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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.

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Die Siebende
uns in dieses Jammerthal sich niedergelassen/ in unser armes Fleisch und
Blut sich gekleidet/ sein Fleisch und Blut für uns dahin gegeben/ sein
Fleisch und Blut im Sacrament zu geniessen geordnet/ sein Fleisch und
Blut empor und in Himmel erhoben/ daß wir mit ihm und durch ihn in
die allerholdseligste Vereinigung mit der hochgebenedeyten Dreyeinigkeit
gezogen und auffgenommen würden. Darumb er auch endlich schliesset:
Vater/ ich will/ daß/ wo ich bin/ auch die seyen/ die du mir ge-
geben hast/ daß sie meine Herrligkeit sehen.

Dieses ist der lebendigmachenden Gnade Gottes des Hei-
ligen Geistes
Natur/ Art und Eigenschafft/ so wird sie uns beschrieben/
davon Euer Liebe offt höret implicite und ins gemein/ aber selten expli-
cite,
klar und deutlich; und ist doch an diesem Verstand viel ja alles gele-
gen/ sehr nöthig zu wissen/ zu betrachten/ zu behalten und zu glauben theils
wider allerhand Jrrgeister/ welche eines Theils diese Gnade und den
freyen Willen des Menschen/ gleichsam als zwey Pferde/ die eine Last zie-
hen müssen/ unter ein Joch zusammen kuplen; die da eine vermischte Gna-
de lehren/ aus Gesetz und Evangelio und dem freyen Willen zusammen
geflochten und gewebet. Theils die/ welche so reichlich und überflüssig
angebottene Gnade restringiren/ particuliren und in die enge ziehen/
und den grösten Hauffen des menschlichen Geschlechts davon bloß auß-
schliessen/ gemeldte Göttliche Gnade so viel an ihnen ungleich machen/ und
unkräfftig halten/ bey den bloß-verworffenen/ hinwiederumb als wäre sie
unwiderstreblich bey den bloß-außerwehlten ertichten; auch die so genante
bloß-außerwehlten ausser aller Gefahr gäntzlichen Verlustes der Gnade
setzen/ so gar/ daß auch David mitten in der unkeuschen ehebrecherischen
Brunst/ Gottes Gnade und seinen Heiligen Geist solle behalten haben/
davon aber zu anderer Zeit/ geliebt es Gott/ in der antithesi und Gegen-
satz der falschen Lehr mit mehrerm.

Sind lauter monstra, greuliche und abscheuliche Lehren! Glauben/
sage ich/ soll man diese Gnade. Wahr ist es zwar/ die Gnade des
Heiligen Geistes ist nicht allezeit schein-offenbar und empfindlich/ das
Reich Gottes kommet nicht mit Empfindung; Mancher ist in der Welt
reich/ und weiß es nicht; Also manch angefochtenes Hertz hat den Schatz
des Heiligen Geistes und fühlet nichts; empfindet hingegen lauter Zorn
und Vngnade/ sihet lauter Sünd und Vngerechtigkeit/ ist voll Furcht und
Schrecken alles nach dem Fleisch/ aber unter des hat er den Geist warhaff-
Hiob. 3, 3.tig in sich wohnend: Dem lieben Job kam Gott für als ein grimmiger

und

Die Siebende
uns in dieſes Jammerthal ſich niedergelaſſen/ in unſer armes Fleiſch und
Blut ſich gekleidet/ ſein Fleiſch und Blut fuͤr uns dahin gegeben/ ſein
Fleiſch und Blut im Sacrament zu genieſſen geordnet/ ſein Fleiſch und
Blut empor und in Himmel erhoben/ daß wir mit ihm und durch ihn in
die allerholdſeligſte Vereinigung mit der hochgebenedeyten Dreyeinigkeit
gezogen und auffgenommen wuͤrden. Darumb er auch endlich ſchlieſſet:
Vater/ ich will/ daß/ wo ich bin/ auch die ſeyen/ die du mir ge-
geben haſt/ daß ſie meine Herrligkeit ſehen.

Dieſes iſt der lebendigmachenden Gnade Gottes des Hei-
ligen Geiſtes
Natur/ Art und Eigenſchafft/ ſo wird ſie uns beſchrieben/
davon Euer Liebe offt hoͤret implicitè und ins gemein/ aber ſelten expli-
citè,
klar und deutlich; und iſt doch an dieſem Verſtand viel ja alles gele-
gen/ ſehr noͤthig zu wiſſen/ zu betrachten/ zu behalten und zu glauben theils
wider allerhand Jrrgeiſter/ welche eines Theils dieſe Gnade und den
freyen Willen des Menſchen/ gleichſam als zwey Pferde/ die eine Laſt zie-
hen muͤſſen/ unter ein Joch zuſammen kuplen; die da eine vermiſchte Gna-
de lehren/ aus Geſetz und Evangelio und dem freyen Willen zuſammen
geflochten und gewebet. Theils die/ welche ſo reichlich und uͤberfluͤſſig
angebottene Gnade reſtringiren/ particuliren und in die enge ziehen/
und den groͤſten Hauffen des menſchlichen Geſchlechts davon bloß auß-
ſchlieſſen/ gemeldte Goͤttliche Gnade ſo viel an ihnen ungleich machen/ und
unkraͤfftig halten/ bey den bloß-verworffenen/ hinwiederumb als waͤre ſie
unwiderſtreblich bey den bloß-außerwehlten ertichten; auch die ſo genante
bloß-außerwehlten auſſer aller Gefahr gaͤntzlichen Verluſtes der Gnade
ſetzen/ ſo gar/ daß auch David mitten in der unkeuſchen ehebrecheriſchen
Brunſt/ Gottes Gnade und ſeinen Heiligen Geiſt ſolle behalten haben/
davon aber zu anderer Zeit/ geliebt es Gott/ in der antitheſi und Gegen-
ſatz der falſchen Lehr mit mehrerm.

Sind lauter monſtra, greuliche und abſcheuliche Lehren! Glauben/
ſage ich/ ſoll man dieſe Gnade. Wahr iſt es zwar/ die Gnade des
Heiligen Geiſtes iſt nicht allezeit ſchein-offenbar und empfindlich/ das
Reich Gottes kommet nicht mit Empfindung; Mancher iſt in der Welt
reich/ und weiß es nicht; Alſo manch angefochtenes Hertz hat den Schatz
des Heiligen Geiſtes und fuͤhlet nichts; empfindet hingegen lauter Zorn
und Vngnade/ ſihet lauter Suͤnd und Vngerechtigkeit/ iſt voll Furcht und
Schrecken alles nach dem Fleiſch/ aber unter des hat er den Geiſt warhaff-
Hiob. 3, 3.tig in ſich wohnend: Dem lieben Job kam Gott fuͤr als ein grimmiger

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[92/0124] Die Siebende uns in dieſes Jammerthal ſich niedergelaſſen/ in unſer armes Fleiſch und Blut ſich gekleidet/ ſein Fleiſch und Blut fuͤr uns dahin gegeben/ ſein Fleiſch und Blut im Sacrament zu genieſſen geordnet/ ſein Fleiſch und Blut empor und in Himmel erhoben/ daß wir mit ihm und durch ihn in die allerholdſeligſte Vereinigung mit der hochgebenedeyten Dreyeinigkeit gezogen und auffgenommen wuͤrden. Darumb er auch endlich ſchlieſſet: Vater/ ich will/ daß/ wo ich bin/ auch die ſeyen/ die du mir ge- geben haſt/ daß ſie meine Herrligkeit ſehen. Dieſes iſt der lebendigmachenden Gnade Gottes des Hei- ligen Geiſtes Natur/ Art und Eigenſchafft/ ſo wird ſie uns beſchrieben/ davon Euer Liebe offt hoͤret implicitè und ins gemein/ aber ſelten expli- citè, klar und deutlich; und iſt doch an dieſem Verſtand viel ja alles gele- gen/ ſehr noͤthig zu wiſſen/ zu betrachten/ zu behalten und zu glauben theils wider allerhand Jrrgeiſter/ welche eines Theils dieſe Gnade und den freyen Willen des Menſchen/ gleichſam als zwey Pferde/ die eine Laſt zie- hen muͤſſen/ unter ein Joch zuſammen kuplen; die da eine vermiſchte Gna- de lehren/ aus Geſetz und Evangelio und dem freyen Willen zuſammen geflochten und gewebet. Theils die/ welche ſo reichlich und uͤberfluͤſſig angebottene Gnade reſtringiren/ particuliren und in die enge ziehen/ und den groͤſten Hauffen des menſchlichen Geſchlechts davon bloß auß- ſchlieſſen/ gemeldte Goͤttliche Gnade ſo viel an ihnen ungleich machen/ und unkraͤfftig halten/ bey den bloß-verworffenen/ hinwiederumb als waͤre ſie unwiderſtreblich bey den bloß-außerwehlten ertichten; auch die ſo genante bloß-außerwehlten auſſer aller Gefahr gaͤntzlichen Verluſtes der Gnade ſetzen/ ſo gar/ daß auch David mitten in der unkeuſchen ehebrecheriſchen Brunſt/ Gottes Gnade und ſeinen Heiligen Geiſt ſolle behalten haben/ davon aber zu anderer Zeit/ geliebt es Gott/ in der antitheſi und Gegen- ſatz der falſchen Lehr mit mehrerm. Sind lauter monſtra, greuliche und abſcheuliche Lehren! Glauben/ ſage ich/ ſoll man dieſe Gnade. Wahr iſt es zwar/ die Gnade des Heiligen Geiſtes iſt nicht allezeit ſchein-offenbar und empfindlich/ das Reich Gottes kommet nicht mit Empfindung; Mancher iſt in der Welt reich/ und weiß es nicht; Alſo manch angefochtenes Hertz hat den Schatz des Heiligen Geiſtes und fuͤhlet nichts; empfindet hingegen lauter Zorn und Vngnade/ ſihet lauter Suͤnd und Vngerechtigkeit/ iſt voll Furcht und Schrecken alles nach dem Fleiſch/ aber unter des hat er den Geiſt warhaff- tig in ſich wohnend: Dem lieben Job kam Gott fuͤr als ein grimmiger und Hiob. 3, 3.

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus06_1657/124>, abgerufen am 21.11.2024.