Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Fortbildung der Staatsbürger.
sicherstellen lasse, auch verspricht er diesen Beweis, hat ihn
zum zweiten und zum dritten Mahle versprochen, und ist
ihn bis an sein Ende schuldig geblieben und auch keiner
seiner Fortsetzer hat diese Fortsetzung geliefert.

1) Wiener Jahrbücher der Literatur B. I. 1818. in einer Abhand-
lung: Preßfreiheit in England.

Dem Allen ist nun so und dennoch kann ein Freund
des Vaterlandes im Interesse der Freiheit rathen, daß die
Deutschen Staaten, von denen es hier sich handelt, lieber
fortfahren mögen den breitgetretenen Weg der Censur zu ge-
hen, als demnächst die Versuche wiederholen, sich durch Preß-
gesetze den stolzeren Pfad zu bahnen. Wie die Deutschen
Dinge neubegründet in nicht sorgloser Jugend stehen, muß
sich die Forderung des Selbstgefühls der Erhaltung des
Guten, welches wir noch besitzen, unterordnen. Ein Preß-
gesetz, welches den Ansprüchen der Theorie entspräche,
würde den Widerspruch der Deutschen Großmächte, würde
Europäischen Widerspruch finden, hat ihn schon gefunden.
Eben so gewiß wie der Jüngling keine Meinung hat in
der Gesellschaft von Männern, eben so sicher giebt dem
Staate seine Macht das Maas seiner freien Meinung in
der Staatengesellschaft. Ein Preßgesetz, wie man es haben
kann, schmeichelt mit einer Freiheit, die es doch nicht ge-
währt. Censur für auswärtige Angelegenheiten, Preßfrei-
heit für die innern ist als leitender Grundsatz für jede Re-
gierung löblich, aber als Gesetzvorschrift sehr leicht zwar
auf dem Papiere, allein in der Staatspraxis durchaus
nicht durchführbar. Kein wichtiger Gegenstand des Ge-
meinwesens, selbst der Wissenschaft, der sich nicht wie ein
Handschuh leicht umkehren ließe. Eine Bahn des unauf-
hörlichen Streites wird eröffnet, unaufhörliche Einflüste-
rungen, auf diesem Streite fußend, verdächtigen auch den

20*

Von der Fortbildung der Staatsbuͤrger.
ſicherſtellen laſſe, auch verſpricht er dieſen Beweis, hat ihn
zum zweiten und zum dritten Mahle verſprochen, und iſt
ihn bis an ſein Ende ſchuldig geblieben und auch keiner
ſeiner Fortſetzer hat dieſe Fortſetzung geliefert.

1) Wiener Jahrbuͤcher der Literatur B. I. 1818. in einer Abhand-
lung: Preßfreiheit in England.

Dem Allen iſt nun ſo und dennoch kann ein Freund
des Vaterlandes im Intereſſe der Freiheit rathen, daß die
Deutſchen Staaten, von denen es hier ſich handelt, lieber
fortfahren moͤgen den breitgetretenen Weg der Cenſur zu ge-
hen, als demnaͤchſt die Verſuche wiederholen, ſich durch Preß-
geſetze den ſtolzeren Pfad zu bahnen. Wie die Deutſchen
Dinge neubegruͤndet in nicht ſorgloſer Jugend ſtehen, muß
ſich die Forderung des Selbſtgefuͤhls der Erhaltung des
Guten, welches wir noch beſitzen, unterordnen. Ein Preß-
geſetz, welches den Anſpruͤchen der Theorie entſpraͤche,
wuͤrde den Widerſpruch der Deutſchen Großmaͤchte, wuͤrde
Europaͤiſchen Widerſpruch finden, hat ihn ſchon gefunden.
Eben ſo gewiß wie der Juͤngling keine Meinung hat in
der Geſellſchaft von Maͤnnern, eben ſo ſicher giebt dem
Staate ſeine Macht das Maas ſeiner freien Meinung in
der Staatengeſellſchaft. Ein Preßgeſetz, wie man es haben
kann, ſchmeichelt mit einer Freiheit, die es doch nicht ge-
waͤhrt. Cenſur fuͤr auswaͤrtige Angelegenheiten, Preßfrei-
heit fuͤr die innern iſt als leitender Grundſatz fuͤr jede Re-
gierung loͤblich, aber als Geſetzvorſchrift ſehr leicht zwar
auf dem Papiere, allein in der Staatspraxis durchaus
nicht durchfuͤhrbar. Kein wichtiger Gegenſtand des Ge-
meinweſens, ſelbſt der Wiſſenſchaft, der ſich nicht wie ein
Handſchuh leicht umkehren ließe. Eine Bahn des unauf-
hoͤrlichen Streites wird eroͤffnet, unaufhoͤrliche Einfluͤſte-
rungen, auf dieſem Streite fußend, verdaͤchtigen auch den

20*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0319" n="307"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Von der Fortbildung der Staatsbu&#x0364;rger</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;icher&#x017F;tellen la&#x017F;&#x017F;e, auch ver&#x017F;pricht er die&#x017F;en Beweis, hat ihn<lb/>
zum zweiten und zum dritten Mahle ver&#x017F;prochen, und i&#x017F;t<lb/>
ihn bis an &#x017F;ein Ende &#x017F;chuldig geblieben und auch keiner<lb/>
&#x017F;einer Fort&#x017F;etzer hat die&#x017F;e Fort&#x017F;etzung geliefert.</p><lb/>
                <note place="end" n="1)">Wiener Jahrbu&#x0364;cher der Literatur B. <hi rendition="#aq">I.</hi> 1818. in einer Abhand-<lb/><choice><sic>lnng</sic><corr>lung</corr></choice>: <hi rendition="#g">Preßfreiheit in England</hi>.</note><lb/>
                <p>Dem Allen i&#x017F;t nun &#x017F;o und dennoch kann ein Freund<lb/>
des Vaterlandes im Intere&#x017F;&#x017F;e der Freiheit rathen, daß die<lb/>
Deut&#x017F;chen Staaten, von denen es hier &#x017F;ich handelt, lieber<lb/>
fortfahren mo&#x0364;gen den breitgetretenen Weg der Cen&#x017F;ur zu ge-<lb/>
hen, als demna&#x0364;ch&#x017F;t die Ver&#x017F;uche wiederholen, &#x017F;ich durch Preß-<lb/>
ge&#x017F;etze den &#x017F;tolzeren Pfad zu bahnen. Wie die Deut&#x017F;chen<lb/>
Dinge neubegru&#x0364;ndet in nicht &#x017F;orglo&#x017F;er Jugend &#x017F;tehen, muß<lb/>
&#x017F;ich die Forderung des Selb&#x017F;tgefu&#x0364;hls der Erhaltung des<lb/>
Guten, welches wir noch be&#x017F;itzen, unterordnen. Ein Preß-<lb/>
ge&#x017F;etz, welches den An&#x017F;pru&#x0364;chen der Theorie ent&#x017F;pra&#x0364;che,<lb/>
wu&#x0364;rde den Wider&#x017F;pruch der Deut&#x017F;chen Großma&#x0364;chte, wu&#x0364;rde<lb/>
Europa&#x0364;i&#x017F;chen Wider&#x017F;pruch finden, hat ihn &#x017F;chon gefunden.<lb/>
Eben &#x017F;o gewiß wie der Ju&#x0364;ngling keine Meinung hat in<lb/>
der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von Ma&#x0364;nnern, eben &#x017F;o &#x017F;icher giebt dem<lb/>
Staate &#x017F;eine Macht das Maas &#x017F;einer freien Meinung in<lb/>
der Staatenge&#x017F;ell&#x017F;chaft. Ein Preßge&#x017F;etz, wie man es haben<lb/>
kann, &#x017F;chmeichelt mit einer Freiheit, die es doch nicht ge-<lb/>
wa&#x0364;hrt. Cen&#x017F;ur fu&#x0364;r auswa&#x0364;rtige Angelegenheiten, Preßfrei-<lb/>
heit fu&#x0364;r die innern i&#x017F;t als leitender Grund&#x017F;atz fu&#x0364;r jede Re-<lb/>
gierung lo&#x0364;blich, aber als Ge&#x017F;etzvor&#x017F;chrift &#x017F;ehr leicht zwar<lb/>
auf dem Papiere, allein in der Staatspraxis durchaus<lb/>
nicht durchfu&#x0364;hrbar. Kein wichtiger Gegen&#x017F;tand des Ge-<lb/>
meinwe&#x017F;ens, &#x017F;elb&#x017F;t der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, der &#x017F;ich nicht wie ein<lb/>
Hand&#x017F;chuh leicht umkehren ließe. Eine Bahn des unauf-<lb/>
ho&#x0364;rlichen Streites wird ero&#x0364;ffnet, unaufho&#x0364;rliche Einflu&#x0364;&#x017F;te-<lb/>
rungen, auf die&#x017F;em Streite fußend, verda&#x0364;chtigen auch den<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">20*</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0319] Von der Fortbildung der Staatsbuͤrger. ſicherſtellen laſſe, auch verſpricht er dieſen Beweis, hat ihn zum zweiten und zum dritten Mahle verſprochen, und iſt ihn bis an ſein Ende ſchuldig geblieben und auch keiner ſeiner Fortſetzer hat dieſe Fortſetzung geliefert. ¹⁾ Wiener Jahrbuͤcher der Literatur B. I. 1818. in einer Abhand- lung: Preßfreiheit in England. Dem Allen iſt nun ſo und dennoch kann ein Freund des Vaterlandes im Intereſſe der Freiheit rathen, daß die Deutſchen Staaten, von denen es hier ſich handelt, lieber fortfahren moͤgen den breitgetretenen Weg der Cenſur zu ge- hen, als demnaͤchſt die Verſuche wiederholen, ſich durch Preß- geſetze den ſtolzeren Pfad zu bahnen. Wie die Deutſchen Dinge neubegruͤndet in nicht ſorgloſer Jugend ſtehen, muß ſich die Forderung des Selbſtgefuͤhls der Erhaltung des Guten, welches wir noch beſitzen, unterordnen. Ein Preß- geſetz, welches den Anſpruͤchen der Theorie entſpraͤche, wuͤrde den Widerſpruch der Deutſchen Großmaͤchte, wuͤrde Europaͤiſchen Widerſpruch finden, hat ihn ſchon gefunden. Eben ſo gewiß wie der Juͤngling keine Meinung hat in der Geſellſchaft von Maͤnnern, eben ſo ſicher giebt dem Staate ſeine Macht das Maas ſeiner freien Meinung in der Staatengeſellſchaft. Ein Preßgeſetz, wie man es haben kann, ſchmeichelt mit einer Freiheit, die es doch nicht ge- waͤhrt. Cenſur fuͤr auswaͤrtige Angelegenheiten, Preßfrei- heit fuͤr die innern iſt als leitender Grundſatz fuͤr jede Re- gierung loͤblich, aber als Geſetzvorſchrift ſehr leicht zwar auf dem Papiere, allein in der Staatspraxis durchaus nicht durchfuͤhrbar. Kein wichtiger Gegenſtand des Ge- meinweſens, ſelbſt der Wiſſenſchaft, der ſich nicht wie ein Handſchuh leicht umkehren ließe. Eine Bahn des unauf- hoͤrlichen Streites wird eroͤffnet, unaufhoͤrliche Einfluͤſte- rungen, auf dieſem Streite fußend, verdaͤchtigen auch den 20*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/319
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/319>, abgerufen am 24.11.2024.