vor der Übermacht zurückwichen, setzte er sich in den Gän- gen des Schlosses und seinen Gemächern fort, und wo es die Verfolgung von Flüchtigen galt, auch in den Straßen rings. Man sprach von 700 gemordeten Schweizern, aber auch von den friedlichen Schloßeinwohnern wurde was vorkam geschlachtet; ein Theil des Schlosses stand in Flammen. Es war zehn Uhr Morgens; da erschien eine Deputation des Gemeinderathes vor der Nationalversamm- lung, erklärte, man werde keine Hand rühren um den Brand zu löschen, es sey denn daß die Entsetzung des Kö- nigs ausgesprochen werde. Hierauf beantragte Vergniaud die Suspension der königlichen Gewalt und daß der König mit seiner Familie unter Aufsicht gestellt werde, die Bestellung eines Erziehers für den königlichen Prinzen, ingleichen die Berufung eines Nationalconvents, welcher über die künftige Verfassung Frankreichs die Entscheidung treffen wird. Während der Debatte und Abstimmung sah man den König ruhig dasitzend, auf das Gesimse seiner Loge gestützt, unveränderten Angesichts. Der Dauphin schlief auf dem Schooße der Königin. Für den Rest der Nacht ward nun die königliche Familie im Sitzungsge- bäude nothdürftig untergebracht; sie sollte demnächst im Schlosse Luxembourg wohnen. Allein hiegegen sprach der Gemeinderath ein, verlangte einen besser zu bewachenden Aufenthalt und entschied für den Tempelthurm, die alte Re- sidenz der Tempelherren. Hier standen Petion und Santerre, Mandats Nachfolger, für die Staatsgefangenen ein.
vor der Übermacht zurückwichen, ſetzte er ſich in den Gän- gen des Schloſſes und ſeinen Gemächern fort, und wo es die Verfolgung von Flüchtigen galt, auch in den Straßen rings. Man ſprach von 700 gemordeten Schweizern, aber auch von den friedlichen Schloßeinwohnern wurde was vorkam geſchlachtet; ein Theil des Schloſſes ſtand in Flammen. Es war zehn Uhr Morgens; da erſchien eine Deputation des Gemeinderathes vor der Nationalverſamm- lung, erklärte, man werde keine Hand rühren um den Brand zu löſchen, es ſey denn daß die Entſetzung des Kö- nigs ausgeſprochen werde. Hierauf beantragte Vergniaud die Suspenſion der königlichen Gewalt und daß der König mit ſeiner Familie unter Aufſicht geſtellt werde, die Beſtellung eines Erziehers für den königlichen Prinzen, ingleichen die Berufung eines Nationalconvents, welcher über die künftige Verfaſſung Frankreichs die Entſcheidung treffen wird. Während der Debatte und Abſtimmung ſah man den König ruhig daſitzend, auf das Geſimſe ſeiner Loge geſtützt, unveränderten Angeſichts. Der Dauphin ſchlief auf dem Schooße der Königin. Für den Reſt der Nacht ward nun die königliche Familie im Sitzungsge- bäude nothdürftig untergebracht; ſie ſollte demnächſt im Schloſſe Luxembourg wohnen. Allein hiegegen ſprach der Gemeinderath ein, verlangte einen beſſer zu bewachenden Aufenthalt und entſchied für den Tempelthurm, die alte Re- ſidenz der Tempelherren. Hier ſtanden Pétion und Santerre, Mandats Nachfolger, für die Staatsgefangenen ein.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0460"n="450"/>
vor der Übermacht zurückwichen, ſetzte er ſich in den Gän-<lb/>
gen des Schloſſes und ſeinen Gemächern fort, und wo es<lb/>
die Verfolgung von Flüchtigen galt, auch in den Straßen<lb/>
rings. Man ſprach von 700 gemordeten Schweizern, aber<lb/>
auch von den friedlichen Schloßeinwohnern wurde was<lb/>
vorkam geſchlachtet; ein Theil des Schloſſes ſtand in<lb/>
Flammen. Es war zehn Uhr Morgens; da erſchien eine<lb/>
Deputation des Gemeinderathes vor der Nationalverſamm-<lb/>
lung, erklärte, man werde keine Hand rühren um den<lb/>
Brand zu löſchen, es ſey denn daß die Entſetzung des Kö-<lb/>
nigs ausgeſprochen werde. Hierauf beantragte Vergniaud<lb/>
die Suspenſion der königlichen Gewalt und daß der<lb/>
König mit ſeiner Familie unter Aufſicht geſtellt werde,<lb/>
die Beſtellung eines Erziehers für den königlichen Prinzen,<lb/>
ingleichen die Berufung eines Nationalconvents, welcher<lb/>
über die künftige Verfaſſung Frankreichs die Entſcheidung<lb/>
treffen wird. Während der Debatte und Abſtimmung ſah<lb/>
man den König ruhig daſitzend, auf das Geſimſe ſeiner<lb/>
Loge geſtützt, unveränderten Angeſichts. Der Dauphin<lb/>ſchlief auf dem Schooße der Königin. Für den Reſt der<lb/>
Nacht ward nun die königliche Familie im Sitzungsge-<lb/>
bäude nothdürftig untergebracht; ſie ſollte demnächſt im<lb/>
Schloſſe Luxembourg wohnen. Allein hiegegen ſprach der<lb/>
Gemeinderath ein, verlangte einen beſſer zu bewachenden<lb/>
Aufenthalt und entſchied für den Tempelthurm, die alte Re-<lb/>ſidenz der Tempelherren. Hier ſtanden Pétion und Santerre,<lb/>
Mandats Nachfolger, für die Staatsgefangenen ein.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[450/0460]
vor der Übermacht zurückwichen, ſetzte er ſich in den Gän-
gen des Schloſſes und ſeinen Gemächern fort, und wo es
die Verfolgung von Flüchtigen galt, auch in den Straßen
rings. Man ſprach von 700 gemordeten Schweizern, aber
auch von den friedlichen Schloßeinwohnern wurde was
vorkam geſchlachtet; ein Theil des Schloſſes ſtand in
Flammen. Es war zehn Uhr Morgens; da erſchien eine
Deputation des Gemeinderathes vor der Nationalverſamm-
lung, erklärte, man werde keine Hand rühren um den
Brand zu löſchen, es ſey denn daß die Entſetzung des Kö-
nigs ausgeſprochen werde. Hierauf beantragte Vergniaud
die Suspenſion der königlichen Gewalt und daß der
König mit ſeiner Familie unter Aufſicht geſtellt werde,
die Beſtellung eines Erziehers für den königlichen Prinzen,
ingleichen die Berufung eines Nationalconvents, welcher
über die künftige Verfaſſung Frankreichs die Entſcheidung
treffen wird. Während der Debatte und Abſtimmung ſah
man den König ruhig daſitzend, auf das Geſimſe ſeiner
Loge geſtützt, unveränderten Angeſichts. Der Dauphin
ſchlief auf dem Schooße der Königin. Für den Reſt der
Nacht ward nun die königliche Familie im Sitzungsge-
bäude nothdürftig untergebracht; ſie ſollte demnächſt im
Schloſſe Luxembourg wohnen. Allein hiegegen ſprach der
Gemeinderath ein, verlangte einen beſſer zu bewachenden
Aufenthalt und entſchied für den Tempelthurm, die alte Re-
ſidenz der Tempelherren. Hier ſtanden Pétion und Santerre,
Mandats Nachfolger, für die Staatsgefangenen ein.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/460>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.