Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.Drosera rotundifolia. Cap. 1. ein Dutzend Pflanzen, welche sechsundfünfzig ganz ausgebreitete Blät-ter trugen, und auf einunddreiszig derselben klebten todte Insecten oder die Ueberreste solcher; und ohne Zweifel würden später noch viel mehr Insecten von denselben Blättern, und sicherlich noch mehr von den noch nicht entfalteten gefangen worden sein. An einer Pflanze hatten alle 6 Blätter ihre Beute gefangen; und an mehreren Pflanzen hatten sehr viele Blätter mehr als ein Insect gefangen. Auf einem groszen Blatte fand ich die Reste von dreizehn verschiedenen Insecten. Fliegen (Diptera) werden viel öfters gefangen als andere Insecten. Die gröszte Art, welche ich habe fangen sehen, war ein kleiner Schmetter- ling (Caenonympha pamphilus); aber Mr. H. M. Wilkinson theilte mir mit, dasz er einmal eine grosze noch lebende Libelle gefunden habe, deren Körper von zwei Blättern festgehalten wurde. Da diese Pflanze in einigen Gegenden äuszerst gemein ist, so musz die Anzahl von In- secten, die alljährlich auf diese Weise getödtet werden, ungeheuer sein. Viele Pflanzen, zum Beispiel die klebrigen Knospen der Roszkastanien, verursachen den Tod von Insecten, ohne daraus, so weit wir bemerken können, selbst irgend welchen Vortheil zu ziehen. Es zeigte sich aber bald deutlich, dasz die Drosera für den besondern Zweck, Insecten zu fangen, ausgezeichnet geschickt war, so dasz es wohl der Mühe werth schien, den Gegenstand zu untersuchen. Die Resultate haben sich als sehr merkwürdig herausgestellt; die die Structur der sogenannten Haare beschreibt, unter dem Titel: "Sur la Diffe-
rence entre les Trichomes" etc., ausgezogen aus den Verhandlungen der Naturhist. Gesellschaft in Copenhagen. Ich werde auch später noch Veranlassung haben, einen Aufsatz von Mrs. Treat, von New-Jersey, über einige americanische Arten von Drosera zu citiren. Dr. Burdon Sanderson hielt vor der Royal Institu- tion eine Vorlesung über Dionaea (erschienen in ,Nature' 14. Juni 1874), in wel- cher ein kurzer Bericht über meine Beobachtungen über das Vermögen echter Ver- dauung, welches Drosera und Dionaea besitzen, zum erstenmale erschien. Prof. Asa Gray hat sich dadurch verdient gemacht, dasz er die Aufmerksamkeit auf Drosera und andere Pflanzen mit ähnlicher Lebensweise lenkte (The Nation, 1874, p. 261 und 232 und in andern Schriften). Auch Dr. Hooker hat in seiner wich- tigen Rede über fleischfressende Pflanzen (Brit. Assoc. Belfast, 1874) eine Geschichte des Gegenstandes gegeben. Drosera rotundifolia. Cap. 1. ein Dutzend Pflanzen, welche sechsundfünfzig ganz ausgebreitete Blät-ter trugen, und auf einunddreiszig derselben klebten todte Insecten oder die Ueberreste solcher; und ohne Zweifel würden später noch viel mehr Insecten von denselben Blättern, und sicherlich noch mehr von den noch nicht entfalteten gefangen worden sein. An einer Pflanze hatten alle 6 Blätter ihre Beute gefangen; und an mehreren Pflanzen hatten sehr viele Blätter mehr als ein Insect gefangen. Auf einem groszen Blatte fand ich die Reste von dreizehn verschiedenen Insecten. Fliegen (Diptera) werden viel öfters gefangen als andere Insecten. Die gröszte Art, welche ich habe fangen sehen, war ein kleiner Schmetter- ling (Caenonympha pamphilus); aber Mr. H. M. Wilkinson theilte mir mit, dasz er einmal eine grosze noch lebende Libelle gefunden habe, deren Körper von zwei Blättern festgehalten wurde. Da diese Pflanze in einigen Gegenden äuszerst gemein ist, so musz die Anzahl von In- secten, die alljährlich auf diese Weise getödtet werden, ungeheuer sein. Viele Pflanzen, zum Beispiel die klebrigen Knospen der Roszkastanien, verursachen den Tod von Insecten, ohne daraus, so weit wir bemerken können, selbst irgend welchen Vortheil zu ziehen. Es zeigte sich aber bald deutlich, dasz die Drosera für den besondern Zweck, Insecten zu fangen, ausgezeichnet geschickt war, so dasz es wohl der Mühe werth schien, den Gegenstand zu untersuchen. Die Resultate haben sich als sehr merkwürdig herausgestellt; die die Structur der sogenannten Haare beschreibt, unter dem Titel: „Sur la Diffé-
rence entre les Trichomes‟ etc., ausgezogen aus den Verhandlungen der Naturhist. Gesellschaft in Copenhagen. Ich werde auch später noch Veranlassung haben, einen Aufsatz von Mrs. Treat, von New-Jersey, über einige americanische Arten von Drosera zu citiren. Dr. Burdon Sanderson hielt vor der Royal Institu- tion eine Vorlesung über Dionaea (erschienen in ‚Nature‛ 14. Juni 1874), in wel- cher ein kurzer Bericht über meine Beobachtungen über das Vermögen echter Ver- dauung, welches Drosera und Dionaea besitzen, zum erstenmale erschien. Prof. Asa Gray hat sich dadurch verdient gemacht, dasz er die Aufmerksamkeit auf Drosera und andere Pflanzen mit ähnlicher Lebensweise lenkte (The Nation, 1874, p. 261 und 232 und in andern Schriften). Auch Dr. Hooker hat in seiner wich- tigen Rede über fleischfressende Pflanzen (Brit. Assoc. Belfast, 1874) eine Geschichte des Gegenstandes gegeben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="2"/><fw place="top" type="header">Drosera rotundifolia. Cap. 1.</fw><lb/> ein Dutzend Pflanzen, welche sechsundfünfzig ganz ausgebreitete Blät-<lb/> ter trugen, und auf einunddreiszig derselben klebten todte Insecten<lb/> oder die Ueberreste solcher; und ohne Zweifel würden später noch<lb/> viel mehr Insecten von denselben Blättern, und sicherlich noch mehr<lb/> von den noch nicht entfalteten gefangen worden sein. An einer Pflanze<lb/> hatten alle 6 Blätter ihre Beute gefangen; und an mehreren Pflanzen<lb/> hatten sehr viele Blätter mehr als ein Insect gefangen. Auf einem<lb/> groszen Blatte fand ich die Reste von dreizehn verschiedenen Insecten.<lb/> Fliegen <hi rendition="#i">(Diptera)</hi> werden viel öfters gefangen als andere Insecten. Die<lb/> gröszte Art, welche ich habe fangen sehen, war ein kleiner Schmetter-<lb/> ling <hi rendition="#i">(Caenonympha pamphilus);</hi> aber Mr. H. M. <hi rendition="#k">Wilkinson</hi> theilte mir<lb/> mit, dasz er einmal eine grosze noch lebende Libelle gefunden habe,<lb/> deren Körper von zwei Blättern festgehalten wurde. Da diese Pflanze<lb/> in einigen Gegenden äuszerst gemein ist, so musz die Anzahl von In-<lb/> secten, die alljährlich auf diese Weise getödtet werden, ungeheuer sein.<lb/> Viele Pflanzen, zum Beispiel die klebrigen Knospen der Roszkastanien,<lb/> verursachen den Tod von Insecten, ohne daraus, so weit wir bemerken<lb/> können, selbst irgend welchen Vortheil zu ziehen. Es zeigte sich aber<lb/> bald deutlich, dasz die <hi rendition="#i">Drosera</hi> für den besondern Zweck, Insecten zu<lb/> fangen, ausgezeichnet geschickt war, so dasz es wohl der Mühe werth<lb/> schien, den Gegenstand zu untersuchen.</p><lb/> <p>Die Resultate haben sich als sehr merkwürdig herausgestellt; die<lb/> bedeutungsvollsten derselben sind: — erstens, die auszerordentliche<lb/> Empfindlichkeit der Drüsen gegen leichten Druck und gegen sehr ge-<lb/> ringe Dosen gewisser stickstoffhaltiger Flüssigkeiten, wie sich durch die<lb/> Bewegung der sogenannten Haare oder Tentakeln zeigt; zweitens, die<lb/> den Blättern innewohnende Fähigkeit, stickstoffhaltige Substanzen lös-<lb/><note xml:id="a02" prev="#a01" place="foot" n="1">die Structur der sogenannten Haare beschreibt, unter dem Titel: „Sur la Diffé-<lb/> rence entre les Trichomes‟ etc., ausgezogen aus den Verhandlungen der Naturhist.<lb/> Gesellschaft in Copenhagen. Ich werde auch später noch Veranlassung haben,<lb/> einen Aufsatz von Mrs. <hi rendition="#g">Treat,</hi> von New-Jersey, über einige americanische Arten<lb/> von <hi rendition="#i">Drosera</hi> zu citiren. Dr. <hi rendition="#g">Burdon Sanderson</hi> hielt vor der Royal Institu-<lb/> tion eine Vorlesung über <hi rendition="#i">Dionaea</hi> (erschienen in ‚Nature‛ 14. Juni 1874), in wel-<lb/> cher ein kurzer Bericht über meine Beobachtungen über das Vermögen echter Ver-<lb/> dauung, welches <hi rendition="#i">Drosera</hi> und <hi rendition="#i">Dionaea</hi> besitzen, zum erstenmale erschien. Prof.<lb/><hi rendition="#g">Asa Gray</hi> hat sich dadurch verdient gemacht, dasz er die Aufmerksamkeit auf<lb/><hi rendition="#i">Drosera</hi> und andere Pflanzen mit ähnlicher Lebensweise lenkte (The Nation, 1874,<lb/> p. 261 und 232 und in andern Schriften). Auch Dr. <hi rendition="#g">Hooker</hi> hat in seiner wich-<lb/> tigen Rede über fleischfressende Pflanzen (Brit. Assoc. Belfast, 1874) eine Geschichte<lb/> des Gegenstandes gegeben.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0016]
Drosera rotundifolia. Cap. 1.
ein Dutzend Pflanzen, welche sechsundfünfzig ganz ausgebreitete Blät-
ter trugen, und auf einunddreiszig derselben klebten todte Insecten
oder die Ueberreste solcher; und ohne Zweifel würden später noch
viel mehr Insecten von denselben Blättern, und sicherlich noch mehr
von den noch nicht entfalteten gefangen worden sein. An einer Pflanze
hatten alle 6 Blätter ihre Beute gefangen; und an mehreren Pflanzen
hatten sehr viele Blätter mehr als ein Insect gefangen. Auf einem
groszen Blatte fand ich die Reste von dreizehn verschiedenen Insecten.
Fliegen (Diptera) werden viel öfters gefangen als andere Insecten. Die
gröszte Art, welche ich habe fangen sehen, war ein kleiner Schmetter-
ling (Caenonympha pamphilus); aber Mr. H. M. Wilkinson theilte mir
mit, dasz er einmal eine grosze noch lebende Libelle gefunden habe,
deren Körper von zwei Blättern festgehalten wurde. Da diese Pflanze
in einigen Gegenden äuszerst gemein ist, so musz die Anzahl von In-
secten, die alljährlich auf diese Weise getödtet werden, ungeheuer sein.
Viele Pflanzen, zum Beispiel die klebrigen Knospen der Roszkastanien,
verursachen den Tod von Insecten, ohne daraus, so weit wir bemerken
können, selbst irgend welchen Vortheil zu ziehen. Es zeigte sich aber
bald deutlich, dasz die Drosera für den besondern Zweck, Insecten zu
fangen, ausgezeichnet geschickt war, so dasz es wohl der Mühe werth
schien, den Gegenstand zu untersuchen.
Die Resultate haben sich als sehr merkwürdig herausgestellt; die
bedeutungsvollsten derselben sind: — erstens, die auszerordentliche
Empfindlichkeit der Drüsen gegen leichten Druck und gegen sehr ge-
ringe Dosen gewisser stickstoffhaltiger Flüssigkeiten, wie sich durch die
Bewegung der sogenannten Haare oder Tentakeln zeigt; zweitens, die
den Blättern innewohnende Fähigkeit, stickstoffhaltige Substanzen lös-
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1 die Structur der sogenannten Haare beschreibt, unter dem Titel: „Sur la Diffé-
rence entre les Trichomes‟ etc., ausgezogen aus den Verhandlungen der Naturhist.
Gesellschaft in Copenhagen. Ich werde auch später noch Veranlassung haben,
einen Aufsatz von Mrs. Treat, von New-Jersey, über einige americanische Arten
von Drosera zu citiren. Dr. Burdon Sanderson hielt vor der Royal Institu-
tion eine Vorlesung über Dionaea (erschienen in ‚Nature‛ 14. Juni 1874), in wel-
cher ein kurzer Bericht über meine Beobachtungen über das Vermögen echter Ver-
dauung, welches Drosera und Dionaea besitzen, zum erstenmale erschien. Prof.
Asa Gray hat sich dadurch verdient gemacht, dasz er die Aufmerksamkeit auf
Drosera und andere Pflanzen mit ähnlicher Lebensweise lenkte (The Nation, 1874,
p. 261 und 232 und in andern Schriften). Auch Dr. Hooker hat in seiner wich-
tigen Rede über fleischfressende Pflanzen (Brit. Assoc. Belfast, 1874) eine Geschichte
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