindruck, allein Barnave nahm den Tag darauf den Handschuh auf, hielt fest dar- an, der König dürfe und müsse einleiten, vorbereiten, auch Verträge unterzeichnen, allein die Bestätigung, das Ja und Nein über Krieg und Frieden gebühre allein der Nationalversammlung. Tadle man die Hauptstadt nicht, daß sie, genöthigt sich in die feinsten Fragen der Politik zu vertiefen, in eine gewaltige, unermeßliche Aufregung ge- rieth. Je unverständlicher die Lösung für den ungeübten Sinn, um so glühender die Bemühung von vielen Tau-
von beiden Seiten ſich in die Extreme werfe. Dem Könige gebührt die Wache für das Auswärtige, und das iſt ſein Recht; droht aber Krieg, ſo bedarf er des Geldes der Nation, und dieſes zu bewilligen oder zu verneinen und im Falle des irgendwie verſchuldeten Krieges die Mi- niſter zur Strafe zu ziehen iſt das Recht der Nationalver- ſammlung. So erhalten beide Theile ihr natürliches Ge- biet für die Beantwortung dieſer Frage. Der leitende Grundſatz für Beide muß ſeyn: Frankreich verzichtet auf jede Eroberung. Dringt man dem Könige von ſeinem Rechte das Geringſte ab, nöthigt man ihn das nothwen- dige Geheimniß der Verhandlungen mit fremden Mächten zu entſchleiern, darf ſeine angegriffene Flotte, angegriffen in fernen Meeren vielleicht, ſich nicht vertheidigen, darf ſie ſelbſt nicht zuvorkommen, bevor die Nationalverſamm- lung den Krieg genehmigt hat, ſo ſündigt man gegen die Natur der Dinge und ſtürzt das Vaterland in Gefahr. Seine Worte machten tiefen Eindruck, allein Barnave nahm den Tag darauf den Handſchuh auf, hielt feſt dar- an, der König dürfe und müſſe einleiten, vorbereiten, auch Verträge unterzeichnen, allein die Beſtätigung, das Ja und Nein über Krieg und Frieden gebühre allein der Nationalverſammlung. Tadle man die Hauptſtadt nicht, daß ſie, genöthigt ſich in die feinſten Fragen der Politik zu vertiefen, in eine gewaltige, unermeßliche Aufregung ge- rieth. Je unverſtändlicher die Löſung für den ungeübten Sinn, um ſo glühender die Bemühung von vielen Tau-
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[311/0321]
von beiden Seiten ſich in die Extreme werfe. Dem Könige
gebührt die Wache für das Auswärtige, und das iſt
ſein Recht; droht aber Krieg, ſo bedarf er des Geldes
der Nation, und dieſes zu bewilligen oder zu verneinen
und im Falle des irgendwie verſchuldeten Krieges die Mi-
niſter zur Strafe zu ziehen iſt das Recht der Nationalver-
ſammlung. So erhalten beide Theile ihr natürliches Ge-
biet für die Beantwortung dieſer Frage. Der leitende
Grundſatz für Beide muß ſeyn: Frankreich verzichtet auf
jede Eroberung. Dringt man dem Könige von ſeinem
Rechte das Geringſte ab, nöthigt man ihn das nothwen-
dige Geheimniß der Verhandlungen mit fremden Mächten
zu entſchleiern, darf ſeine angegriffene Flotte, angegriffen
in fernen Meeren vielleicht, ſich nicht vertheidigen, darf
ſie ſelbſt nicht zuvorkommen, bevor die Nationalverſamm-
lung den Krieg genehmigt hat, ſo ſündigt man gegen die
Natur der Dinge und ſtürzt das Vaterland in Gefahr.
Seine Worte machten tiefen Eindruck, allein Barnave
nahm den Tag darauf den Handſchuh auf, hielt feſt dar-
an, der König dürfe und müſſe einleiten, vorbereiten,
auch Verträge unterzeichnen, allein die Beſtätigung, das
Ja und Nein über Krieg und Frieden gebühre allein der
Nationalverſammlung. Tadle man die Hauptſtadt nicht,
daß ſie, genöthigt ſich in die feinſten Fragen der Politik zu
vertiefen, in eine gewaltige, unermeßliche Aufregung ge-
rieth. Je unverſtändlicher die Löſung für den ungeübten
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/321>, abgerufen am 29.11.2024.
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