Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 6. Verdauung.
und erinnert man sich der Thatsache, dasz Pepsin mit Säuren der Essig-
reihe nur ungefähr ein Drittel von dem Verdauungsvermögen des Pepsins
mit Salzsäure hat, so ist es nicht überraschend, dasz die Globulinbruch-
stücke von dem Secrete der Drosera nicht corrodirt oder abgerundet
wurden, obschon sicherlich etwas lösliche Substanz aus ihnen ausgezogen
und von den Drüsen absorbirt war.

Haematin. -- Es wurden mir einige dunkelrothe, aus Ochsenblute
dargestellte Körnchen gegeben; Dr. Sanderson fand, dasz dieselben in
Wasser, Säuren und Alcohol unlöslich waren, so dasz sie wahrscheinlich
Haematin enthielten in Verbindung mit andern aus dem Blute stammen-
den Körpern. Stückchen mit kleinen Tropfen Wasser wurden auf vier
Blätter gebracht, von denen drei ziemlich dicht in zwei Tagen eingebogen
waren; das dritte war es nur mäszig. Am dritten Tage waren die Drüsen
in Berührung mit dem Haematin geschwärzt und einige Tentakeln schienen
verletzt zu sein. Nach fünf Tagen starben zwei Blätter ab, und das
dritte war am Sterben; das vierte fieng an, sich wieder auszubreiten, aber
viele von seinen Drüsen waren geschwärzt und verletzt. Es ist daher
klar, dasz Substanz absorbirt worden war, welche entweder factisch giftig
oder von einer zu stark reizenden Beschaffenheit war. Die Stückchen
waren viel mehr erweicht als die ebenso lange Zeit im Wasser gelassenen,
waren aber, dem Augenscheine nach zu urtheilen, an Grösze sehr wenig
reducirt. Dr. Sanderson prüfte diese Substanz mit künstlicher Verdauungs-
flüssigkeit, in der beim Globulin beschriebenen Art und Weise, und fand,
dasz, während vom Fibrin in einer Stunde 1,31 gelöst wurden, vom Hae-
matin sich nur 0,456 in einer Stunde lösten; aber die durch das Secret
bewirkte Auflösung eines selbst noch kleineren Betrags würde seine Ein-
wirkung auf Drosera erklären. Der von der künstlichen Verdauungs-
flüssigkeit zuerst übrig gelassene Rückstand gab während mehrerer fol-
gender Tage nichts mehr an dieselbe ab.

Substanzen, welche von dem Secrete nicht verdaut werden.

Alle die bis jetzt erwähnten Substanzen bewirken lange anhal-
tende Einbiegung der Tentakeln und werden entweder vollständig oder
mindestens theilweise von der Absonderung aufgelöst. Es gibt aber
viele andere Substanzen, einige auch stickstoffhaltig, auf welche das
Secret nicht im Mindesten einwirkt, und welche Einbiegung für keine
längere Zeit herbeiführen als es unorganische und unlösliche Gegen-
stände thun. Solche nicht erregende und unverdauliche Substanzen
sind, so weit ich es beobachtet habe, Epidermis-Bildungen (wie Stück-
chen menschlichen Nagels, Haarkügelchen, Federkiele), elastisches
Fasergewebe, Mucin, Pepsin, Harnstoff, Chitin, Chlorophyll, Cellulose,
Schieszbaumwolle, Fett, Öl und Stärke.

Diesen kann noch hinzugefügt werden: aufgelöster Zucker und
Gummi, verdünnter Alcohol und vegetabilische, kein Eiweisz enthal-

Cap. 6. Verdauung.
und erinnert man sich der Thatsache, dasz Pepsin mit Säuren der Essig-
reihe nur ungefähr ein Drittel von dem Verdauungsvermögen des Pepsins
mit Salzsäure hat, so ist es nicht überraschend, dasz die Globulinbruch-
stücke von dem Secrete der Drosera nicht corrodirt oder abgerundet
wurden, obschon sicherlich etwas lösliche Substanz aus ihnen ausgezogen
und von den Drüsen absorbirt war.

Haematin. — Es wurden mir einige dunkelrothe, aus Ochsenblute
dargestellte Körnchen gegeben; Dr. Sanderson fand, dasz dieselben in
Wasser, Säuren und Alcohol unlöslich waren, so dasz sie wahrscheinlich
Haematin enthielten in Verbindung mit andern aus dem Blute stammen-
den Körpern. Stückchen mit kleinen Tropfen Wasser wurden auf vier
Blätter gebracht, von denen drei ziemlich dicht in zwei Tagen eingebogen
waren; das dritte war es nur mäszig. Am dritten Tage waren die Drüsen
in Berührung mit dem Haematin geschwärzt und einige Tentakeln schienen
verletzt zu sein. Nach fünf Tagen starben zwei Blätter ab, und das
dritte war am Sterben; das vierte fieng an, sich wieder auszubreiten, aber
viele von seinen Drüsen waren geschwärzt und verletzt. Es ist daher
klar, dasz Substanz absorbirt worden war, welche entweder factisch giftig
oder von einer zu stark reizenden Beschaffenheit war. Die Stückchen
waren viel mehr erweicht als die ebenso lange Zeit im Wasser gelassenen,
waren aber, dem Augenscheine nach zu urtheilen, an Grösze sehr wenig
reducirt. Dr. Sanderson prüfte diese Substanz mit künstlicher Verdauungs-
flüssigkeit, in der beim Globulin beschriebenen Art und Weise, und fand,
dasz, während vom Fibrin in einer Stunde 1,31 gelöst wurden, vom Hae-
matin sich nur 0,456 in einer Stunde lösten; aber die durch das Secret
bewirkte Auflösung eines selbst noch kleineren Betrags würde seine Ein-
wirkung auf Drosera erklären. Der von der künstlichen Verdauungs-
flüssigkeit zuerst übrig gelassene Rückstand gab während mehrerer fol-
gender Tage nichts mehr an dieselbe ab.

Substanzen, welche von dem Secrete nicht verdaut werden.

Alle die bis jetzt erwähnten Substanzen bewirken lange anhal-
tende Einbiegung der Tentakeln und werden entweder vollständig oder
mindestens theilweise von der Absonderung aufgelöst. Es gibt aber
viele andere Substanzen, einige auch stickstoffhaltig, auf welche das
Secret nicht im Mindesten einwirkt, und welche Einbiegung für keine
längere Zeit herbeiführen als es unorganische und unlösliche Gegen-
stände thun. Solche nicht erregende und unverdauliche Substanzen
sind, so weit ich es beobachtet habe, Epidermis-Bildungen (wie Stück-
chen menschlichen Nagels, Haarkügelchen, Federkiele), elastisches
Fasergewebe, Mucin, Pepsin, Harnstoff, Chitin, Chlorophyll, Cellulose,
Schieszbaumwolle, Fett, Öl und Stärke.

Diesen kann noch hinzugefügt werden: aufgelöster Zucker und
Gummi, verdünnter Alcohol und vegetabilische, kein Eiweisz enthal-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0121" n="107"/><fw place="top" type="header">Cap. 6. Verdauung.</fw><lb/>
und erinnert man sich der Thatsache, dasz Pepsin mit Säuren der Essig-<lb/>
reihe nur ungefähr ein Drittel von dem Verdauungsvermögen des Pepsins<lb/>
mit Salzsäure hat, so ist es nicht überraschend, dasz die Globulinbruch-<lb/>
stücke von dem Secrete der <hi rendition="#i">Drosera</hi> nicht corrodirt oder abgerundet<lb/>
wurden, obschon sicherlich etwas lösliche Substanz aus ihnen ausgezogen<lb/>
und von den Drüsen absorbirt war.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Haematin.</hi> &#x2014; Es wurden mir einige dunkelrothe, aus Ochsenblute<lb/>
dargestellte Körnchen gegeben; Dr. <hi rendition="#k">Sanderson</hi> fand, dasz dieselben in<lb/>
Wasser, Säuren und Alcohol unlöslich waren, so dasz sie wahrscheinlich<lb/>
Haematin enthielten in Verbindung mit andern aus dem Blute stammen-<lb/>
den Körpern. Stückchen mit kleinen Tropfen Wasser wurden auf vier<lb/>
Blätter gebracht, von denen drei ziemlich dicht in zwei Tagen eingebogen<lb/>
waren; das dritte war es nur mäszig. Am dritten Tage waren die Drüsen<lb/>
in Berührung mit dem Haematin geschwärzt und einige Tentakeln schienen<lb/>
verletzt zu sein. Nach fünf Tagen starben zwei Blätter ab, und das<lb/>
dritte war am Sterben; das vierte fieng an, sich wieder auszubreiten, aber<lb/>
viele von seinen Drüsen waren geschwärzt und verletzt. Es ist daher<lb/>
klar, dasz Substanz absorbirt worden war, welche entweder factisch giftig<lb/>
oder von einer zu stark reizenden Beschaffenheit war. Die Stückchen<lb/>
waren viel mehr erweicht als die ebenso lange Zeit im Wasser gelassenen,<lb/>
waren aber, dem Augenscheine nach zu urtheilen, an Grösze sehr wenig<lb/>
reducirt. Dr. <hi rendition="#k">Sanderson</hi> prüfte diese Substanz mit künstlicher Verdauungs-<lb/>
flüssigkeit, in der beim Globulin beschriebenen Art und Weise, und fand,<lb/>
dasz, während vom Fibrin in einer Stunde 1,31 gelöst wurden, vom Hae-<lb/>
matin sich nur 0,456 in einer Stunde lösten; aber die durch das Secret<lb/>
bewirkte Auflösung eines selbst noch kleineren Betrags würde seine Ein-<lb/>
wirkung auf <hi rendition="#i">Drosera</hi> erklären. Der von der künstlichen Verdauungs-<lb/>
flüssigkeit zuerst übrig gelassene Rückstand gab während mehrerer fol-<lb/>
gender Tage nichts mehr an dieselbe ab.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Substanzen, welche von dem Secrete nicht verdaut werden.</hi> </head><lb/>
          <p>Alle die bis jetzt erwähnten Substanzen bewirken lange anhal-<lb/>
tende Einbiegung der Tentakeln und werden entweder vollständig oder<lb/>
mindestens theilweise von der Absonderung aufgelöst. Es gibt aber<lb/>
viele andere Substanzen, einige auch stickstoffhaltig, auf welche das<lb/>
Secret nicht im Mindesten einwirkt, und welche Einbiegung für keine<lb/>
längere Zeit herbeiführen als es unorganische und unlösliche Gegen-<lb/>
stände thun. Solche nicht erregende und unverdauliche Substanzen<lb/>
sind, so weit ich es beobachtet habe, Epidermis-Bildungen (wie Stück-<lb/>
chen menschlichen Nagels, Haarkügelchen, Federkiele), elastisches<lb/>
Fasergewebe, Mucin, Pepsin, Harnstoff, Chitin, Chlorophyll, Cellulose,<lb/>
Schieszbaumwolle, Fett, Öl und Stärke.</p><lb/>
          <p>Diesen kann noch hinzugefügt werden: aufgelöster Zucker und<lb/>
Gummi, verdünnter Alcohol und vegetabilische, kein Eiweisz enthal-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0121] Cap. 6. Verdauung. und erinnert man sich der Thatsache, dasz Pepsin mit Säuren der Essig- reihe nur ungefähr ein Drittel von dem Verdauungsvermögen des Pepsins mit Salzsäure hat, so ist es nicht überraschend, dasz die Globulinbruch- stücke von dem Secrete der Drosera nicht corrodirt oder abgerundet wurden, obschon sicherlich etwas lösliche Substanz aus ihnen ausgezogen und von den Drüsen absorbirt war. Haematin. — Es wurden mir einige dunkelrothe, aus Ochsenblute dargestellte Körnchen gegeben; Dr. Sanderson fand, dasz dieselben in Wasser, Säuren und Alcohol unlöslich waren, so dasz sie wahrscheinlich Haematin enthielten in Verbindung mit andern aus dem Blute stammen- den Körpern. Stückchen mit kleinen Tropfen Wasser wurden auf vier Blätter gebracht, von denen drei ziemlich dicht in zwei Tagen eingebogen waren; das dritte war es nur mäszig. Am dritten Tage waren die Drüsen in Berührung mit dem Haematin geschwärzt und einige Tentakeln schienen verletzt zu sein. Nach fünf Tagen starben zwei Blätter ab, und das dritte war am Sterben; das vierte fieng an, sich wieder auszubreiten, aber viele von seinen Drüsen waren geschwärzt und verletzt. Es ist daher klar, dasz Substanz absorbirt worden war, welche entweder factisch giftig oder von einer zu stark reizenden Beschaffenheit war. Die Stückchen waren viel mehr erweicht als die ebenso lange Zeit im Wasser gelassenen, waren aber, dem Augenscheine nach zu urtheilen, an Grösze sehr wenig reducirt. Dr. Sanderson prüfte diese Substanz mit künstlicher Verdauungs- flüssigkeit, in der beim Globulin beschriebenen Art und Weise, und fand, dasz, während vom Fibrin in einer Stunde 1,31 gelöst wurden, vom Hae- matin sich nur 0,456 in einer Stunde lösten; aber die durch das Secret bewirkte Auflösung eines selbst noch kleineren Betrags würde seine Ein- wirkung auf Drosera erklären. Der von der künstlichen Verdauungs- flüssigkeit zuerst übrig gelassene Rückstand gab während mehrerer fol- gender Tage nichts mehr an dieselbe ab. Substanzen, welche von dem Secrete nicht verdaut werden. Alle die bis jetzt erwähnten Substanzen bewirken lange anhal- tende Einbiegung der Tentakeln und werden entweder vollständig oder mindestens theilweise von der Absonderung aufgelöst. Es gibt aber viele andere Substanzen, einige auch stickstoffhaltig, auf welche das Secret nicht im Mindesten einwirkt, und welche Einbiegung für keine längere Zeit herbeiführen als es unorganische und unlösliche Gegen- stände thun. Solche nicht erregende und unverdauliche Substanzen sind, so weit ich es beobachtet habe, Epidermis-Bildungen (wie Stück- chen menschlichen Nagels, Haarkügelchen, Federkiele), elastisches Fasergewebe, Mucin, Pepsin, Harnstoff, Chitin, Chlorophyll, Cellulose, Schieszbaumwolle, Fett, Öl und Stärke. Diesen kann noch hinzugefügt werden: aufgelöster Zucker und Gummi, verdünnter Alcohol und vegetabilische, kein Eiweisz enthal-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/121
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/121>, abgerufen am 29.11.2024.