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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 11.

Die meisten Säuren, welche versucht wurden, wirkten, obschon
sie sehr verdünnt (ein Theil auf 437 Theile Wasser) und in kleinen
Dosen gegeben wurden, kräftig auf Drosera ein; neunzehn von den
vierundzwanzig veranlaszten die Tentakeln sich mehr oder weniger
einzubiegen. Die meisten von ihnen, selbst die organischen Säuren,
sind giftig, häufig in hohem Grade; und dies ist merkwürdig, da die
Säfte von so vielen Pflanzen Säuren enthalten. Benzoesäure, welche
für Thiere unschädlich ist, scheint für Thiere so giftig zu sein wie
Blausäure. Auf der andern Seite ist Salzsäure weder für Thiere noch
für Drosera giftig und führt nur einen mäszigen Grad von Einbie-
gung herbei. Viele Säuren reizen die Drüsen so, dasz sie eine auszer-
ordentliche Menge von Schleim absondern; das Protoplasma innerhalb
ihrer Zellen scheint oft getödtet zu werden, wie man daraus schlieszen
kann, dasz die umgebende Flüssigkeit bald rosa wird. Es ist fremd-
artig, dasz verwandte Säuren sehr verschieden von einander wirken:
Ameisensäure bewirkt nur sehr unbedeutende Einbiegung und ist
nicht giftig, während Essigsäure von derselben Stärke äuszerst kräftig
wirkt und giftig ist. Milchsäure ist gleichfalls giftig, verursacht
indesz Einbiegung nur nach Verlauf beträchtlicher Zeit. Äpfelsäure
wirkt unbedeutend, während Citronen- und Weinsteinsäure gar keine
Wirkung hervorbringen.

Im neunten Capitel wurden die Wirkungen der Absorption ver-
schiedener Alkaloide und gewisser anderer Substanzen beschrieben.
Obgleich einige derselben giftig sind, so können wir doch, da mehrere
derselben, welche auf das Nervensystem von Thieren mächtig ein-
wirken, auf Drosera keine Wirkung hervorbringen, schlieszen, dasz
die äuszerste Empfindlichkeit der Drüsen und ihre Fähigkeit, einen,
Bewegung oder modificirte Absonderung oder Zusammenballung ver-
ursachenden Einflusz andern Theilen des Blattes zu übermitteln, nicht
von dem Vorhandensein eines verbreiteten, dem Nervengewebe verwandten
Elements abhängt. Eine der merkwürdigsten Thatsachen ist die, dasz
langes Eintauchen in das Gift der Cobra-Schlange die freiwilligen
Bewegungen des Protoplasma in den Zellen der Tentakeln nicht auf-
hält, sondern eher noch reizt. Lösungen verschiedener Salze und
Säuren verhalten sich sehr verschieden in Bezug auf das Verzögern
oder vollständige Unterbrechen der spätern Einwirkung einer Lösung
von phosphorsaurem Ammoniak. In Wasser aufgelöster Campher
wirkt als ein Reizmittel, wie es auch kleine Dosen gewisser ätheri-

Drosera rotundifolia. Cap. 11.

Die meisten Säuren, welche versucht wurden, wirkten, obschon
sie sehr verdünnt (ein Theil auf 437 Theile Wasser) und in kleinen
Dosen gegeben wurden, kräftig auf Drosera ein; neunzehn von den
vierundzwanzig veranlaszten die Tentakeln sich mehr oder weniger
einzubiegen. Die meisten von ihnen, selbst die organischen Säuren,
sind giftig, häufig in hohem Grade; und dies ist merkwürdig, da die
Säfte von so vielen Pflanzen Säuren enthalten. Benzoësäure, welche
für Thiere unschädlich ist, scheint für Thiere so giftig zu sein wie
Blausäure. Auf der andern Seite ist Salzsäure weder für Thiere noch
für Drosera giftig und führt nur einen mäszigen Grad von Einbie-
gung herbei. Viele Säuren reizen die Drüsen so, dasz sie eine auszer-
ordentliche Menge von Schleim absondern; das Protoplasma innerhalb
ihrer Zellen scheint oft getödtet zu werden, wie man daraus schlieszen
kann, dasz die umgebende Flüssigkeit bald rosa wird. Es ist fremd-
artig, dasz verwandte Säuren sehr verschieden von einander wirken:
Ameisensäure bewirkt nur sehr unbedeutende Einbiegung und ist
nicht giftig, während Essigsäure von derselben Stärke äuszerst kräftig
wirkt und giftig ist. Milchsäure ist gleichfalls giftig, verursacht
indesz Einbiegung nur nach Verlauf beträchtlicher Zeit. Äpfelsäure
wirkt unbedeutend, während Citronen- und Weinsteinsäure gar keine
Wirkung hervorbringen.

Im neunten Capitel wurden die Wirkungen der Absorption ver-
schiedener Alkaloide und gewisser anderer Substanzen beschrieben.
Obgleich einige derselben giftig sind, so können wir doch, da mehrere
derselben, welche auf das Nervensystem von Thieren mächtig ein-
wirken, auf Drosera keine Wirkung hervorbringen, schlieszen, dasz
die äuszerste Empfindlichkeit der Drüsen und ihre Fähigkeit, einen,
Bewegung oder modificirte Absonderung oder Zusammenballung ver-
ursachenden Einflusz andern Theilen des Blattes zu übermitteln, nicht
von dem Vorhandensein eines verbreiteten, dem Nervengewebe verwandten
Elements abhängt. Eine der merkwürdigsten Thatsachen ist die, dasz
langes Eintauchen in das Gift der Cobra-Schlange die freiwilligen
Bewegungen des Protoplasma in den Zellen der Tentakeln nicht auf-
hält, sondern eher noch reizt. Lösungen verschiedener Salze und
Säuren verhalten sich sehr verschieden in Bezug auf das Verzögern
oder vollständige Unterbrechen der spätern Einwirkung einer Lösung
von phosphorsaurem Ammoniak. In Wasser aufgelöster Campher
wirkt als ein Reizmittel, wie es auch kleine Dosen gewisser ätheri-

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[248/0262] Drosera rotundifolia. Cap. 11. Die meisten Säuren, welche versucht wurden, wirkten, obschon sie sehr verdünnt (ein Theil auf 437 Theile Wasser) und in kleinen Dosen gegeben wurden, kräftig auf Drosera ein; neunzehn von den vierundzwanzig veranlaszten die Tentakeln sich mehr oder weniger einzubiegen. Die meisten von ihnen, selbst die organischen Säuren, sind giftig, häufig in hohem Grade; und dies ist merkwürdig, da die Säfte von so vielen Pflanzen Säuren enthalten. Benzoësäure, welche für Thiere unschädlich ist, scheint für Thiere so giftig zu sein wie Blausäure. Auf der andern Seite ist Salzsäure weder für Thiere noch für Drosera giftig und führt nur einen mäszigen Grad von Einbie- gung herbei. Viele Säuren reizen die Drüsen so, dasz sie eine auszer- ordentliche Menge von Schleim absondern; das Protoplasma innerhalb ihrer Zellen scheint oft getödtet zu werden, wie man daraus schlieszen kann, dasz die umgebende Flüssigkeit bald rosa wird. Es ist fremd- artig, dasz verwandte Säuren sehr verschieden von einander wirken: Ameisensäure bewirkt nur sehr unbedeutende Einbiegung und ist nicht giftig, während Essigsäure von derselben Stärke äuszerst kräftig wirkt und giftig ist. Milchsäure ist gleichfalls giftig, verursacht indesz Einbiegung nur nach Verlauf beträchtlicher Zeit. Äpfelsäure wirkt unbedeutend, während Citronen- und Weinsteinsäure gar keine Wirkung hervorbringen. Im neunten Capitel wurden die Wirkungen der Absorption ver- schiedener Alkaloide und gewisser anderer Substanzen beschrieben. Obgleich einige derselben giftig sind, so können wir doch, da mehrere derselben, welche auf das Nervensystem von Thieren mächtig ein- wirken, auf Drosera keine Wirkung hervorbringen, schlieszen, dasz die äuszerste Empfindlichkeit der Drüsen und ihre Fähigkeit, einen, Bewegung oder modificirte Absonderung oder Zusammenballung ver- ursachenden Einflusz andern Theilen des Blattes zu übermitteln, nicht von dem Vorhandensein eines verbreiteten, dem Nervengewebe verwandten Elements abhängt. Eine der merkwürdigsten Thatsachen ist die, dasz langes Eintauchen in das Gift der Cobra-Schlange die freiwilligen Bewegungen des Protoplasma in den Zellen der Tentakeln nicht auf- hält, sondern eher noch reizt. Lösungen verschiedener Salze und Säuren verhalten sich sehr verschieden in Bezug auf das Verzögern oder vollständige Unterbrechen der spätern Einwirkung einer Lösung von phosphorsaurem Ammoniak. In Wasser aufgelöster Campher wirkt als ein Reizmittel, wie es auch kleine Dosen gewisser ätheri-

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/262>, abgerufen am 27.11.2024.