Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Drittes Capitel. Freiheit von den wichtigsten Staatsleistungen vergönntward, dabei eigene Gerichtsbarkeit und Polizey und man- cherlei Lehnsherrlichkeit auf seinen Gütern; daneben unter Ludwig XV. die ausschließliche Hoffähigkeit; die Frau des Adlichen war nur dann hoffähig, wenn sie ebenfalls den Geburts-Adel nachwies. Der Vortritt des Adels zu den wichtigsten und einträglichen Staats-Ämtern und Sinecu- ren hatte längst factisch bestanden; Ludwig XVI. ließ sich überreden zu verordnen, daß alle höhere Officier-Stellen vom Capitain aufwärts dem Adel, alle größere Pfründen den jüngeren Söhnen des Adels vorbehalten seyn sollen. 77. Als nun die Finanznoth einen Reichstag hervor- 78. Man hat, als die heftigsten Stürme der Revolu- Drittes Capitel. Freiheit von den wichtigſten Staatsleiſtungen vergoͤnntward, dabei eigene Gerichtsbarkeit und Polizey und man- cherlei Lehnsherrlichkeit auf ſeinen Guͤtern; daneben unter Ludwig XV. die ausſchließliche Hoffaͤhigkeit; die Frau des Adlichen war nur dann hoffaͤhig, wenn ſie ebenfalls den Geburts-Adel nachwies. Der Vortritt des Adels zu den wichtigſten und eintraͤglichen Staats-Ämtern und Sinecu- ren hatte laͤngſt factiſch beſtanden; Ludwig XVI. ließ ſich uͤberreden zu verordnen, daß alle hoͤhere Officier-Stellen vom Capitain aufwaͤrts dem Adel, alle groͤßere Pfruͤnden den juͤngeren Soͤhnen des Adels vorbehalten ſeyn ſollen. 77. Als nun die Finanznoth einen Reichstag hervor- 78. Man hat, als die heftigſten Stuͤrme der Revolu- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0072" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/> Freiheit von den wichtigſten Staatsleiſtungen vergoͤnnt<lb/> ward, dabei eigene Gerichtsbarkeit und Polizey und man-<lb/> cherlei Lehnsherrlichkeit auf ſeinen Guͤtern; daneben unter<lb/> Ludwig <hi rendition="#aq">XV.</hi> die ausſchließliche Hoffaͤhigkeit; die Frau des<lb/> Adlichen war nur dann hoffaͤhig, wenn ſie ebenfalls den<lb/> Geburts-Adel nachwies. Der Vortritt des Adels zu den<lb/> wichtigſten und eintraͤglichen Staats-Ämtern und Sinecu-<lb/> ren hatte laͤngſt factiſch beſtanden; Ludwig <hi rendition="#aq">XVI.</hi> ließ ſich<lb/> uͤberreden zu verordnen, daß alle hoͤhere Officier-Stellen<lb/> vom Capitain aufwaͤrts dem Adel, alle groͤßere Pfruͤnden<lb/> den juͤngeren Soͤhnen des Adels vorbehalten ſeyn ſollen.</p><lb/> <p>77. Als nun die Finanznoth einen Reichstag hervor-<lb/> rief, der in die Formen von 1614. gekleidet und von dem<lb/> Geiſte der Nordamerikaniſchen Freiſtaaten erfuͤllt war, ſah<lb/> der Adel ſich dem dritten Stande nur als eine unter-<lb/> druͤckende, uͤbervortheilende Inſtitution bekannt, und als<lb/> die Haupturſache des oͤffentlichen Elends. Der dritte<lb/> Stand, von den ungeſtuͤmen Wuͤnſchen der Hauptſtadt<lb/> unterſtuͤtzt, erklaͤrte ſich ſelber fuͤr die Nation. Die Natio-<lb/> nal-Verſammlung hob alle Steuervorzuͤge, alle Feudal-<lb/> rechte ohne Entſchaͤdigung, und in der Nacht vom 4ten<lb/> auf den 5ten Auguſt 1789. den Adel ſelber auf.</p><lb/> <p>78. Man hat, als die heftigſten Stuͤrme der Revolu-<lb/> tion ausgetobt, den Adel durch einen Rath der Alten zu<lb/><hi rendition="#g">erſetzen</hi> geſucht, man hat, zur Monarchie zuruͤckgekehrt,<lb/> ihn <hi rendition="#g">wiederherſtellen</hi> wollen. Denn es iſt wider die<lb/> natuͤrlichſten Wuͤnſche des Koͤnigthums, als die einzige<lb/> erbliche Berechtigung dazuſtehen. Napoleon ſchuf einen<lb/> Majorats- und <hi rendition="#g">Ehren-Adel</hi>; ohne Feudal-Druck,<lb/> aber auch ohne politiſche Macht. Ludwig <hi rendition="#aq">XVIII.</hi> wollte<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0072]
Drittes Capitel.
Freiheit von den wichtigſten Staatsleiſtungen vergoͤnnt
ward, dabei eigene Gerichtsbarkeit und Polizey und man-
cherlei Lehnsherrlichkeit auf ſeinen Guͤtern; daneben unter
Ludwig XV. die ausſchließliche Hoffaͤhigkeit; die Frau des
Adlichen war nur dann hoffaͤhig, wenn ſie ebenfalls den
Geburts-Adel nachwies. Der Vortritt des Adels zu den
wichtigſten und eintraͤglichen Staats-Ämtern und Sinecu-
ren hatte laͤngſt factiſch beſtanden; Ludwig XVI. ließ ſich
uͤberreden zu verordnen, daß alle hoͤhere Officier-Stellen
vom Capitain aufwaͤrts dem Adel, alle groͤßere Pfruͤnden
den juͤngeren Soͤhnen des Adels vorbehalten ſeyn ſollen.
77. Als nun die Finanznoth einen Reichstag hervor-
rief, der in die Formen von 1614. gekleidet und von dem
Geiſte der Nordamerikaniſchen Freiſtaaten erfuͤllt war, ſah
der Adel ſich dem dritten Stande nur als eine unter-
druͤckende, uͤbervortheilende Inſtitution bekannt, und als
die Haupturſache des oͤffentlichen Elends. Der dritte
Stand, von den ungeſtuͤmen Wuͤnſchen der Hauptſtadt
unterſtuͤtzt, erklaͤrte ſich ſelber fuͤr die Nation. Die Natio-
nal-Verſammlung hob alle Steuervorzuͤge, alle Feudal-
rechte ohne Entſchaͤdigung, und in der Nacht vom 4ten
auf den 5ten Auguſt 1789. den Adel ſelber auf.
78. Man hat, als die heftigſten Stuͤrme der Revolu-
tion ausgetobt, den Adel durch einen Rath der Alten zu
erſetzen geſucht, man hat, zur Monarchie zuruͤckgekehrt,
ihn wiederherſtellen wollen. Denn es iſt wider die
natuͤrlichſten Wuͤnſche des Koͤnigthums, als die einzige
erbliche Berechtigung dazuſtehen. Napoleon ſchuf einen
Majorats- und Ehren-Adel; ohne Feudal-Druck,
aber auch ohne politiſche Macht. Ludwig XVIII. wollte
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