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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 10.
schlieszen, dasz die Drüsen zusammen mit den unmittelbar darunter
liegenden Zellen der Tentakeln der ausschlieszliche Sitz der Reizbar-
keit oder Empfindlichkeit sind, mit welchen die Blätter begabt sind.
Der Grad, bis zu welchem eine Drüse gereizt ist, kann nur durch die
Zahl der umgebenden Tentakeln, welche eingebogen werden, und durch
die Grösze und Geschwindigkeit ihrer Bewegungen gemessen werden.
Gleich lebenskräftige Blätter, derselben Temperatur ausgesetzt (und
dies ist eine wichtige Bedingung) werden unter den folgenden Um-
ständen in verschiedenen Graden erregt. Eine minutiöse Menge einer
schwachen Lösung bringt keine Wirkung hervor; man füge mehr
hinzu, oder gebe eine etwas stärkere Lösung, und die Tentakeln bie-
gen sich. Man berühre eine Drüse ein- oder zweimal und keine Be-
wegung erfolgt; man bewege sie drei- oder viermal, und die Ten-
takeln werden eingebogen. Aber die Beschaffenheit der den Blättern
gegebenen Substanz ist ein sehr wichtiges Element: wenn gleich
grosze Stückchen Glas (welches nur mechanisch wirkt), von Gelatine
und rohem Fleisch auf die Scheiben mehrerer Blätter gelegt werden,
so verursacht das Fleisch eine viel schnellere, energischere und weiter
verbreitete Bewegung, als die zwei erstern Substanzen. Auch ruft
die Zahl der Drüsen, welche gereizt werden, eine grosze Verschieden-
heit im Resultate hervor: man lege ein Stückchen Fleisch auf eine
oder zwei der Scheibendrüsen und nur einige wenige der umgebenden
kurzen Tentakeln werden eingebogen; man lege es auf mehrere Drü-
sen, und die Wirkung wird sich auf viel mehr erstrecken; man lege
es auf dreiszig oder vierzig, und alle Tentakeln, mit Einschlusz der
äuszersten randständigen, werden dicht eingebogen. Wir sehen hier-
aus, dasz die von einer Anzahl von Drüsen ausgehenden Impulse ein-
ander kräftigen, sich weiter verbreiten und auf eine gröszere Anzahl
von Tentakeln wirken, als der Impuls von irgend einer einzelnen Drüse.

Übermittelung des motorischen Impulses. -- In einem
jeden Falle hat der von einer Drüse ausgehende Impuls mindestens
eine kurze Strecke weit zu den basalen Theilen des Tentakels zu
wandern, da der obere Theil und die Drüse selbst einfach durch die
Einbiegung des untern Theiles bewegt werden. Der Impuls wird
in dieser Weise immer nahezu die ganze Länge des Stieles hinab ge-
sandt. Wenn die centralen Drüsen gereizt und die äuszersten rand-
ständigen Tentakeln eingebogen werden, so wird der Impuls quer
durch den halben Durchmesser der Scheibe übermittelt; und wenn

Drosera rotundifolia. Cap. 10.
schlieszen, dasz die Drüsen zusammen mit den unmittelbar darunter
liegenden Zellen der Tentakeln der ausschlieszliche Sitz der Reizbar-
keit oder Empfindlichkeit sind, mit welchen die Blätter begabt sind.
Der Grad, bis zu welchem eine Drüse gereizt ist, kann nur durch die
Zahl der umgebenden Tentakeln, welche eingebogen werden, und durch
die Grösze und Geschwindigkeit ihrer Bewegungen gemessen werden.
Gleich lebenskräftige Blätter, derselben Temperatur ausgesetzt (und
dies ist eine wichtige Bedingung) werden unter den folgenden Um-
ständen in verschiedenen Graden erregt. Eine minutiöse Menge einer
schwachen Lösung bringt keine Wirkung hervor; man füge mehr
hinzu, oder gebe eine etwas stärkere Lösung, und die Tentakeln bie-
gen sich. Man berühre eine Drüse ein- oder zweimal und keine Be-
wegung erfolgt; man bewege sie drei- oder viermal, und die Ten-
takeln werden eingebogen. Aber die Beschaffenheit der den Blättern
gegebenen Substanz ist ein sehr wichtiges Element: wenn gleich
grosze Stückchen Glas (welches nur mechanisch wirkt), von Gelatine
und rohem Fleisch auf die Scheiben mehrerer Blätter gelegt werden,
so verursacht das Fleisch eine viel schnellere, energischere und weiter
verbreitete Bewegung, als die zwei erstern Substanzen. Auch ruft
die Zahl der Drüsen, welche gereizt werden, eine grosze Verschieden-
heit im Resultate hervor: man lege ein Stückchen Fleisch auf eine
oder zwei der Scheibendrüsen und nur einige wenige der umgebenden
kurzen Tentakeln werden eingebogen; man lege es auf mehrere Drü-
sen, und die Wirkung wird sich auf viel mehr erstrecken; man lege
es auf dreiszig oder vierzig, und alle Tentakeln, mit Einschlusz der
äuszersten randständigen, werden dicht eingebogen. Wir sehen hier-
aus, dasz die von einer Anzahl von Drüsen ausgehenden Impulse ein-
ander kräftigen, sich weiter verbreiten und auf eine gröszere Anzahl
von Tentakeln wirken, als der Impuls von irgend einer einzelnen Drüse.

Übermittelung des motorischen Impulses. — In einem
jeden Falle hat der von einer Drüse ausgehende Impuls mindestens
eine kurze Strecke weit zu den basalen Theilen des Tentakels zu
wandern, da der obere Theil und die Drüse selbst einfach durch die
Einbiegung des untern Theiles bewegt werden. Der Impuls wird
in dieser Weise immer nahezu die ganze Länge des Stieles hinab ge-
sandt. Wenn die centralen Drüsen gereizt und die äuszersten rand-
ständigen Tentakeln eingebogen werden, so wird der Impuls quer
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[212/0226] Drosera rotundifolia. Cap. 10. schlieszen, dasz die Drüsen zusammen mit den unmittelbar darunter liegenden Zellen der Tentakeln der ausschlieszliche Sitz der Reizbar- keit oder Empfindlichkeit sind, mit welchen die Blätter begabt sind. Der Grad, bis zu welchem eine Drüse gereizt ist, kann nur durch die Zahl der umgebenden Tentakeln, welche eingebogen werden, und durch die Grösze und Geschwindigkeit ihrer Bewegungen gemessen werden. Gleich lebenskräftige Blätter, derselben Temperatur ausgesetzt (und dies ist eine wichtige Bedingung) werden unter den folgenden Um- ständen in verschiedenen Graden erregt. Eine minutiöse Menge einer schwachen Lösung bringt keine Wirkung hervor; man füge mehr hinzu, oder gebe eine etwas stärkere Lösung, und die Tentakeln bie- gen sich. Man berühre eine Drüse ein- oder zweimal und keine Be- wegung erfolgt; man bewege sie drei- oder viermal, und die Ten- takeln werden eingebogen. Aber die Beschaffenheit der den Blättern gegebenen Substanz ist ein sehr wichtiges Element: wenn gleich grosze Stückchen Glas (welches nur mechanisch wirkt), von Gelatine und rohem Fleisch auf die Scheiben mehrerer Blätter gelegt werden, so verursacht das Fleisch eine viel schnellere, energischere und weiter verbreitete Bewegung, als die zwei erstern Substanzen. Auch ruft die Zahl der Drüsen, welche gereizt werden, eine grosze Verschieden- heit im Resultate hervor: man lege ein Stückchen Fleisch auf eine oder zwei der Scheibendrüsen und nur einige wenige der umgebenden kurzen Tentakeln werden eingebogen; man lege es auf mehrere Drü- sen, und die Wirkung wird sich auf viel mehr erstrecken; man lege es auf dreiszig oder vierzig, und alle Tentakeln, mit Einschlusz der äuszersten randständigen, werden dicht eingebogen. Wir sehen hier- aus, dasz die von einer Anzahl von Drüsen ausgehenden Impulse ein- ander kräftigen, sich weiter verbreiten und auf eine gröszere Anzahl von Tentakeln wirken, als der Impuls von irgend einer einzelnen Drüse. Übermittelung des motorischen Impulses. — In einem jeden Falle hat der von einer Drüse ausgehende Impuls mindestens eine kurze Strecke weit zu den basalen Theilen des Tentakels zu wandern, da der obere Theil und die Drüse selbst einfach durch die Einbiegung des untern Theiles bewegt werden. Der Impuls wird in dieser Weise immer nahezu die ganze Länge des Stieles hinab ge- sandt. Wenn die centralen Drüsen gereizt und die äuszersten rand- ständigen Tentakeln eingebogen werden, so wird der Impuls quer durch den halben Durchmesser der Scheibe übermittelt; und wenn

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/226>, abgerufen am 29.11.2024.