los." Über Maurepas urtheilt er so: "Sire, erinnere sich Ew. M. daß nachdem Sie ihn gewählt hatten, ich mir die Freiheit nahm zu Ihnen zu sprechen: das ist ein Mann von vielem Geiste, der fast mit Allem auf dem Rei- nen ist, höchst entschieden, in Geldsachen ehrlich und un- eigennützig, allein er, der mit 17 Jahren Minister ward unter einer verderbten und sittenlosen Regentschaft und her- nach sich durch Maitressen-Intriguen winden mußte, sieht in allen Geschäften reine Privatangelegenheiten. -- -- Ein Minister, besonders ein Premier-Minister sollte sei- nem Herrn die Wahrheit und die ganze Wahrheit sagen. Herr von Maurepas, ein alter Hofmann, unterrichtet, ent- schieden, gleicht in nichts seinem Herrn. Spaßhaft bis zum Possenreißen bringt er diesen Charakter in die Be- handlung aller Geschäfte. Ew. M. sind furchtsam, er dreist bis zum Cynimus, Ew. M. lieben die Ehrbarkeit, er reißt Zoten und ist einer der ersten gewesen, über diesen Cha- rakter Ew. M. mit den jungen Leuten Scherz zu treiben, die es nun eifrig dem alten Lehrer nachmachen, für den das Lachen ein Geschäft ist."
Der Eindruck von Neckers Entlassung haftete unge- wöhnlich tief und dauernd; es wird versichert daß die Nachricht von einem der folgenreichsten Kriegsereignisse, der Capitulation des englischen Generals Cornwallis in York-Oct. 19. town bei der allgemeinen Niedergeschlagenheit der Gemü- ther in Frankreich fast keine Freude zu erwecken im Stande war. Und zur unglücklichsten Stunde mußte nun noch der
los.“ Über Maurepas urtheilt er ſo: „Sire, erinnere ſich Ew. M. daß nachdem Sie ihn gewählt hatten, ich mir die Freiheit nahm zu Ihnen zu ſprechen: das iſt ein Mann von vielem Geiſte, der faſt mit Allem auf dem Rei- nen iſt, höchſt entſchieden, in Geldſachen ehrlich und un- eigennützig, allein er, der mit 17 Jahren Miniſter ward unter einer verderbten und ſittenloſen Regentſchaft und her- nach ſich durch Maitreſſen-Intriguen winden mußte, ſieht in allen Geſchäften reine Privatangelegenheiten. — — Ein Miniſter, beſonders ein Premier-Miniſter ſollte ſei- nem Herrn die Wahrheit und die ganze Wahrheit ſagen. Herr von Maurepas, ein alter Hofmann, unterrichtet, ent- ſchieden, gleicht in nichts ſeinem Herrn. Spaßhaft bis zum Poſſenreißen bringt er dieſen Charakter in die Be- handlung aller Geſchäfte. Ew. M. ſind furchtſam, er dreiſt bis zum Cynimus, Ew. M. lieben die Ehrbarkeit, er reißt Zoten und iſt einer der erſten geweſen, über dieſen Cha- rakter Ew. M. mit den jungen Leuten Scherz zu treiben, die es nun eifrig dem alten Lehrer nachmachen, für den das Lachen ein Geſchäft iſt.“
Der Eindruck von Neckers Entlaſſung haftete unge- wöhnlich tief und dauernd; es wird verſichert daß die Nachricht von einem der folgenreichſten Kriegsereigniſſe, der Capitulation des engliſchen Generals Cornwallis in York-Oct. 19. town bei der allgemeinen Niedergeſchlagenheit der Gemü- ther in Frankreich faſt keine Freude zu erwecken im Stande war. Und zur unglücklichſten Stunde mußte nun noch der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0099"n="89"/>
los.“ Über Maurepas urtheilt er ſo: „Sire, erinnere<lb/>ſich Ew. M. daß nachdem Sie ihn gewählt hatten, ich<lb/>
mir die Freiheit nahm zu Ihnen zu ſprechen: das iſt ein<lb/>
Mann von vielem Geiſte, der faſt mit Allem auf dem Rei-<lb/>
nen iſt, höchſt entſchieden, in Geldſachen ehrlich und un-<lb/>
eigennützig, allein er, der mit 17 Jahren Miniſter ward<lb/>
unter einer verderbten und ſittenloſen Regentſchaft und her-<lb/>
nach ſich durch Maitreſſen-Intriguen winden mußte, ſieht<lb/>
in allen Geſchäften reine Privatangelegenheiten. ——<lb/>
Ein Miniſter, beſonders ein Premier-Miniſter ſollte ſei-<lb/>
nem Herrn die Wahrheit und die ganze Wahrheit ſagen.<lb/>
Herr von Maurepas, ein alter Hofmann, unterrichtet, ent-<lb/>ſchieden, gleicht in nichts ſeinem Herrn. Spaßhaft bis<lb/>
zum Poſſenreißen bringt er dieſen Charakter in die Be-<lb/>
handlung aller Geſchäfte. Ew. M. ſind furchtſam, er dreiſt<lb/>
bis zum Cynimus, Ew. M. lieben die Ehrbarkeit, er reißt<lb/>
Zoten und iſt einer der erſten geweſen, über dieſen Cha-<lb/>
rakter Ew. M. mit den jungen Leuten Scherz zu treiben,<lb/>
die es nun eifrig dem alten Lehrer nachmachen, für den das<lb/>
Lachen ein Geſchäft iſt.“</p><lb/><p>Der Eindruck von Neckers Entlaſſung haftete unge-<lb/>
wöhnlich tief und dauernd; es wird verſichert daß die<lb/>
Nachricht von einem der folgenreichſten Kriegsereigniſſe, der<lb/>
Capitulation des engliſchen Generals Cornwallis in York-<noteplace="right">Oct. 19.</note><lb/>
town bei der allgemeinen Niedergeſchlagenheit der Gemü-<lb/>
ther in Frankreich faſt keine Freude zu erwecken im Stande<lb/>
war. Und zur unglücklichſten Stunde mußte nun noch der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[89/0099]
los.“ Über Maurepas urtheilt er ſo: „Sire, erinnere
ſich Ew. M. daß nachdem Sie ihn gewählt hatten, ich
mir die Freiheit nahm zu Ihnen zu ſprechen: das iſt ein
Mann von vielem Geiſte, der faſt mit Allem auf dem Rei-
nen iſt, höchſt entſchieden, in Geldſachen ehrlich und un-
eigennützig, allein er, der mit 17 Jahren Miniſter ward
unter einer verderbten und ſittenloſen Regentſchaft und her-
nach ſich durch Maitreſſen-Intriguen winden mußte, ſieht
in allen Geſchäften reine Privatangelegenheiten. — —
Ein Miniſter, beſonders ein Premier-Miniſter ſollte ſei-
nem Herrn die Wahrheit und die ganze Wahrheit ſagen.
Herr von Maurepas, ein alter Hofmann, unterrichtet, ent-
ſchieden, gleicht in nichts ſeinem Herrn. Spaßhaft bis
zum Poſſenreißen bringt er dieſen Charakter in die Be-
handlung aller Geſchäfte. Ew. M. ſind furchtſam, er dreiſt
bis zum Cynimus, Ew. M. lieben die Ehrbarkeit, er reißt
Zoten und iſt einer der erſten geweſen, über dieſen Cha-
rakter Ew. M. mit den jungen Leuten Scherz zu treiben,
die es nun eifrig dem alten Lehrer nachmachen, für den das
Lachen ein Geſchäft iſt.“
Der Eindruck von Neckers Entlaſſung haftete unge-
wöhnlich tief und dauernd; es wird verſichert daß die
Nachricht von einem der folgenreichſten Kriegsereigniſſe, der
Capitulation des engliſchen Generals Cornwallis in York-
town bei der allgemeinen Niedergeſchlagenheit der Gemü-
ther in Frankreich faſt keine Freude zu erwecken im Stande
war. Und zur unglücklichſten Stunde mußte nun noch der
Oct. 19.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/99>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.