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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Sechzehntes Capitel.
evangelische Landesherr die volle Kirchengewalt hat, da
wird von Geistlichen und Laien, die der Landesherr aus-
wählt, je nachdem der Landesherr es anordnet, in kirchli-
chen Dingen entweder bloß berathen, oder nach Instruction
entschieden.

*) S. bei Eichhorn Kirchenr. I, 728 ff. die Instruction für die Pro-
vincial-Consistorien v. 1817, so auch die für die Regierungen von
demselben Jahre.

296. Diese Verfassung wird für den gewöhnlichen
Gang der Dinge ausreichen, insofern die monarchische Kir-
chengewalt den Grundsätzen jeder Kirche getreu und leben-
dig nachkommt, den Kirchenvorständen der einzelnen Ge-
meinden einen gehörigen Antheil an der Verwaltung des
kirchlichen Vermögens gestattet und nicht etwa einer begün-
stigten Confession zuwendet was sie der anderen entzieht.
Aber wenn Veraltung eintritt, wenn vielleicht ein neues
Gesangbuch, eine neue Liturgie einzuführen, vielleicht gar
eine Union von Lutheranern und Reformirten zu begrün-
den ist, kurz wenn in der Kirche etwas zu schaffen ist,
dann offenbart sich die Unvollkommenheit der Verfassung,
welche zu der Kirchenhoheit auch die gesammte Kirchenge-
walt allein in landesherrliche Hände niederlegt. Landesherr
und Consistorium, auch selbst durch Notabeln, die wieder der
Landesherr ernennt, erweiterte Consistorien können keine
Kirchengesetze begründen, ohne Gefahr zu laufen, mit der
Gemeinde der Gläubigen in Widerspruch zu gerathen. In
diesem Falle bieten sich zwei Wege dar: Entweder, die Re-
gierung verzichtet auf das unmittelbare Schaffen, stellt ihre
kirchlichen Arbeiten, gleich Rechtsbüchern, auf, unterstützt
sie mit aller ihr zur Gebote stehenden Kraft der Einsicht,
übrigens ihr Schicksal der öffentlichen Meinung vertrauend,
die sie zur allmähligen Annahme durch freie Verständigung

Sechzehntes Capitel.
evangeliſche Landesherr die volle Kirchengewalt hat, da
wird von Geiſtlichen und Laien, die der Landesherr aus-
waͤhlt, je nachdem der Landesherr es anordnet, in kirchli-
chen Dingen entweder bloß berathen, oder nach Inſtruction
entſchieden.

*) S. bei Eichhorn Kirchenr. I, 728 ff. die Inſtruction fuͤr die Pro-
vincial-Conſiſtorien v. 1817, ſo auch die fuͤr die Regierungen von
demſelben Jahre.

296. Dieſe Verfaſſung wird fuͤr den gewoͤhnlichen
Gang der Dinge ausreichen, inſofern die monarchiſche Kir-
chengewalt den Grundſaͤtzen jeder Kirche getreu und leben-
dig nachkommt, den Kirchenvorſtaͤnden der einzelnen Ge-
meinden einen gehoͤrigen Antheil an der Verwaltung des
kirchlichen Vermoͤgens geſtattet und nicht etwa einer beguͤn-
ſtigten Confeſſion zuwendet was ſie der anderen entzieht.
Aber wenn Veraltung eintritt, wenn vielleicht ein neues
Geſangbuch, eine neue Liturgie einzufuͤhren, vielleicht gar
eine Union von Lutheranern und Reformirten zu begruͤn-
den iſt, kurz wenn in der Kirche etwas zu ſchaffen iſt,
dann offenbart ſich die Unvollkommenheit der Verfaſſung,
welche zu der Kirchenhoheit auch die geſammte Kirchenge-
walt allein in landesherrliche Haͤnde niederlegt. Landesherr
und Conſiſtorium, auch ſelbſt durch Notabeln, die wieder der
Landesherr ernennt, erweiterte Conſiſtorien koͤnnen keine
Kirchengeſetze begruͤnden, ohne Gefahr zu laufen, mit der
Gemeinde der Glaͤubigen in Widerſpruch zu gerathen. In
dieſem Falle bieten ſich zwei Wege dar: Entweder, die Re-
gierung verzichtet auf das unmittelbare Schaffen, ſtellt ihre
kirchlichen Arbeiten, gleich Rechtsbuͤchern, auf, unterſtuͤtzt
ſie mit aller ihr zur Gebote ſtehenden Kraft der Einſicht,
uͤbrigens ihr Schickſal der oͤffentlichen Meinung vertrauend,
die ſie zur allmaͤhligen Annahme durch freie Verſtaͤndigung

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[324/0336] Sechzehntes Capitel. evangeliſche Landesherr die volle Kirchengewalt hat, da wird von Geiſtlichen und Laien, die der Landesherr aus- waͤhlt, je nachdem der Landesherr es anordnet, in kirchli- chen Dingen entweder bloß berathen, oder nach Inſtruction entſchieden. *⁾ S. bei Eichhorn Kirchenr. I, 728 ff. die Inſtruction fuͤr die Pro- vincial-Conſiſtorien v. 1817, ſo auch die fuͤr die Regierungen von demſelben Jahre. 296. Dieſe Verfaſſung wird fuͤr den gewoͤhnlichen Gang der Dinge ausreichen, inſofern die monarchiſche Kir- chengewalt den Grundſaͤtzen jeder Kirche getreu und leben- dig nachkommt, den Kirchenvorſtaͤnden der einzelnen Ge- meinden einen gehoͤrigen Antheil an der Verwaltung des kirchlichen Vermoͤgens geſtattet und nicht etwa einer beguͤn- ſtigten Confeſſion zuwendet was ſie der anderen entzieht. Aber wenn Veraltung eintritt, wenn vielleicht ein neues Geſangbuch, eine neue Liturgie einzufuͤhren, vielleicht gar eine Union von Lutheranern und Reformirten zu begruͤn- den iſt, kurz wenn in der Kirche etwas zu ſchaffen iſt, dann offenbart ſich die Unvollkommenheit der Verfaſſung, welche zu der Kirchenhoheit auch die geſammte Kirchenge- walt allein in landesherrliche Haͤnde niederlegt. Landesherr und Conſiſtorium, auch ſelbſt durch Notabeln, die wieder der Landesherr ernennt, erweiterte Conſiſtorien koͤnnen keine Kirchengeſetze begruͤnden, ohne Gefahr zu laufen, mit der Gemeinde der Glaͤubigen in Widerſpruch zu gerathen. In dieſem Falle bieten ſich zwei Wege dar: Entweder, die Re- gierung verzichtet auf das unmittelbare Schaffen, ſtellt ihre kirchlichen Arbeiten, gleich Rechtsbuͤchern, auf, unterſtuͤtzt ſie mit aller ihr zur Gebote ſtehenden Kraft der Einſicht, uͤbrigens ihr Schickſal der oͤffentlichen Meinung vertrauend, die ſie zur allmaͤhligen Annahme durch freie Verſtaͤndigung

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/336>, abgerufen am 21.11.2024.