Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Erstes Capitel. Überzeugung, daß der Zustand des Gemeinwesens bis aufdas Maas der Fähigkeiten des jedesmahligen Herrschers herabgesunken sey. Und wo bleibt die gesetzliche Ordnung, wenn ein Zufall die Fähigkeit zu Herrschen ganz hinweg- nähme? 3) Der unumschränkte Herrscher ist auch minder mächtig als der beschränkte, weil er nichts über seinen Tod hinaus verfügen kann. 4) Dagegen wird er leicht Macht in denjenigen Gebieten üben wollen, welche nicht beherrsch- bar sind, in Religion und Wissenschaft, in Familienrechte, in die selbst aufgestellte Regel der Gesetze eingreifen. "Soll derohalben auch der König allein die höchste Macht und§. 3. des Dänischen Königsgesetzes. 22. Die Aristokratie ist darin der Monarchie ver- Erſtes Capitel. Überzeugung, daß der Zuſtand des Gemeinweſens bis aufdas Maas der Faͤhigkeiten des jedesmahligen Herrſchers herabgeſunken ſey. Und wo bleibt die geſetzliche Ordnung, wenn ein Zufall die Faͤhigkeit zu Herrſchen ganz hinweg- naͤhme? 3) Der unumſchraͤnkte Herrſcher iſt auch minder maͤchtig als der beſchraͤnkte, weil er nichts uͤber ſeinen Tod hinaus verfuͤgen kann. 4) Dagegen wird er leicht Macht in denjenigen Gebieten uͤben wollen, welche nicht beherrſch- bar ſind, in Religion und Wiſſenſchaft, in Familienrechte, in die ſelbſt aufgeſtellte Regel der Geſetze eingreifen. „Soll derohalben auch der Koͤnig allein die hoͤchſte Macht und§. 3. des Daͤniſchen Koͤnigsgeſetzes. 22. Die Ariſtokratie iſt darin der Monarchie ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0028" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> Überzeugung, daß der Zuſtand des Gemeinweſens bis auf<lb/> das Maas der Faͤhigkeiten des jedesmahligen Herrſchers<lb/> herabgeſunken ſey. Und wo bleibt die geſetzliche Ordnung,<lb/> wenn ein Zufall die Faͤhigkeit zu Herrſchen ganz hinweg-<lb/> naͤhme? 3) Der unumſchraͤnkte Herrſcher iſt auch minder<lb/> maͤchtig als der beſchraͤnkte, weil er nichts uͤber ſeinen Tod<lb/> hinaus verfuͤgen kann. 4) Dagegen wird er leicht Macht<lb/> in denjenigen Gebieten uͤben wollen, welche nicht beherrſch-<lb/> bar ſind, in Religion und Wiſſenſchaft, in Familienrechte,<lb/> in die ſelbſt aufgeſtellte Regel der Geſetze eingreifen.</p><lb/> <cit rendition="#et"> <quote>„Soll derohalben auch der Koͤnig allein die hoͤchſte Macht und<lb/> Gewalt haben, Geſetze und Verordnungen nach ſeinem eignen<lb/> guten Willen und Wohlgefallen zu geben, wie auch fruͤhere von<lb/> ihm ſelber oder ſeinen Vorvaͤtern gegebene Geſetze zu erklaͤren,<lb/> veraͤndern, vermehren, vermindern, ja auch voͤllig aufzuheben<lb/> (dieſes Koͤnigsgeſetz allein ausgenommen, welches als der rechte<lb/> Grund und das Grundgeſetz des Koͤnigthums allerdings unver-<lb/> aͤnderlich und unerſchuͤttert bleiben muß), imgleichen was und<lb/> wen ihm gefaͤllt, aus der allgemeinen Vorſchrift des Geſetzes<lb/> auszunehmen.“ </quote> <bibl>§. 3. <hi rendition="#g">des Daͤniſchen Koͤnigsgeſetzes</hi>.</bibl> </cit><lb/> <p>22. Die <hi rendition="#g">Ariſtokratie</hi> iſt darin der Monarchie ver-<lb/> wandt, daß beide Regierungsformen von einer Ungleichheit<lb/> unter den Mitgliedern des Staates ausgehen, die Demo-<lb/> kratie dagegen von einer Gleichheit. Darin aber iſt ſie<lb/> der Demokratie verwandt, daß die in ihr regieren zugleich<lb/> gehorchen, ſo jedoch, daß die große Mehrzahl der Bevoͤlke-<lb/> rung bloß zu gehorchen hat. Die Ariſtokratie iſt viel-<lb/> geſtaltig. Ihre mildeſte Herrſchaft uͤbt ſie in der Form<lb/> der Theokratie, inſofern ſie keinen Widerſtand findet; denn<lb/> ſie kann alle weltlichen Gegenſaͤtze im Staatsleben dulden,<lb/> ohne einen einzigen, auf ſich bezogen, anzuerkennen. Als<lb/> Organ der Gottheit handelnd, mithin, wie hoch ſie ſtehe,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0028]
Erſtes Capitel.
Überzeugung, daß der Zuſtand des Gemeinweſens bis auf
das Maas der Faͤhigkeiten des jedesmahligen Herrſchers
herabgeſunken ſey. Und wo bleibt die geſetzliche Ordnung,
wenn ein Zufall die Faͤhigkeit zu Herrſchen ganz hinweg-
naͤhme? 3) Der unumſchraͤnkte Herrſcher iſt auch minder
maͤchtig als der beſchraͤnkte, weil er nichts uͤber ſeinen Tod
hinaus verfuͤgen kann. 4) Dagegen wird er leicht Macht
in denjenigen Gebieten uͤben wollen, welche nicht beherrſch-
bar ſind, in Religion und Wiſſenſchaft, in Familienrechte,
in die ſelbſt aufgeſtellte Regel der Geſetze eingreifen.
„Soll derohalben auch der Koͤnig allein die hoͤchſte Macht und
Gewalt haben, Geſetze und Verordnungen nach ſeinem eignen
guten Willen und Wohlgefallen zu geben, wie auch fruͤhere von
ihm ſelber oder ſeinen Vorvaͤtern gegebene Geſetze zu erklaͤren,
veraͤndern, vermehren, vermindern, ja auch voͤllig aufzuheben
(dieſes Koͤnigsgeſetz allein ausgenommen, welches als der rechte
Grund und das Grundgeſetz des Koͤnigthums allerdings unver-
aͤnderlich und unerſchuͤttert bleiben muß), imgleichen was und
wen ihm gefaͤllt, aus der allgemeinen Vorſchrift des Geſetzes
auszunehmen.“ §. 3. des Daͤniſchen Koͤnigsgeſetzes.
22. Die Ariſtokratie iſt darin der Monarchie ver-
wandt, daß beide Regierungsformen von einer Ungleichheit
unter den Mitgliedern des Staates ausgehen, die Demo-
kratie dagegen von einer Gleichheit. Darin aber iſt ſie
der Demokratie verwandt, daß die in ihr regieren zugleich
gehorchen, ſo jedoch, daß die große Mehrzahl der Bevoͤlke-
rung bloß zu gehorchen hat. Die Ariſtokratie iſt viel-
geſtaltig. Ihre mildeſte Herrſchaft uͤbt ſie in der Form
der Theokratie, inſofern ſie keinen Widerſtand findet; denn
ſie kann alle weltlichen Gegenſaͤtze im Staatsleben dulden,
ohne einen einzigen, auf ſich bezogen, anzuerkennen. Als
Organ der Gottheit handelnd, mithin, wie hoch ſie ſtehe,
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