Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666.APPENDIX. die armen Leute in der Christenheit angestecket worden/ wie hat er dazu stillschweigen können/ ob er gleich kein Ordnungs-Beruff nicht gehabt hatte? Lieb- und Noth-Beruff geht über alle Ordnung. Gleichwie es nicht fol- get/ wer durch einen ordentlichen Beruff in den Schaafstall einschleicht/ der ist kein Wolff; Also folgt es auch nicht/ wer nicht durch den ordentli- chen Beruff eingeht/ der ist darum ein Wolff: Dort kan es geschehen/ daß ein Wolff den andern zur gemeinen Beute locket und einladet; hie daß ein unberuffener Mann/ wann er höret die Wölffe heulen und mörden/ hinzu lauffet/ und so viel an ihm den reissenden Wölffen steuret und weh- ret. Hatte also an dem gemeinen Liebes-Beruff Lutherus genug gehabt. Wann ein fremder Hirt eine Heerde Schaafe sihet zerstrenet in der Jrre gehen/ so sagt ihm abermal sein eigen Hertz auß Gottes Wort/ den irren- den Esel (warum nicht auch Schaaf?) wiederum auff den rechten Weg zu leiten. Wo nicht (schreibet er Tom. 1. Jen. p. 557.) auff hören ist GOtt zu schänden/ und seine Warheit zu unehren/ bin ich und alle Christen schuldig/ an GOttes Ehr zu halten/ ob gleich alle Welt/ ich schweige ein armer Mensch/ ein Cardi- nal/ darob müste zu schanden werden. Doch hat es auch am äusserlichen Beruff nicht gemangelt/ als da ge- welche A a a 2
APPENDIX. die armen Leute in der Chriſtenheit angeſtecket worden/ wie hat er dazu ſtillſchweigen koͤnnen/ ob er gleich kein Ordnungs-Beruff nicht gehabt hatte? Lieb- und Noth-Beruff geht uͤber alle Ordnung. Gleichwie es nicht fol- get/ wer durch einen ordentlichen Beruff in den Schaafſtall einſchleicht/ der iſt kein Wolff; Alſo folgt es auch nicht/ wer nicht durch den ordentli- chen Beruff eingeht/ der iſt darum ein Wolff: Dort kan es geſchehen/ daß ein Wolff den andern zur gemeinen Beute locket und einladet; hie daß ein unberuffener Mann/ wann er hoͤret die Woͤlffe heulen und moͤrden/ hinzu lauffet/ und ſo viel an ihm den reiſſenden Woͤlffen ſteuret und weh- ret. Hatte alſo an dem gemeinen Liebes-Beruff Lutherus genug gehabt. Wann ein fremder Hirt eine Heerde Schaafe ſihet zerſtrenet in der Jrre gehen/ ſo ſagt ihm abermal ſein eigen Hertz auß Gottes Wort/ den irren- den Eſel (warum nicht auch Schaaf?) wiederum auff den rechten Weg zu leiten. Wo nicht (ſchreibet er Tom. 1. Jen. p. 557.) auff hoͤren iſt GOtt zu ſchaͤnden/ und ſeine Warheit zu unehren/ bin ich und alle Chriſten ſchuldig/ an GOttes Ehr zu halten/ ob gleich alle Welt/ ich ſchweige ein armer Menſch/ ein Cardi- nal/ darob muͤſte zu ſchanden werden. Doch hat es auch am aͤuſſerlichen Beruff nicht gemangelt/ als da ge- welche A a a 2
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APPENDIX.
die armen Leute in der Chriſtenheit angeſtecket worden/ wie hat er dazu ſtill
ſchweigen koͤnnen/ ob er gleich kein Ordnungs-Beruff nicht gehabt hatte?
Lieb- und Noth-Beruff geht uͤber alle Ordnung. Gleichwie es nicht fol-
get/ wer durch einen ordentlichen Beruff in den Schaafſtall einſchleicht/
der iſt kein Wolff; Alſo folgt es auch nicht/ wer nicht durch den ordentli-
chen Beruff eingeht/ der iſt darum ein Wolff: Dort kan es geſchehen/ daß
ein Wolff den andern zur gemeinen Beute locket und einladet; hie daß
ein unberuffener Mann/ wann er hoͤret die Woͤlffe heulen und moͤrden/
hinzu lauffet/ und ſo viel an ihm den reiſſenden Woͤlffen ſteuret und weh-
ret. Hatte alſo an dem gemeinen Liebes-Beruff Lutherus genug gehabt.
Wann ein fremder Hirt eine Heerde Schaafe ſihet zerſtrenet in der Jrre
gehen/ ſo ſagt ihm abermal ſein eigen Hertz auß Gottes Wort/ den irren-
den Eſel (warum nicht auch Schaaf?) wiederum auff den rechten Weg
zu leiten. Wo nicht (ſchreibet er Tom. 1. Jen. p. 557.) auff hoͤren iſt
GOtt zu ſchaͤnden/ und ſeine Warheit zu unehren/ bin ich
und alle Chriſten ſchuldig/ an GOttes Ehr zu halten/ ob
gleich alle Welt/ ich ſchweige ein armer Menſch/ ein Cardi-
nal/ darob muͤſte zu ſchanden werden.
Doch hat es auch am aͤuſſerlichen Beruff nicht gemangelt/ als da ge-
weſen der wuͤrckliche Beruff zum Presbyterat oder Predigampt A. 1507.
nach Erheiſchung deſſen war er ſchuldig/ daß er ſolle lehren die Gemei-
ne halten/ was Chriſtus befohlen/ daß er die Heerde Chriſti
weiden/ und den Widerſprechern das Maul ſtopffen ſoll.
Zum Doctorat oder oͤffentlichen Schul-Lehr-Ampt A. 1512. in Antritt
deſſen er ſich eydlich verbunden/ daß er keine fremde aͤrgerliche verdammte
Lehre fuͤhren/ ſondern dieſelbige anmelden wolle. Worauff er ſich aber-
mal beruffen Tom. 1. Jen. p. 57. Daher heiligſter Vater/ iſt auff-
gangen ein ſolch groß Feur/ daß davon die gantze Welt/ wie
ſie ſchreyen und klagen/ entbrannt iſt/ vielleicht darum/ daß
ſie mir/ der ich doch ja auch durch E. H. Apoſtoliſche Authori-
taͤt/ ein Magiſter Theologiaͤ bin/ allein nicht gonnen/ die
Gewalt/ Recht und Freyheit zu haben/ in einer freyen oͤffent-
lichen Univerſitaͤt/ oder hohen Schule/ nach Weiſe und Ge-
wonheit aller Univerſitaͤten/ und der gantzen Chriſtenheit zu
diſputiren/ nicht allein vom Ablaß/ ſondern von viel hoͤ-
hern und groͤſſern Articulen/ nemlich/ von Goͤttlicher Ge-
walt/ Vergebung und Barmhertzigkeit: doch wie michs
nicht ſtoͤßt/ daß ſie mir ſolche Gerechtigkeit nicht goͤnnen/
welche
Mat. 28. 20.
1. Pet. 5, 2.
Tit. 1, 9. 11.
A a a 2
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Zitationshilfe: | Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus08_1666/395>, abgerufen am 16.07.2024. |