Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Sechstes Capitel. wo ein wirkliches Bedürfniß nachgewiesen war; allein derAdel folgte nur seinem Rechte, wenn er darauf bestand, der Kriegsdienst für sein Lehn sey die einzige Steuer, welche ihm sein freier Stand gestatte. Wo er das in Deutschen Landen durchsetzte, nicht den Reichs-Steuern, noch weniger einer Landes-Steuer sich unterwarf, immer nur den schon veraltenden Lehnsdienst bietend, da trat er mit der Zeit ganz aus dem Kreise der Landstände aus, die der Steuer halb hauptsächlich berufen wurden, ließ Prälaten und Städte allein und rühmte sich der reichs- ritterschaftlichen Freiheit. Dahin kam's in Würtemberg zu Ende des Mittelalters. Wo die Ritterschaft aber nachgie- biger war, Reichssteuern mit übernahm, ein Paar her- kömmliche Steuern (Prinzessinnen-Steuer, Schlachtbede) anerkannte, den Landessteuern wenigstens seine Hintersassen unterwarf, nur die Ritterhufen ausnahm, bei außerordent- lichen Fällen auch wol Vermögenssteuern sich gefallen ließ, da rettete sie wenigstens das Prinzip, begehrte auf dem Landtage einen act of indemnity, Schadlosbriefe, Re- versalen, daß ihr das Gute was sie gethan, unschädlich seyn solle; denn sie hatte wider die gesetzliche Ordnung gehandelt. Aber die Gewalt, welche in den Dingen ist, wenn sie Sechstes Capitel. wo ein wirkliches Beduͤrfniß nachgewieſen war; allein derAdel folgte nur ſeinem Rechte, wenn er darauf beſtand, der Kriegsdienſt fuͤr ſein Lehn ſey die einzige Steuer, welche ihm ſein freier Stand geſtatte. Wo er das in Deutſchen Landen durchſetzte, nicht den Reichs-Steuern, noch weniger einer Landes-Steuer ſich unterwarf, immer nur den ſchon veraltenden Lehnsdienſt bietend, da trat er mit der Zeit ganz aus dem Kreiſe der Landſtaͤnde aus, die der Steuer halb hauptſaͤchlich berufen wurden, ließ Praͤlaten und Staͤdte allein und ruͤhmte ſich der reichs- ritterſchaftlichen Freiheit. Dahin kam’s in Wuͤrtemberg zu Ende des Mittelalters. Wo die Ritterſchaft aber nachgie- biger war, Reichsſteuern mit uͤbernahm, ein Paar her- koͤmmliche Steuern (Prinzeſſinnen-Steuer, Schlachtbede) anerkannte, den Landesſteuern wenigſtens ſeine Hinterſaſſen unterwarf, nur die Ritterhufen ausnahm, bei außerordent- lichen Faͤllen auch wol Vermoͤgensſteuern ſich gefallen ließ, da rettete ſie wenigſtens das Prinzip, begehrte auf dem Landtage einen act of indemnity, Schadlosbriefe, Re- verſalen, daß ihr das Gute was ſie gethan, unſchaͤdlich ſeyn ſolle; denn ſie hatte wider die geſetzliche Ordnung gehandelt. Aber die Gewalt, welche in den Dingen iſt, wenn ſie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0124" n="112"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechstes Capitel</hi>.</fw><lb/> wo ein wirkliches Beduͤrfniß nachgewieſen war; allein der<lb/> Adel folgte nur ſeinem Rechte, wenn er darauf beſtand,<lb/> der Kriegsdienſt fuͤr ſein Lehn ſey die einzige Steuer,<lb/> welche ihm ſein freier Stand geſtatte. Wo er das in<lb/> Deutſchen Landen durchſetzte, nicht den Reichs-Steuern,<lb/> noch weniger einer Landes-Steuer ſich unterwarf, immer<lb/> nur den ſchon veraltenden Lehnsdienſt bietend, da trat er<lb/> mit der Zeit ganz aus dem Kreiſe der Landſtaͤnde aus,<lb/> die der Steuer halb hauptſaͤchlich berufen wurden, ließ<lb/> Praͤlaten und Staͤdte allein und ruͤhmte ſich der reichs-<lb/> ritterſchaftlichen Freiheit. Dahin kam’s in Wuͤrtemberg zu<lb/> Ende des Mittelalters. Wo die Ritterſchaft aber nachgie-<lb/> biger war, Reichsſteuern mit uͤbernahm, ein Paar her-<lb/> koͤmmliche Steuern (Prinzeſſinnen-Steuer, Schlachtbede)<lb/> anerkannte, den Landesſteuern wenigſtens ſeine Hinterſaſſen<lb/> unterwarf, nur die Ritterhufen ausnahm, bei außerordent-<lb/> lichen Faͤllen auch wol Vermoͤgensſteuern ſich gefallen ließ,<lb/> da rettete ſie wenigſtens das Prinzip, begehrte auf dem<lb/> Landtage einen <hi rendition="#aq">act of indemnity,</hi> Schadlosbriefe, Re-<lb/> verſalen, daß ihr das Gute was ſie gethan, unſchaͤdlich<lb/> ſeyn ſolle; denn ſie hatte wider die geſetzliche Ordnung<lb/> gehandelt.</p><lb/> <p>Aber die Gewalt, welche in den Dingen iſt, wenn ſie<lb/> ihre Entwickelung einmahl begonnen haben, wirkte, wie<lb/> im Reiche der Naturkraͤfte, ſchneller und ſchneller. Der<lb/> Fuͤrſt allein ſchiffte auf dem Strome der neuen Verhaͤlt-<lb/> niſſe. Er machte ſich zum Herrn eines Heeres, welches<lb/> das Land bezahlte, eroberte ſich ſtuͤckweiſe, Ämter bildend,<lb/> ſein Regierungsgebiet, erwarb Untheilbarkeit und Primo-<lb/> genitur, und wenn er ein guter Haushalter war, die<lb/> landſtaͤndiſche Ordnung vollends ſtarr werden ließ, Steuer-<lb/> freiheiten aufhob, allgemeine Bildungsanſtalten gruͤndete,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0124]
Sechstes Capitel.
wo ein wirkliches Beduͤrfniß nachgewieſen war; allein der
Adel folgte nur ſeinem Rechte, wenn er darauf beſtand,
der Kriegsdienſt fuͤr ſein Lehn ſey die einzige Steuer,
welche ihm ſein freier Stand geſtatte. Wo er das in
Deutſchen Landen durchſetzte, nicht den Reichs-Steuern,
noch weniger einer Landes-Steuer ſich unterwarf, immer
nur den ſchon veraltenden Lehnsdienſt bietend, da trat er
mit der Zeit ganz aus dem Kreiſe der Landſtaͤnde aus,
die der Steuer halb hauptſaͤchlich berufen wurden, ließ
Praͤlaten und Staͤdte allein und ruͤhmte ſich der reichs-
ritterſchaftlichen Freiheit. Dahin kam’s in Wuͤrtemberg zu
Ende des Mittelalters. Wo die Ritterſchaft aber nachgie-
biger war, Reichsſteuern mit uͤbernahm, ein Paar her-
koͤmmliche Steuern (Prinzeſſinnen-Steuer, Schlachtbede)
anerkannte, den Landesſteuern wenigſtens ſeine Hinterſaſſen
unterwarf, nur die Ritterhufen ausnahm, bei außerordent-
lichen Faͤllen auch wol Vermoͤgensſteuern ſich gefallen ließ,
da rettete ſie wenigſtens das Prinzip, begehrte auf dem
Landtage einen act of indemnity, Schadlosbriefe, Re-
verſalen, daß ihr das Gute was ſie gethan, unſchaͤdlich
ſeyn ſolle; denn ſie hatte wider die geſetzliche Ordnung
gehandelt.
Aber die Gewalt, welche in den Dingen iſt, wenn ſie
ihre Entwickelung einmahl begonnen haben, wirkte, wie
im Reiche der Naturkraͤfte, ſchneller und ſchneller. Der
Fuͤrſt allein ſchiffte auf dem Strome der neuen Verhaͤlt-
niſſe. Er machte ſich zum Herrn eines Heeres, welches
das Land bezahlte, eroberte ſich ſtuͤckweiſe, Ämter bildend,
ſein Regierungsgebiet, erwarb Untheilbarkeit und Primo-
genitur, und wenn er ein guter Haushalter war, die
landſtaͤndiſche Ordnung vollends ſtarr werden ließ, Steuer-
freiheiten aufhob, allgemeine Bildungsanſtalten gruͤndete,
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