Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Neuntes Capitel. ein Gräuel waren, aber er gewann für sein System nichteinmahl bei dem Sohne des unglücklichen Stuart Ver- trauen. Wie viel bequemer ruhten unumschränkte Neigun- gen bei einem Filmer und einem Wandalin aus! Wenn schon Adam als König Adam der Erste Jahrhun- derte lang unumschränkt über das ganze Menschengeschlecht geherrscht hat, wenn der Fürsten Seelen an sich besser begabt sind, wie bereits Kaiser Karl IV. behauptete, als er seinen stets unmündigen Wenzel den Fürsten des Reichs empfahl, und wenn nun vollends jedes gekrönte Haupt durch die innerlich charakterisirende Salbung in unmittelbare Ge- meinschaft mit der Gottheit tritt, so ist die Unumschränkt- heit der Könige Sache der Religion. Die Unumschränkt- heit, welche Hobbes lehrt, könnte ja auch einer republika- nischen Regierung zu Gute kommen. 230. So viel menschlicher ausgestattet Locke dasteht Neuntes Capitel. ein Graͤuel waren, aber er gewann fuͤr ſein Syſtem nichteinmahl bei dem Sohne des ungluͤcklichen Stuart Ver- trauen. Wie viel bequemer ruhten unumſchraͤnkte Neigun- gen bei einem Filmer und einem Wandalin aus! Wenn ſchon Adam als Koͤnig Adam der Erſte Jahrhun- derte lang unumſchraͤnkt uͤber das ganze Menſchengeſchlecht geherrſcht hat, wenn der Fuͤrſten Seelen an ſich beſſer begabt ſind, wie bereits Kaiſer Karl IV. behauptete, als er ſeinen ſtets unmuͤndigen Wenzel den Fuͤrſten des Reichs empfahl, und wenn nun vollends jedes gekroͤnte Haupt durch die innerlich charakteriſirende Salbung in unmittelbare Ge- meinſchaft mit der Gottheit tritt, ſo iſt die Unumſchraͤnkt- heit der Koͤnige Sache der Religion. Die Unumſchraͤnkt- heit, welche Hobbes lehrt, koͤnnte ja auch einer republika- niſchen Regierung zu Gute kommen. 230. So viel menſchlicher ausgeſtattet Locke daſteht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0212" n="200"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Capitel</hi>.</fw><lb/> ein Graͤuel waren, aber er gewann fuͤr ſein Syſtem nicht<lb/> einmahl bei dem Sohne des ungluͤcklichen Stuart Ver-<lb/> trauen. Wie viel bequemer ruhten unumſchraͤnkte Neigun-<lb/> gen bei einem <hi rendition="#g">Filmer</hi> und einem <hi rendition="#g">Wandalin</hi> aus!<lb/> Wenn ſchon Adam als Koͤnig Adam der Erſte Jahrhun-<lb/> derte lang unumſchraͤnkt uͤber das ganze Menſchengeſchlecht<lb/> geherrſcht hat, wenn der Fuͤrſten Seelen an ſich beſſer<lb/> begabt ſind, wie bereits Kaiſer Karl <hi rendition="#aq">IV.</hi> behauptete, als<lb/> er ſeinen ſtets unmuͤndigen Wenzel den Fuͤrſten des Reichs<lb/> empfahl, und wenn nun vollends jedes gekroͤnte Haupt durch<lb/> die innerlich charakteriſirende Salbung in unmittelbare Ge-<lb/> meinſchaft mit der Gottheit tritt, ſo iſt die Unumſchraͤnkt-<lb/> heit der <hi rendition="#g">Koͤnige</hi> Sache der Religion. Die Unumſchraͤnkt-<lb/> heit, welche Hobbes lehrt, koͤnnte ja auch einer republika-<lb/> niſchen Regierung zu Gute kommen.</p><lb/> <p>230. So viel menſchlicher ausgeſtattet <hi rendition="#g">Locke</hi> daſteht<lb/> als Hobbes und ſo ſehr man ſeinem Werke die friſche<lb/> Empfindung des ſeltenſten Gluͤckes anſieht — Vermehrung<lb/> der Freiheit als unmittelbare Folge einer Staatsumwaͤl-<lb/> zung —, ſo iſt doch ſein Staat nicht minder auf einer<lb/> Fiction gebaut, und ſtellt weder die, von ihm zuerſt im<lb/> Sinne neuer Staatsordnung getheilten, Staatsgewalten<lb/> in ein richtiges Verhaͤltniß zu einander, noch weiß er die<lb/> wichtigſten Fragen, welche einer inneren Loͤſung vertraut<lb/> ſeyn wollen, anders als rein aͤußerlich d. h. factiſch zu be-<lb/> antworten. Seinen Naturſtand laͤßt er auf Naturgeſetzen,<lb/> deren Quelle die Vernunft iſt, beruhen und ſtattet ihn mit<lb/> ſo viel angenehmer Freiheit und Gleichheit aus, daß man<lb/> nicht recht begreift, warum die Menſchheit freiwillig von<lb/> ihm ſcheidet, um nach dem freien Willen der Gemeinde<lb/> die Staatsgewalt zu gruͤnden. Da die Einzelnen freiwillig<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [200/0212]
Neuntes Capitel.
ein Graͤuel waren, aber er gewann fuͤr ſein Syſtem nicht
einmahl bei dem Sohne des ungluͤcklichen Stuart Ver-
trauen. Wie viel bequemer ruhten unumſchraͤnkte Neigun-
gen bei einem Filmer und einem Wandalin aus!
Wenn ſchon Adam als Koͤnig Adam der Erſte Jahrhun-
derte lang unumſchraͤnkt uͤber das ganze Menſchengeſchlecht
geherrſcht hat, wenn der Fuͤrſten Seelen an ſich beſſer
begabt ſind, wie bereits Kaiſer Karl IV. behauptete, als
er ſeinen ſtets unmuͤndigen Wenzel den Fuͤrſten des Reichs
empfahl, und wenn nun vollends jedes gekroͤnte Haupt durch
die innerlich charakteriſirende Salbung in unmittelbare Ge-
meinſchaft mit der Gottheit tritt, ſo iſt die Unumſchraͤnkt-
heit der Koͤnige Sache der Religion. Die Unumſchraͤnkt-
heit, welche Hobbes lehrt, koͤnnte ja auch einer republika-
niſchen Regierung zu Gute kommen.
230. So viel menſchlicher ausgeſtattet Locke daſteht
als Hobbes und ſo ſehr man ſeinem Werke die friſche
Empfindung des ſeltenſten Gluͤckes anſieht — Vermehrung
der Freiheit als unmittelbare Folge einer Staatsumwaͤl-
zung —, ſo iſt doch ſein Staat nicht minder auf einer
Fiction gebaut, und ſtellt weder die, von ihm zuerſt im
Sinne neuer Staatsordnung getheilten, Staatsgewalten
in ein richtiges Verhaͤltniß zu einander, noch weiß er die
wichtigſten Fragen, welche einer inneren Loͤſung vertraut
ſeyn wollen, anders als rein aͤußerlich d. h. factiſch zu be-
antworten. Seinen Naturſtand laͤßt er auf Naturgeſetzen,
deren Quelle die Vernunft iſt, beruhen und ſtattet ihn mit
ſo viel angenehmer Freiheit und Gleichheit aus, daß man
nicht recht begreift, warum die Menſchheit freiwillig von
ihm ſcheidet, um nach dem freien Willen der Gemeinde
die Staatsgewalt zu gruͤnden. Da die Einzelnen freiwillig
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