Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Von den Staatsbeamten. sich selber. Aber der Staat sehe auch wohl zu, wie ersich selber schütze vor dem Beamten, dessen Untreue oder Nachlässigkeit in anvertrauten Geldern, Hypotheken und wie vielen besonderen Fällen entweder durch den Staat gut- gemacht werden muß, oder wenn der Staat diese Verbind- lichkeit von sich abwälzt und allein oder doch zunächst den Schuldigen vorschiebt, die wohlthätigsten Staatsanstalten in einen Zuwachs von Lasten verwandelt. Darum bedarf der Staat selber der lebendigen Controle der Beamten durch die öffentliche Meinung, durch ungehinderte Beschwer- deführung, und wenn gleich Widerstand gegen öffentliche Beamte nie gesetzmäßig seyn darf, wie in England, so ist es von der andern Seite mit bürgerlicher Freiheit un- vereinbar alle Verantwortlichkeit bloß auf die Staatsmi- nister zu concentriren. Das subalterne Werkzeug sey un- verantwortlich in politischen Dingen; bei bürgerlichen Ver- brechen, in der Amtsverrichtung begangen, werden die Ge- richte es zu finden wissen; allein wem ein selbständiges Gebiet bleibt, der hat freilich nicht die Befehle seiner Oberen, (welche er allein auf eigene Gefahr unausgeführt lassen darf,) wohl aber sein Verfahren, insofern er selb- ständig gegen die Verfassung handelt, zu verantworten. Ist dem Staate gegeben was des Staates ist, so darf dann, außer der Klage auf Entschädigung, auch die cri- minelle Verfolgung ihren Weg gehen und keineswegs von einer zuvor einzuholenden Erlaubniß der höchsten Behörde abhängig gemacht werden. Von den Staatsbeamten. ſich ſelber. Aber der Staat ſehe auch wohl zu, wie erſich ſelber ſchuͤtze vor dem Beamten, deſſen Untreue oder Nachlaͤſſigkeit in anvertrauten Geldern, Hypotheken und wie vielen beſonderen Faͤllen entweder durch den Staat gut- gemacht werden muß, oder wenn der Staat dieſe Verbind- lichkeit von ſich abwaͤlzt und allein oder doch zunaͤchſt den Schuldigen vorſchiebt, die wohlthaͤtigſten Staatsanſtalten in einen Zuwachs von Laſten verwandelt. Darum bedarf der Staat ſelber der lebendigen Controle der Beamten durch die oͤffentliche Meinung, durch ungehinderte Beſchwer- defuͤhrung, und wenn gleich Widerſtand gegen oͤffentliche Beamte nie geſetzmaͤßig ſeyn darf, wie in England, ſo iſt es von der andern Seite mit buͤrgerlicher Freiheit un- vereinbar alle Verantwortlichkeit bloß auf die Staatsmi- niſter zu concentriren. Das ſubalterne Werkzeug ſey un- verantwortlich in politiſchen Dingen; bei buͤrgerlichen Ver- brechen, in der Amtsverrichtung begangen, werden die Ge- richte es zu finden wiſſen; allein wem ein ſelbſtaͤndiges Gebiet bleibt, der hat freilich nicht die Befehle ſeiner Oberen, (welche er allein auf eigene Gefahr unausgefuͤhrt laſſen darf,) wohl aber ſein Verfahren, inſofern er ſelb- ſtaͤndig gegen die Verfaſſung handelt, zu verantworten. Iſt dem Staate gegeben was des Staates iſt, ſo darf dann, außer der Klage auf Entſchaͤdigung, auch die cri- minelle Verfolgung ihren Weg gehen und keineswegs von einer zuvor einzuholenden Erlaubniß der hoͤchſten Behoͤrde abhaͤngig gemacht werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0265" n="253"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Von den Staatsbeamten</hi>.</fw><lb/> ſich ſelber. 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Von den Staatsbeamten.
ſich ſelber. Aber der Staat ſehe auch wohl zu, wie er
ſich ſelber ſchuͤtze vor dem Beamten, deſſen Untreue oder
Nachlaͤſſigkeit in anvertrauten Geldern, Hypotheken und
wie vielen beſonderen Faͤllen entweder durch den Staat gut-
gemacht werden muß, oder wenn der Staat dieſe Verbind-
lichkeit von ſich abwaͤlzt und allein oder doch zunaͤchſt den
Schuldigen vorſchiebt, die wohlthaͤtigſten Staatsanſtalten
in einen Zuwachs von Laſten verwandelt. Darum bedarf
der Staat ſelber der lebendigen Controle der Beamten
durch die oͤffentliche Meinung, durch ungehinderte Beſchwer-
defuͤhrung, und wenn gleich Widerſtand gegen oͤffentliche
Beamte nie geſetzmaͤßig ſeyn darf, wie in England, ſo
iſt es von der andern Seite mit buͤrgerlicher Freiheit un-
vereinbar alle Verantwortlichkeit bloß auf die Staatsmi-
niſter zu concentriren. Das ſubalterne Werkzeug ſey un-
verantwortlich in politiſchen Dingen; bei buͤrgerlichen Ver-
brechen, in der Amtsverrichtung begangen, werden die Ge-
richte es zu finden wiſſen; allein wem ein ſelbſtaͤndiges
Gebiet bleibt, der hat freilich nicht die Befehle ſeiner
Oberen, (welche er allein auf eigene Gefahr unausgefuͤhrt
laſſen darf,) wohl aber ſein Verfahren, inſofern er ſelb-
ſtaͤndig gegen die Verfaſſung handelt, zu verantworten.
Iſt dem Staate gegeben was des Staates iſt, ſo darf
dann, außer der Klage auf Entſchaͤdigung, auch die cri-
minelle Verfolgung ihren Weg gehen und keineswegs von
einer zuvor einzuholenden Erlaubniß der hoͤchſten Behoͤrde
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