Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.Vom verlohrnen Sohn. lich fleissige Achtung geben/ nemlich morgens und abends/ desMorgens zwar/ daß man bedencke/ wie man die vergangene Nacht zugebracht/ und den angehenden Tag über sich zu ver- halten; des Abends aber/ weil man um alles muß Rechenschafft geben. Die Vernunfft gibts doch; Ein Knecht muß für seinen Herrn stehen/ wann ihm etwas leyds geschehen/ also das Gewissen für Gott/ wann Er beleydiget worden. Die Exempel der Heyden solten uns be- schämen. Der Gymnosophisten dißmal zu geschweigen/ faciebat hoc Sextius, schreibet Seneca l. 3. de Ira, cumse ad nocturnam quietem rece- pisset, interrogavit animum, &c. Das that Sextius, wann er sich schlaf- fen legte/ fraget er sein Gewissen/ etc. Richtige Rechnung behalt gute Freunde. 3. Jst zu mercken Ordo, die Ordnung/ so bereits oben zum theil 4. Processus autokatakriseos, den Proceß/ welchen Gott wil anderer J iij
Vom verlohrnen Sohn. lich fleiſſige Achtung geben/ nemlich morgens und abends/ desMorgens zwar/ daß man bedencke/ wie man die vergangene Nacht zugebracht/ und den angehenden Tag uͤber ſich zu ver- halten; des Abends aber/ weil man um alles muß Rechenſchafft geben. Die Vernunfft gibts doch; Ein Knecht muß fuͤr ſeinen Herꝛn ſtehen/ wann ihm etwas leyds geſchehen/ alſo das Gewiſſen fuͤr Gott/ wann Er beleydiget worden. Die Exempel der Heyden ſolten uns be- ſchaͤmen. Der Gymnoſophiſten dißmal zu geſchweigen/ faciebat hoc Sextius, ſchreibet Seneca l. 3. de Ira, cumſe ad nocturnam quietem rece- piſſet, interrogavit animum, &c. Das that Sextius, wann er ſich ſchlaf- fen legte/ fraget er ſein Gewiſſen/ ꝛc. Richtige Rechnung behalt gute Freunde. 3. Jſt zu mercken Ordo, die Ordnung/ ſo bereits oben zum theil 4. Proceſſus ἀυτοκατακρίσεως, den Proceß/ welchen Gott wil anderer J iij
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Vom verlohrnen Sohn.
lich fleiſſige Achtung geben/ nemlich morgens und abends/ des
Morgens zwar/ daß man bedencke/ wie man die vergangene
Nacht zugebracht/ und den angehenden Tag uͤber ſich zu ver-
halten; des Abends aber/ weil man um alles muß Rechenſchafft
geben. Die Vernunfft gibts doch; Ein Knecht muß fuͤr ſeinen Herꝛn
ſtehen/ wann ihm etwas leyds geſchehen/ alſo das Gewiſſen fuͤr Gott/
wann Er beleydiget worden. Die Exempel der Heyden ſolten uns be-
ſchaͤmen. Der Gymnoſophiſten dißmal zu geſchweigen/ faciebat hoc
Sextius, ſchreibet Seneca l. 3. de Ira, cumſe ad nocturnam quietem rece-
piſſet, interrogavit animum, &c. Das that Sextius, wann er ſich ſchlaf-
fen legte/ fraget er ſein Gewiſſen/ ꝛc. Richtige Rechnung behalt gute
Freunde.
3. Jſt zu mercken Ordo, die Ordnung/ ſo bereits oben zum theil
angedeutet/ zuvor in die Hoͤlle/ hernach in den Himmel/ zuvor ſoll man
auß Schamhafftigkeit unter ſich ſehen/ ehe man auß gutem Vertrauen
die Augen uͤber ſich hebt. Man ſoll nicht das hinderſte zum foͤrderſten
angreiffen/ à foro gratiæ ad thronum Juſtitiæ appelliren; von dem
Thron der Gnaden an den Richter-Stul appelliren. Gleichwie es nicht
recht gethan waͤre/ wann man eine Sache/ ſo fuͤr den groſſen Rath gehoͤ-
ret/ wolte bey dem kleinen Rath anbringen. Man ſoll aber auch nicht
bey dem foro juſtitiæ ſtehen bleiben/ wie Judas gethan/ den hernach die
Verzweifflung zur Hoͤllen geſtuͤrtzet.
4. Proceſſus ἀυτοκατακρίσεως, den Proceß/ welchen Gott wil
obſervirt haben/ es heißt/ ſis tibi ipſi accuſator & judex, nec indulgeas,
verklage und richte dich ſelbs/ ſchone deiner ſelbs nicht. Wahr
iſt es/ der alte Adam ruͤmpfft ſich/ wann man ihn irgends auff der Cantzel
trifft/ und wil doch keiner in ſich ſelbs gehen/ und ſprechen/ was mach ich
doch? Aber man ſoll ſich eben deßwegen auch nicht wundern/ wann wenig
ſelig werden/ Luc. 13. Lege die Schuld nicht auff andere/ oder behilff dich
nicht mit anderer boͤſem Exempel/ daß du wolteſt ſagen/ der und der machts
doch auch alſo/ und es gehet ihm ab; dann es iſt mißlich und gefaͤhrlich
darauff zu wagen; es gehet hier viel in foro ſoli, fuͤr menſchlichem Gericht
vor/ das dort in foro poli, fuͤr dem himmliſchen Gericht nicht gut geheiſ-
ſen wird. Gleichwie nun der Menſch ihme ſelbs immer gnaͤdiger iſt als
andern Leuten/ wie zu ſehen auß Gen. 38, 24. 2. Sam. 12. Matth. 7. und die
taͤgliche Erfahrung ligt vor Augen/ da viel dergleichen geſchicht/ darauff
man aber wenig Achtung gibt: Alſo ſoll ein Menſch in Gewiſſens-Sachen
fuͤr GOtt ihme ſelbſt viel haͤrter und herber ſeyn als andern Leuten/ ein
anderer
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