Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.Die Drey und Funffzigste (Neundte) würde er geantwortet haben: Nur ein halbes Jahr. Was für Speisensind auffgetragen worden? Die allerniedlichsten/ Königliche Speisen/ aber nur ein halb Jahr. Was für Geträncke fürgesetzt? Der allerlieb- lichste Wein/ aber nur ein halb Jahr. Was für Trinck-Geschirr? wel- che Tische/ Bäncke? Köstliche und überköstliche/ aber wir sind nur ein hal- bes Jahr darauff gesessen. Was für eine Music ist gehalten worden? Die allersüsseste/ welche auch der Syrenen liebliche Gesänge übertrifft. Sind die Gäste auch frölich gewesen? Ey warumb nicht? aber es hat nur alles ein halb Jahr gewähret. Wann wir aber im Himmelreich werden unsern seeligen Stand ansehen/ wie lange? Vnsere Sicher- und Freyheit/ die Göttliche Anschauung/ unsere Kronen/ unsere himmlische Hochzeit- Freude/ wie lange wird diese währen? Biß in Ewigkeit; hundert Jahr ist noch kein Tag/ hundert tausend keine Stunde/ million tausend Jahr keine Minute. So verlassen wir demnach billich nugas nugarum, den Schein/ die * Hieron. in Ps. 89. confer Senecam ep. 101. Vbi fastus Cornelii Equitis wir
Die Drey und Funffzigſte (Neundte) wuͤrde er geantwortet haben: Nur ein halbes Jahr. Was fuͤr Speiſenſind auffgetragen worden? Die allerniedlichſten/ Koͤnigliche Speiſen/ aber nur ein halb Jahr. Was fuͤr Getraͤncke fuͤrgeſetzt? Der allerlieb- lichſte Wein/ aber nur ein halb Jahr. Was fuͤr Trinck-Geſchirr? wel- che Tiſche/ Baͤncke? Koͤſtliche und uͤberkoͤſtliche/ aber wir ſind nur ein hal- bes Jahr darauff geſeſſen. Was fuͤr eine Muſic iſt gehalten worden? Die allerſuͤſſeſte/ welche auch der Syrenen liebliche Geſaͤnge uͤbertrifft. Sind die Gaͤſte auch froͤlich geweſen? Ey warumb nicht? aber es hat nur alles ein halb Jahr gewaͤhret. Wann wir aber im Himmelreich werden unſern ſeeligen Stand anſehen/ wie lange? Vnſere Sicher- und Freyheit/ die Goͤttliche Anſchauung/ unſere Kronen/ unſere himmliſche Hochzeit- Freude/ wie lange wird dieſe waͤhren? Biß in Ewigkeit; hundert Jahr iſt noch kein Tag/ hundert tauſend keine Stunde/ million tauſend Jahr keine Minute. So verlaſſen wir demnach billich nugas nugarum, den Schein/ die * Hieron. in Pſ. 89. confer Senecam ep. 101. Vbi faſtus Cornelii Equitis wir
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Die Drey und Funffzigſte (Neundte)
wuͤrde er geantwortet haben: Nur ein halbes Jahr. Was fuͤr Speiſen
ſind auffgetragen worden? Die allerniedlichſten/ Koͤnigliche Speiſen/
aber nur ein halb Jahr. Was fuͤr Getraͤncke fuͤrgeſetzt? Der allerlieb-
lichſte Wein/ aber nur ein halb Jahr. Was fuͤr Trinck-Geſchirr? wel-
che Tiſche/ Baͤncke? Koͤſtliche und uͤberkoͤſtliche/ aber wir ſind nur ein hal-
bes Jahr darauff geſeſſen. Was fuͤr eine Muſic iſt gehalten worden?
Die allerſuͤſſeſte/ welche auch der Syrenen liebliche Geſaͤnge uͤbertrifft.
Sind die Gaͤſte auch froͤlich geweſen? Ey warumb nicht? aber es hat nur
alles ein halb Jahr gewaͤhret. Wann wir aber im Himmelreich werden
unſern ſeeligen Stand anſehen/ wie lange? Vnſere Sicher- und Freyheit/
die Goͤttliche Anſchauung/ unſere Kronen/ unſere himmliſche Hochzeit-
Freude/ wie lange wird dieſe waͤhren? Biß in Ewigkeit; hundert Jahr
iſt noch kein Tag/ hundert tauſend keine Stunde/ million tauſend Jahr
keine Minute.
So verlaſſen wir demnach billich nugas nugarum, den Schein/ die
Traͤume/ die alle verſchwunden wie der Wind; Wir ſollen verleugnen das
zeitliche Leben. Wir ſind in dieſer Zeit ἡμερόβιοι καὶ ε᾽φήμεροι, elende Wuͤrme/
die nur einen Tag leben/ die Wolluſt vergehet/ die Suͤnde bleibet: So viel
hie Liebes-Seile/ ſo viel figuren/ Bildnuͤſſe und qualitaͤten oder Beſchrei-
bungen ſind des ewigen Lebens. Die Ewigkeit ſoll machen/ daß wir des
Zeitlichen nicht achten. Laſſet uns mit Fleiß darnach ſtreben und arbei-
ten/ arbeiten aber nicht Spinngeweb; die Spinn wircket oder ſpinnet Faͤ-
den/ ſie laͤuffet bald da bald dorthin/ und webet den gantzen Tag/ iſt zwar
eine ſaubere/ ſubtile/ koͤſtliche/ geometriſche Arbeit/ aber in der That iſt es
nichts werth/ ſchreibet * Hieronymus. Ergò æternitati pingamus,
Laſſet uns der Ewigkeit mahlen! ſprach jener Mahler: Laſſet uns in der
Zeit arbeiten/ ſolche Werck/ die in der Ewigkeit beſtehen moͤgen. Laſſet
uns nach dem ewigen Leben ſehnen/ und den Seeligverſtorbenen Gluͤck
wuͤndſchen! Hieronymus ſchreibet uͤber den Tod Bleſillæ alſo: War-
umb ſollen wir Leid tragen/ ob ſie ſchon geſtorben iſt? Sind wir dann dazu
geboren/ daß wir ewig hie bleiben ſollen? Man mag billich trauren uͤber
einen Toden/ aber uͤber den/ zu deſſen Straffe das hoͤlliſche Feuer brennet!
Wir ſollen uns viel mehr beſchweren/ daß wir laͤnger in dieſer Huͤtten auff-
gehalten werden; ſintemahl ſo lange wir hie bleiben/ ſo ſind und wandeln
Hieron. ad
Paulam.
* Hieron. in Pſ. 89. confer Senecam ep. 101. Vbi faſtus Cornelii Equitis
Romani illuſtrans exclamat, Inſere nunc Melibœæ pyros, pone ordine vites!
ô quanta dementia eſt ſpes longas inchoantium!
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