Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Sechzehntes Capitel. doch, wenn er gegen die von der Mehrzahl beliebten Ge-setze sich vergeht, eben so bestraft, als ob er das Gesetz mitbewilligt hätte. So weit Möser; und Rehberg ist in späteren Tagen nicht allein Mösern beigetreten, sondern urtheilt selbst, daß dieser nicht genug gethan habe, wie denn Möser wirklich als guter Erzähler innerhalb seines Gleich- nisses auf nordamerikanischem Boden geblieben ist. Reh- berg spricht für den Staat das Recht an, solche religiöse Vereine, deren Grundsätze und Meinungen für verderblich erklärt sind, auszuschließen; auch dürfe keiner als vollkom- mener Wildfang leben, und seine Kinder so aufwachsen lassen. Jeder muß für die Erziehung derselben Gewähr leisten und hier sind bloß ausschließende Ordnungen nicht einmahl hinlänglich. Einiges Positive muß gelehrt wer- den. Wie viel aber, ist aus der eigenthümlichen Denkart jedes Volks, mithin dem besondern Staatsrechte zu ent- scheiden. Mösers vermischte Schriften B. I. Rehbergs sämmtliche Schriften B. I. Allgemeine Toleranz. 294. So nun ist es in der That. Der Staat Nicht beherrscht werden von der Kirche. Es würde Sechzehntes Capitel. doch, wenn er gegen die von der Mehrzahl beliebten Ge-ſetze ſich vergeht, eben ſo beſtraft, als ob er das Geſetz mitbewilligt haͤtte. So weit Moͤſer; und Rehberg iſt in ſpaͤteren Tagen nicht allein Moͤſern beigetreten, ſondern urtheilt ſelbſt, daß dieſer nicht genug gethan habe, wie denn Moͤſer wirklich als guter Erzaͤhler innerhalb ſeines Gleich- niſſes auf nordamerikaniſchem Boden geblieben iſt. Reh- berg ſpricht fuͤr den Staat das Recht an, ſolche religioͤſe Vereine, deren Grundſaͤtze und Meinungen fuͤr verderblich erklaͤrt ſind, auszuſchließen; auch duͤrfe keiner als vollkom- mener Wildfang leben, und ſeine Kinder ſo aufwachſen laſſen. Jeder muß fuͤr die Erziehung derſelben Gewaͤhr leiſten und hier ſind bloß ausſchließende Ordnungen nicht einmahl hinlaͤnglich. Einiges Poſitive muß gelehrt wer- den. Wie viel aber, iſt aus der eigenthuͤmlichen Denkart jedes Volks, mithin dem beſondern Staatsrechte zu ent- ſcheiden. Moͤſers vermiſchte Schriften B. I. Rehbergs ſaͤmmtliche Schriften B. I. Allgemeine Toleranz. 294. So nun iſt es in der That. Der Staat Nicht beherrſcht werden von der Kirche. Es wuͤrde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0330" n="318"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechzehntes Capitel</hi>.</fw><lb/> doch, wenn er gegen die von der Mehrzahl beliebten Ge-<lb/> ſetze ſich vergeht, eben ſo beſtraft, als ob er das Geſetz<lb/> mitbewilligt haͤtte. So weit Moͤſer; und Rehberg iſt in<lb/> ſpaͤteren Tagen nicht allein Moͤſern beigetreten, ſondern<lb/> urtheilt ſelbſt, daß dieſer nicht genug gethan habe, wie denn<lb/> Moͤſer wirklich als guter Erzaͤhler innerhalb ſeines Gleich-<lb/> niſſes auf nordamerikaniſchem Boden geblieben iſt. Reh-<lb/> berg ſpricht fuͤr den Staat das Recht an, ſolche religioͤſe<lb/> Vereine, deren Grundſaͤtze und Meinungen fuͤr verderblich<lb/> erklaͤrt ſind, auszuſchließen; auch duͤrfe keiner als vollkom-<lb/> mener Wildfang leben, und ſeine Kinder ſo aufwachſen<lb/> laſſen. Jeder muß fuͤr die Erziehung derſelben Gewaͤhr<lb/> leiſten und hier ſind bloß ausſchließende Ordnungen nicht<lb/> einmahl hinlaͤnglich. Einiges Poſitive muß gelehrt wer-<lb/> den. Wie viel aber, iſt aus der eigenthuͤmlichen Denkart<lb/> jedes Volks, mithin dem beſondern Staatsrechte zu ent-<lb/> ſcheiden.</p><lb/> <p> <bibl> <hi rendition="#et">Moͤſers vermiſchte Schriften B. <hi rendition="#aq">I.</hi></hi> </bibl> </p><lb/> <p> <bibl> <hi rendition="#et">Rehbergs ſaͤmmtliche Schriften B. <hi rendition="#aq">I.</hi> Allgemeine Toleranz.</hi> </bibl> </p><lb/> <p>294. So nun iſt es in der That. <hi rendition="#g">Der Staat<lb/> darf nicht beherrſcht werden von der Kirche,<lb/> aber er darf auch nicht herrſchen zum Nachtheile<lb/> des religioͤſen Lebens</hi>.</p><lb/> <p>Nicht beherrſcht werden von der Kirche. Es wuͤrde<lb/> wenig Kenntniß der Religionsgeſchichte verrathen, wenn<lb/> jemand meinte, die Staatsordnung duͤrfe darum laxer ſeyn,<lb/> weil unſere Europaͤiſchen Staaten doch faſt allein mit<lb/> Chriſtlichen Secten in Beruͤhrung kommen. Aber ſelbſt<lb/> unſer Zeitalter hat Poͤſchelianer geſehen, die fuͤr ihren Glau-<lb/> ben Mitmenſchen toͤdteten, hat Gemeinſchaft der Guͤter<lb/> und der Weiber geſehen, die ſich Chriſtenthum nannte.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [318/0330]
Sechzehntes Capitel.
doch, wenn er gegen die von der Mehrzahl beliebten Ge-
ſetze ſich vergeht, eben ſo beſtraft, als ob er das Geſetz
mitbewilligt haͤtte. So weit Moͤſer; und Rehberg iſt in
ſpaͤteren Tagen nicht allein Moͤſern beigetreten, ſondern
urtheilt ſelbſt, daß dieſer nicht genug gethan habe, wie denn
Moͤſer wirklich als guter Erzaͤhler innerhalb ſeines Gleich-
niſſes auf nordamerikaniſchem Boden geblieben iſt. Reh-
berg ſpricht fuͤr den Staat das Recht an, ſolche religioͤſe
Vereine, deren Grundſaͤtze und Meinungen fuͤr verderblich
erklaͤrt ſind, auszuſchließen; auch duͤrfe keiner als vollkom-
mener Wildfang leben, und ſeine Kinder ſo aufwachſen
laſſen. Jeder muß fuͤr die Erziehung derſelben Gewaͤhr
leiſten und hier ſind bloß ausſchließende Ordnungen nicht
einmahl hinlaͤnglich. Einiges Poſitive muß gelehrt wer-
den. Wie viel aber, iſt aus der eigenthuͤmlichen Denkart
jedes Volks, mithin dem beſondern Staatsrechte zu ent-
ſcheiden.
Moͤſers vermiſchte Schriften B. I.
Rehbergs ſaͤmmtliche Schriften B. I. Allgemeine Toleranz.
294. So nun iſt es in der That. Der Staat
darf nicht beherrſcht werden von der Kirche,
aber er darf auch nicht herrſchen zum Nachtheile
des religioͤſen Lebens.
Nicht beherrſcht werden von der Kirche. Es wuͤrde
wenig Kenntniß der Religionsgeſchichte verrathen, wenn
jemand meinte, die Staatsordnung duͤrfe darum laxer ſeyn,
weil unſere Europaͤiſchen Staaten doch faſt allein mit
Chriſtlichen Secten in Beruͤhrung kommen. Aber ſelbſt
unſer Zeitalter hat Poͤſchelianer geſehen, die fuͤr ihren Glau-
ben Mitmenſchen toͤdteten, hat Gemeinſchaft der Guͤter
und der Weiber geſehen, die ſich Chriſtenthum nannte.
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