berichtete, Paris sey ruhig, und dabei blieb es. Und als das Morden vorbei, erschien der freundliche SchleicherSept.6. Petion, bat, man möge ihm erlauben einen Schleier über das Geschehene zu werfen, man müsse hoffen daß diese traurigen Scenen sich nicht wiederholen würden, die alte Brüderlichkeit kehre schon zurück. Und war denn der Brief, welchen der strenge Roland am 3ten September an die Nationalversammlung schrieb, in viel anderem Sinne ab- gefaßt? Roland findet den zehnten August vortrefflich und läßt noch allenfalls den vergangenen Abend gelten. Aber nun nicht weiter! Warum aber nicht weiter, wenn nur überall so weit? Rolands Theorie ist durch den zehnten August ins Leben gerufen, die Dantons erst durch die Septembermorde. Geben Theorien den Ausschlag für Tha- ten der Gewalt, so stehen beide Männer in gleichem Rechte. Allein die Worte Rolands, des Ministers, der thörichter Weise bald hernach nicht müde wird ein Straf- gericht über die Septembermänner herabzurufen, ohne zu bedenken daß er sie zum Kampfe der Verzweiflung zwingt, sind bezeichnend für die Denkart der Zeit. "Ich weiß daß die Revolutionen nicht berechenbar nach den gewöhnlichen Regeln sind, allein ich weiß auch daß die Macht, welche sie hervorbringt, sich bald unter den Schutz der Gesetze stellen muß, wenn sie eine gänzliche Auflösung vermeiden will. Der Zorn des Volks und die Bewegung der Insur- rection gleichen einem Strome, der alle Hindernisse durch- bricht, welche keine andere Macht je vernichtet hätte, aber
berichtete, Paris ſey ruhig, und dabei blieb es. Und als das Morden vorbei, erſchien der freundliche SchleicherSept.6. Pétion, bat, man möge ihm erlauben einen Schleier über das Geſchehene zu werfen, man müſſe hoffen daß dieſe traurigen Scenen ſich nicht wiederholen würden, die alte Brüderlichkeit kehre ſchon zurück. Und war denn der Brief, welchen der ſtrenge Roland am 3ten September an die Nationalverſammlung ſchrieb, in viel anderem Sinne ab- gefaßt? Roland findet den zehnten Auguſt vortrefflich und läßt noch allenfalls den vergangenen Abend gelten. Aber nun nicht weiter! Warum aber nicht weiter, wenn nur überall ſo weit? Rolands Theorie iſt durch den zehnten Auguſt ins Leben gerufen, die Dantons erſt durch die Septembermorde. Geben Theorien den Ausſchlag für Tha- ten der Gewalt, ſo ſtehen beide Männer in gleichem Rechte. Allein die Worte Rolands, des Miniſters, der thörichter Weiſe bald hernach nicht müde wird ein Straf- gericht über die Septembermänner herabzurufen, ohne zu bedenken daß er ſie zum Kampfe der Verzweiflung zwingt, ſind bezeichnend für die Denkart der Zeit. „Ich weiß daß die Revolutionen nicht berechenbar nach den gewöhnlichen Regeln ſind, allein ich weiß auch daß die Macht, welche ſie hervorbringt, ſich bald unter den Schutz der Geſetze ſtellen muß, wenn ſie eine gänzliche Auflöſung vermeiden will. Der Zorn des Volks und die Bewegung der Inſur- rection gleichen einem Strome, der alle Hinderniſſe durch- bricht, welche keine andere Macht je vernichtet hätte, aber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0479"n="469"/>
berichtete, Paris ſey ruhig, und dabei blieb es. Und als<lb/>
das Morden vorbei, erſchien der freundliche Schleicher<noteplace="right">Sept.6.</note><lb/>
Pétion, bat, man möge ihm erlauben einen Schleier über<lb/>
das Geſchehene zu werfen, man müſſe hoffen daß dieſe<lb/>
traurigen Scenen ſich nicht wiederholen würden, die alte<lb/>
Brüderlichkeit kehre ſchon zurück. Und war denn der Brief,<lb/>
welchen der ſtrenge Roland am 3ten September an die<lb/>
Nationalverſammlung ſchrieb, in viel anderem Sinne ab-<lb/>
gefaßt? Roland findet den zehnten Auguſt vortrefflich und<lb/>
läßt noch allenfalls den vergangenen Abend gelten. Aber<lb/>
nun nicht weiter! Warum aber nicht weiter, wenn nur<lb/>
überall ſo weit? Rolands Theorie iſt durch den zehnten<lb/>
Auguſt ins Leben gerufen, die Dantons erſt durch die<lb/>
Septembermorde. Geben Theorien den Ausſchlag für Tha-<lb/>
ten der Gewalt, ſo ſtehen beide Männer in gleichem<lb/>
Rechte. Allein die Worte Rolands, des Miniſters, der<lb/>
thörichter Weiſe bald hernach nicht müde wird ein Straf-<lb/>
gericht über die Septembermänner herabzurufen, ohne zu<lb/>
bedenken daß er ſie zum Kampfe der Verzweiflung zwingt,<lb/>ſind bezeichnend für die Denkart der Zeit. „Ich weiß daß<lb/>
die Revolutionen nicht berechenbar nach den gewöhnlichen<lb/>
Regeln ſind, allein ich weiß auch daß die Macht, welche<lb/>ſie hervorbringt, ſich bald unter den Schutz der Geſetze<lb/>ſtellen muß, wenn ſie eine gänzliche Auflöſung vermeiden<lb/>
will. Der Zorn des Volks und die Bewegung der Inſur-<lb/>
rection gleichen einem Strome, der alle Hinderniſſe durch-<lb/>
bricht, welche keine andere Macht je vernichtet hätte, aber<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[469/0479]
berichtete, Paris ſey ruhig, und dabei blieb es. Und als
das Morden vorbei, erſchien der freundliche Schleicher
Pétion, bat, man möge ihm erlauben einen Schleier über
das Geſchehene zu werfen, man müſſe hoffen daß dieſe
traurigen Scenen ſich nicht wiederholen würden, die alte
Brüderlichkeit kehre ſchon zurück. Und war denn der Brief,
welchen der ſtrenge Roland am 3ten September an die
Nationalverſammlung ſchrieb, in viel anderem Sinne ab-
gefaßt? Roland findet den zehnten Auguſt vortrefflich und
läßt noch allenfalls den vergangenen Abend gelten. Aber
nun nicht weiter! Warum aber nicht weiter, wenn nur
überall ſo weit? Rolands Theorie iſt durch den zehnten
Auguſt ins Leben gerufen, die Dantons erſt durch die
Septembermorde. Geben Theorien den Ausſchlag für Tha-
ten der Gewalt, ſo ſtehen beide Männer in gleichem
Rechte. Allein die Worte Rolands, des Miniſters, der
thörichter Weiſe bald hernach nicht müde wird ein Straf-
gericht über die Septembermänner herabzurufen, ohne zu
bedenken daß er ſie zum Kampfe der Verzweiflung zwingt,
ſind bezeichnend für die Denkart der Zeit. „Ich weiß daß
die Revolutionen nicht berechenbar nach den gewöhnlichen
Regeln ſind, allein ich weiß auch daß die Macht, welche
ſie hervorbringt, ſich bald unter den Schutz der Geſetze
ſtellen muß, wenn ſie eine gänzliche Auflöſung vermeiden
will. Der Zorn des Volks und die Bewegung der Inſur-
rection gleichen einem Strome, der alle Hinderniſſe durch-
bricht, welche keine andere Macht je vernichtet hätte, aber
Sept.6.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/479>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.