Obwol/ sag ich/ dieselbe Meynung auff dem Grund der Warheit nicht be- stehet/ und nunmehr für eine Fabel und Gedicht gehalten wird/ davon auch Plinius lib. 10, 23. schreibet: Olorum morte flebilis narratur cantus, falsis, ut arbitror, aliquot experimentis. Man erzehlet/ daß die Schwa- nen für ihrem Tod ein kläglich Gesang pflegen anzustimmen/ wie ich aber darvor halte/ beruhet solche Relation auff ungegründeten Gründen. So haben doch die lieben Alten/ sonderlich ex hypothesi, sich damit erlustiget: die welt-weisen Philosophi zwar habens von den Gelehrten gedeutet/ welche je näher sie zu dem Tod kommen/ je lieblicher sie singen/ das ist/ je schöner/ je reiffer/ je heilsamer seind ihre meditationes, Gedancken und Consilia; wie dann solche carmina cygnea gewesen das Testament Ja- cobs. Gen. 49, 3. das Valet-Lied Mosis/ Deut. 32, 1. die letsten Wort Da- vids/ 2. Sam. 23, 1. seqq. der herrliche und freudige Spruch Simeons/ Luc. 2, 29. Wohin dann auch billig gehöret in der letsten Welt der Sächsische Schwan Lutherus, davon Johann Huß 100. Jahr zuvor propheceyet/ sprechend: Jetzt bratet ihr ein Ganß/ aber über hundert Jahr wird ein Schwan kommen/ den werdet ihr nicht braten können. Dieser letste Prophet hat der Welt das schöne Schwanen-Gesang des ewigen Evan- gelii gesungen: Massen solches auff dem weisen Berg/ das ist Witten- berg/ an der Elb/ beym weisen und weiten Berg/ erfüllet worden.
Wie nun die Lehrer der Kirchen sich nicht gescheuet/ ex hypothesi, wanns wahr wäre/ solch Schwanen-Gesang geistlicher weiß zu deuten/ wie ingleichem auch geschehen mit dem erdichteten Pelicanen/ dem Vogel Phönix/ deren sich die alte Lehrer/ Athenagoras, Hieronymus, Cyrillus, Augustinus bedienet/ ein und anderes Geheimnuß darunter vorzubilden: Also mögen wir auch wol von dem jenigen hymno, den Christus unmit- telbar nach der Einsatzung des H. Abendmahls samt seinen Jüngern gesungen/ sagen/ daß er gleichsam sein Schwanen-Gesang geweßt/ damit er sein Testament beschlossen/ und mit Freuden in den Tod gegangen. Gleichwie die drey Gesellen und Männer Danielis auch mitten im feu- rigen Ofen gesungen: also ob Christus wol wußte/ daß allenthalben schon das Feur eingelegt/ und um ihn loh-hell brenne/ hat er doch dessen unge- acht mit Freuden gesungen/ wie dann das Wort den Verstand hat/ Act. 16, 26. Was aber das Thema gewesen/ und der Text/ ist die Vermuthung/ er habe gesungen nach Jüdischem Gebrauch das grosse Halleluja/ davon der bekehrte Jud Paulus Brugensis bezeugt/ daß es gewesen der 111. biß auff den 118. Psalmen/ wie E. L. zu dieser Passions-Zeit vernommen. Darinnen sie sich sonderlich erinnert der Wunder GOttes/ Psalm. 111/4.
Er
Die Ein und Zwantzigſte
Obwol/ ſag ich/ dieſelbe Meynung auff dem Grund der Warheit nicht be- ſtehet/ und nunmehr fuͤr eine Fabel und Gedicht gehalten wird/ davon auch Plinius lib. 10, 23. ſchreibet: Olorum morte flebilis narratur cantus, falſis, ut arbitror, aliquot experimentis. Man erzehlet/ daß die Schwa- nen fuͤr ihrem Tod ein klaͤglich Geſang pflegen anzuſtimmen/ wie ich aber darvor halte/ beruhet ſolche Relation auff ungegruͤndeten Gruͤnden. So haben doch die lieben Alten/ ſonderlich ex hypotheſi, ſich damit erluſtiget: die welt-weiſen Philoſophi zwar habens von den Gelehrten gedeutet/ welche je naͤher ſie zu dem Tod kommen/ je lieblicher ſie ſingen/ das iſt/ je ſchoͤner/ je reiffer/ je heilſamer ſeind ihre meditationes, Gedancken und Conſilia; wie dann ſolche carmina cygnea geweſen das Teſtament Ja- cobs. Gen. 49, 3. das Valet-Lied Moſis/ Deut. 32, 1. die letſten Wort Da- vids/ 2. Sam. 23, 1. ſeqq. der herꝛliche und freudige Spruch Simeons/ Luc. 2, 29. Wohin dann auch billig gehoͤret in der letſten Welt der Saͤchſiſche Schwan Lutherus, davon Johann Huß 100. Jahr zuvor propheceyet/ ſprechend: Jetzt bratet ihr ein Ganß/ aber uͤber hundert Jahr wird ein Schwan kommen/ den werdet ihr nicht braten koͤnnen. Dieſer letſte Prophet hat der Welt das ſchoͤne Schwanen-Geſang des ewigen Evan- gelii geſungen: Maſſen ſolches auff dem weiſen Berg/ das iſt Witten- berg/ an der Elb/ beym weiſen und weiten Berg/ erfuͤllet worden.
Wie nun die Lehrer der Kirchen ſich nicht geſcheuet/ ex hypotheſi, wanns wahr waͤre/ ſolch Schwanen-Geſang geiſtlicher weiß zu deuten/ wie ingleichem auch geſchehen mit dem erdichteten Pelicanen/ dem Vogel Phoͤnix/ deren ſich die alte Lehrer/ Athenagoras, Hieronymus, Cyrillus, Auguſtinus bedienet/ ein und anderes Geheimnuß darunter vorzubilden: Alſo moͤgen wir auch wol von dem jenigen hymno, den Chriſtus unmit- telbar nach der Einſatzung des H. Abendmahls ſamt ſeinen Juͤngern geſungen/ ſagen/ daß er gleichſam ſein Schwanen-Geſang geweßt/ damit er ſein Teſtament beſchloſſen/ und mit Freuden in den Tod gegangen. Gleichwie die drey Geſellen und Maͤnner Danielis auch mitten im feu- rigen Ofen geſungen: alſo ob Chriſtus wol wußte/ daß allenthalben ſchon das Feur eingelegt/ und um ihn loh-hell brenne/ hat er doch deſſen unge- acht mit Freuden geſungen/ wie dann das Wort den Verſtand hat/ Act. 16, 26. Was aber das Thema geweſen/ und der Text/ iſt die Vermuthung/ er habe geſungen nach Juͤdiſchem Gebrauch das groſſe Halleluja/ davon der bekehrte Jud Paulus Brugenſis bezeugt/ daß es geweſen der 111. biß auff den 118. Pſalmen/ wie E. L. zu dieſer Paſſions-Zeit vernommen. Darinnen ſie ſich ſonderlich erinnert der Wunder GOttes/ Pſalm. 111/4.
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auch Plinius lib. 10, 23. ſchreibet: Olorum morte flebilis narratur cantus,
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welche je naͤher ſie zu dem Tod kommen/ je lieblicher ſie ſingen/ das iſt/ je
ſchoͤner/ je reiffer/ je heilſamer ſeind ihre meditationes, Gedancken und
Conſilia; wie dann ſolche carmina cygnea geweſen das Teſtament Ja-
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ſprechend: Jetzt bratet ihr ein Ganß/ aber uͤber hundert Jahr wird ein
Schwan kommen/ den werdet ihr nicht braten koͤnnen. Dieſer letſte
Prophet hat der Welt das ſchoͤne Schwanen-Geſang des ewigen Evan-
gelii geſungen: Maſſen ſolches auff dem weiſen Berg/ das iſt Witten-
berg/ an der Elb/ beym weiſen und weiten Berg/ erfuͤllet worden.
Wie nun die Lehrer der Kirchen ſich nicht geſcheuet/ ex hypotheſi,
wanns wahr waͤre/ ſolch Schwanen-Geſang geiſtlicher weiß zu deuten/
wie ingleichem auch geſchehen mit dem erdichteten Pelicanen/ dem Vogel
Phoͤnix/ deren ſich die alte Lehrer/ Athenagoras, Hieronymus, Cyrillus,
Auguſtinus bedienet/ ein und anderes Geheimnuß darunter vorzubilden:
Alſo moͤgen wir auch wol von dem jenigen hymno, den Chriſtus unmit-
telbar nach der Einſatzung des H. Abendmahls ſamt ſeinen Juͤngern
geſungen/ ſagen/ daß er gleichſam ſein Schwanen-Geſang geweßt/ damit
er ſein Teſtament beſchloſſen/ und mit Freuden in den Tod gegangen.
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er habe geſungen nach Juͤdiſchem Gebrauch das groſſe Halleluja/ davon
der bekehrte Jud Paulus Brugenſis bezeugt/ daß es geweſen der 111. biß
auff den 118. Pſalmen/ wie E. L. zu dieſer Paſſions-Zeit vernommen.
Darinnen ſie ſich ſonderlich erinnert der Wunder GOttes/ Pſalm. 111/4.
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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus09_1672/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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