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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Unverantwortlichkeit des Königs.
Prävarication (Pflichtvergessenheit) hinzugefügt, welche
jede verschuldete Gefährdung des gemeinen Wohls begrei-
fen will. Neuerdings (1. Dec. 1834.) ist ein solcher Ge-
setzentwurf von dem Großsiegelbewahrer Persil, früher als
Commissär der Deputirten-Kammer Ankläger jener Mini-
ster, als abermahls verändert angekündigt 1); zu gleicher
Zeit ein Gesetz über die Verantwortlichkeit der Regierungs-
beamten. Denn freilich, sollen die Minister fortfahren, für
Thun und Lassen ihrer Beamten in jedem Sinne verant-
wortlich zu seyn, so müssen diese es wieder den Ministern
durch unbedingte Absetzbarkeit seyn; und sollen die Mini-
ster für Alles, was in der Verwaltung geschieht, einstehen,
so muß die ganze Verwaltung in den Händen königlicher
Beamten seyn. Es war aus diesem Grunde unmöglich
für das Ministerium Martignac, eine Gemeinde-Ordnung
vorzuschlagen, welche den Commünen die freie Wahl ihrer
Maires übergeben hätte.

1) Der frühere (jetzt aufgegebene) Gedanke war, zu der politischen
und criminalen Verantwortlichkeit noch eine dritte, die civile,
hinzuzufügen, indem man das Vermögen der Minister für jeden
Verlust dafür in Anspruch nähme, welchen durch ihr oder ihrer
Unter-Beamten Versehen der Staat erleidet. Es war hiermit
hauptsächlich die Überschreitung der ministeriellen Credite gemeint.

135. Bei solcher Lage der Verhältnisse ist es ohne
Zweifel wohlgethan, daß in den Deutschen Bundes-Staa-
ten die Minister-Anklage von beiden Kammern beschlossen
wird (mit Ausnahme Würtembergs, §. 195.) und daß ein
hohes Landesgericht insgemein zu untersuchen und zu ent-
scheiden hat. Freilich will man in den Königreichen Wür-
temberg und Sachsen den Versuch mit einem eigenen
Staatsgerichtshofe machen, zu welchem der König die
Hälfte aus den höheren Gerichten, die andere Hälfte die

Unverantwortlichkeit des Koͤnigs.
Praͤvarication (Pflichtvergeſſenheit) hinzugefuͤgt, welche
jede verſchuldete Gefaͤhrdung des gemeinen Wohls begrei-
fen will. Neuerdings (1. Dec. 1834.) iſt ein ſolcher Ge-
ſetzentwurf von dem Großſiegelbewahrer Perſil, fruͤher als
Commiſſaͤr der Deputirten-Kammer Anklaͤger jener Mini-
ſter, als abermahls veraͤndert angekuͤndigt 1); zu gleicher
Zeit ein Geſetz uͤber die Verantwortlichkeit der Regierungs-
beamten. Denn freilich, ſollen die Miniſter fortfahren, fuͤr
Thun und Laſſen ihrer Beamten in jedem Sinne verant-
wortlich zu ſeyn, ſo muͤſſen dieſe es wieder den Miniſtern
durch unbedingte Abſetzbarkeit ſeyn; und ſollen die Mini-
ſter fuͤr Alles, was in der Verwaltung geſchieht, einſtehen,
ſo muß die ganze Verwaltung in den Haͤnden koͤniglicher
Beamten ſeyn. Es war aus dieſem Grunde unmoͤglich
fuͤr das Miniſterium Martignac, eine Gemeinde-Ordnung
vorzuſchlagen, welche den Commuͤnen die freie Wahl ihrer
Maires uͤbergeben haͤtte.

1) Der fruͤhere (jetzt aufgegebene) Gedanke war, zu der politiſchen
und criminalen Verantwortlichkeit noch eine dritte, die civile,
hinzuzufuͤgen, indem man das Vermoͤgen der Miniſter fuͤr jeden
Verluſt dafuͤr in Anſpruch naͤhme, welchen durch ihr oder ihrer
Unter-Beamten Verſehen der Staat erleidet. Es war hiermit
hauptſaͤchlich die Überſchreitung der miniſteriellen Credite gemeint.

135. Bei ſolcher Lage der Verhaͤltniſſe iſt es ohne
Zweifel wohlgethan, daß in den Deutſchen Bundes-Staa-
ten die Miniſter-Anklage von beiden Kammern beſchloſſen
wird (mit Ausnahme Wuͤrtembergs, §. 195.) und daß ein
hohes Landesgericht insgemein zu unterſuchen und zu ent-
ſcheiden hat. Freilich will man in den Koͤnigreichen Wuͤr-
temberg und Sachſen den Verſuch mit einem eigenen
Staatsgerichtshofe machen, zu welchem der Koͤnig die
Haͤlfte aus den hoͤheren Gerichten, die andere Haͤlfte die

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[105/0117] Unverantwortlichkeit des Koͤnigs. Praͤvarication (Pflichtvergeſſenheit) hinzugefuͤgt, welche jede verſchuldete Gefaͤhrdung des gemeinen Wohls begrei- fen will. Neuerdings (1. Dec. 1834.) iſt ein ſolcher Ge- ſetzentwurf von dem Großſiegelbewahrer Perſil, fruͤher als Commiſſaͤr der Deputirten-Kammer Anklaͤger jener Mini- ſter, als abermahls veraͤndert angekuͤndigt 1); zu gleicher Zeit ein Geſetz uͤber die Verantwortlichkeit der Regierungs- beamten. Denn freilich, ſollen die Miniſter fortfahren, fuͤr Thun und Laſſen ihrer Beamten in jedem Sinne verant- wortlich zu ſeyn, ſo muͤſſen dieſe es wieder den Miniſtern durch unbedingte Abſetzbarkeit ſeyn; und ſollen die Mini- ſter fuͤr Alles, was in der Verwaltung geſchieht, einſtehen, ſo muß die ganze Verwaltung in den Haͤnden koͤniglicher Beamten ſeyn. Es war aus dieſem Grunde unmoͤglich fuͤr das Miniſterium Martignac, eine Gemeinde-Ordnung vorzuſchlagen, welche den Commuͤnen die freie Wahl ihrer Maires uͤbergeben haͤtte. ¹⁾ Der fruͤhere (jetzt aufgegebene) Gedanke war, zu der politiſchen und criminalen Verantwortlichkeit noch eine dritte, die civile, hinzuzufuͤgen, indem man das Vermoͤgen der Miniſter fuͤr jeden Verluſt dafuͤr in Anſpruch naͤhme, welchen durch ihr oder ihrer Unter-Beamten Verſehen der Staat erleidet. Es war hiermit hauptſaͤchlich die Überſchreitung der miniſteriellen Credite gemeint. 135. Bei ſolcher Lage der Verhaͤltniſſe iſt es ohne Zweifel wohlgethan, daß in den Deutſchen Bundes-Staa- ten die Miniſter-Anklage von beiden Kammern beſchloſſen wird (mit Ausnahme Wuͤrtembergs, §. 195.) und daß ein hohes Landesgericht insgemein zu unterſuchen und zu ent- ſcheiden hat. Freilich will man in den Koͤnigreichen Wuͤr- temberg und Sachſen den Verſuch mit einem eigenen Staatsgerichtshofe machen, zu welchem der Koͤnig die Haͤlfte aus den hoͤheren Gerichten, die andere Haͤlfte die

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/117>, abgerufen am 24.11.2024.