Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Drosera rotundifolia. Cap. 11.
der kürzeren Tentakeln auf der Scheibe ausgehende strahlt beinahe
gleichmäszig nach allen Seiten hin aus.

Wenn eine Drüse durch die Quantität oder Qualität der auf sie
gebrachten Substanz stark gereizt wird, so schreitet der motorische
Impuls weiter fort als von einer nur unbedeutend gereizten Drüse;
und wenn mehrere Drüsen gleichzeitig gereizt werden, so vereinigen
sich die Impulse von allen und verbreiten sich noch weiter. Sobald
eine Drüse gereizt wird, entladet sie einen Impuls, welcher sich eine
beträchtliche Entfernung weit erstreckt; nachher aber, während die
Drüse absondert und aufsaugt, reicht der Impuls nur hin, den näm-
lichen Tentakel eingebogen zu halten, wenn schon die Einbiegung
viele Tage dauern kann.

Wenn die Beugungsstelle eines Tentakels einen Impuls von seiner
eigenen Drüse erhält, so ist die Bewegung immer nach der Mitte des
Blattes hingerichtet; dasselbe ist mit allen Tentakeln der Fall, wenn
ihre Drüsen durch Eintauchen in eine passende Flüssigkeit gereizt
werden. Die kurzen in dem mittleren Theile der Scheibe müssen
ausgenommen werden, da sich diese durchaus gar nicht biegen, wenn
sie so gereizt werden. Wenn auf der andern Seite der motorische
Impuls von einer Seite der Scheibe herkommt, so biegen sich die um-
gebenden Tentakeln, mit Einschlusz der kurzen auf der Mitte der
Scheibe, sämmtlich mit Präcision nach dem Reizungspunkte hin, wo
nur immer derselbe gelegen sein mag, Dies ist auf alle Fälle eine
merkwürdige Erscheinung; denn das Blatt erscheint irrthümlich so,
als sei es mit den Sinnen eines Thieres begabt. Es ist nur um so
merkwürdiger, da, wenn der motorische Impuls die Basis eines Ten-
takels schräg in Beziehung auf seine abgeplattete Oberfläche trifft,
die Zusammenziehung der Zellen auf ein, zwei oder sehr wenig Reihen
an dem einen Ende beschränkt sein musz. Und der Einflusz musz
auf verschiedene Seiten der umgebenden Tentakeln einwirken, damit
sich alle mit Präcision nach dem Reizungspunkte hin biegen.

Wie sich der motorische Impuls von einer oder mehreren Drüsen
aus über die Scheibe verbreitet, tritt er in die Basen der umgebenden
Tentakeln ein und wirkt unmittelbar auf die Beugungsstelle. Er
geht an erster Stelle nicht die Tentakeln zu den Drüsen hinauf, um
diese zu reizen, dasz sie einen Impuls zurück auf ihre Basen reflec-
tiren. Trotzdem wird aber doch etwas Einflusz zu den Drüsen hinauf
geschickt, da ihre Absonderung bald vermehrt und sauer wird; und

Drosera rotundifolia. Cap. 11.
der kürzeren Tentakeln auf der Scheibe ausgehende strahlt beinahe
gleichmäszig nach allen Seiten hin aus.

Wenn eine Drüse durch die Quantität oder Qualität der auf sie
gebrachten Substanz stark gereizt wird, so schreitet der motorische
Impuls weiter fort als von einer nur unbedeutend gereizten Drüse;
und wenn mehrere Drüsen gleichzeitig gereizt werden, so vereinigen
sich die Impulse von allen und verbreiten sich noch weiter. Sobald
eine Drüse gereizt wird, entladet sie einen Impuls, welcher sich eine
beträchtliche Entfernung weit erstreckt; nachher aber, während die
Drüse absondert und aufsaugt, reicht der Impuls nur hin, den näm-
lichen Tentakel eingebogen zu halten, wenn schon die Einbiegung
viele Tage dauern kann.

Wenn die Beugungsstelle eines Tentakels einen Impuls von seiner
eigenen Drüse erhält, so ist die Bewegung immer nach der Mitte des
Blattes hingerichtet; dasselbe ist mit allen Tentakeln der Fall, wenn
ihre Drüsen durch Eintauchen in eine passende Flüssigkeit gereizt
werden. Die kurzen in dem mittleren Theile der Scheibe müssen
ausgenommen werden, da sich diese durchaus gar nicht biegen, wenn
sie so gereizt werden. Wenn auf der andern Seite der motorische
Impuls von einer Seite der Scheibe herkommt, so biegen sich die um-
gebenden Tentakeln, mit Einschlusz der kurzen auf der Mitte der
Scheibe, sämmtlich mit Präcision nach dem Reizungspunkte hin, wo
nur immer derselbe gelegen sein mag, Dies ist auf alle Fälle eine
merkwürdige Erscheinung; denn das Blatt erscheint irrthümlich so,
als sei es mit den Sinnen eines Thieres begabt. Es ist nur um so
merkwürdiger, da, wenn der motorische Impuls die Basis eines Ten-
takels schräg in Beziehung auf seine abgeplattete Oberfläche trifft,
die Zusammenziehung der Zellen auf ein, zwei oder sehr wenig Reihen
an dem einen Ende beschränkt sein musz. Und der Einflusz musz
auf verschiedene Seiten der umgebenden Tentakeln einwirken, damit
sich alle mit Präcision nach dem Reizungspunkte hin biegen.

Wie sich der motorische Impuls von einer oder mehreren Drüsen
aus über die Scheibe verbreitet, tritt er in die Basen der umgebenden
Tentakeln ein und wirkt unmittelbar auf die Beugungsstelle. Er
geht an erster Stelle nicht die Tentakeln zu den Drüsen hinauf, um
diese zu reizen, dasz sie einen Impuls zurück auf ihre Basen reflec-
tiren. Trotzdem wird aber doch etwas Einflusz zu den Drüsen hinauf
geschickt, da ihre Absonderung bald vermehrt und sauer wird; und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0264" n="250"/><fw place="top" type="header">Drosera rotundifolia. Cap. 11.</fw><lb/>
der kürzeren Tentakeln auf der Scheibe ausgehende strahlt beinahe<lb/>
gleichmäszig nach allen Seiten hin aus.</p><lb/>
        <p>Wenn eine Drüse durch die Quantität oder Qualität der auf sie<lb/>
gebrachten Substanz stark gereizt wird, so schreitet der motorische<lb/>
Impuls weiter fort als von einer nur unbedeutend gereizten Drüse;<lb/>
und wenn mehrere Drüsen gleichzeitig gereizt werden, so vereinigen<lb/>
sich die Impulse von allen und verbreiten sich noch weiter. Sobald<lb/>
eine Drüse gereizt wird, entladet sie einen Impuls, welcher sich eine<lb/>
beträchtliche Entfernung weit erstreckt; nachher aber, während die<lb/>
Drüse absondert und aufsaugt, reicht der Impuls nur hin, den näm-<lb/>
lichen Tentakel eingebogen zu halten, wenn schon die Einbiegung<lb/>
viele Tage dauern kann.</p><lb/>
        <p>Wenn die Beugungsstelle eines Tentakels einen Impuls von seiner<lb/>
eigenen Drüse erhält, so ist die Bewegung immer nach der Mitte des<lb/>
Blattes hingerichtet; dasselbe ist mit allen Tentakeln der Fall, wenn<lb/>
ihre Drüsen durch Eintauchen in eine passende Flüssigkeit gereizt<lb/>
werden. Die kurzen in dem mittleren Theile der Scheibe müssen<lb/>
ausgenommen werden, da sich diese durchaus gar nicht biegen, wenn<lb/>
sie so gereizt werden. Wenn auf der andern Seite der motorische<lb/>
Impuls von einer Seite der Scheibe herkommt, so biegen sich die um-<lb/>
gebenden Tentakeln, mit Einschlusz der kurzen auf der Mitte der<lb/>
Scheibe, sämmtlich mit Präcision nach dem Reizungspunkte hin, wo<lb/>
nur immer derselbe gelegen sein mag, Dies ist auf alle Fälle eine<lb/>
merkwürdige Erscheinung; denn das Blatt erscheint irrthümlich so,<lb/>
als sei es mit den Sinnen eines Thieres begabt. Es ist nur um so<lb/>
merkwürdiger, da, wenn der motorische Impuls die Basis eines Ten-<lb/>
takels schräg in Beziehung auf seine abgeplattete Oberfläche trifft,<lb/>
die Zusammenziehung der Zellen auf ein, zwei oder sehr wenig Reihen<lb/>
an dem einen Ende beschränkt sein musz. Und der Einflusz musz<lb/>
auf verschiedene Seiten der umgebenden Tentakeln einwirken, damit<lb/>
sich alle mit Präcision nach dem Reizungspunkte hin biegen.</p><lb/>
        <p>Wie sich der motorische Impuls von einer oder mehreren Drüsen<lb/>
aus über die Scheibe verbreitet, tritt er in die Basen der umgebenden<lb/>
Tentakeln ein und wirkt unmittelbar auf die Beugungsstelle. Er<lb/>
geht an erster Stelle nicht die Tentakeln zu den Drüsen hinauf, um<lb/>
diese zu reizen, dasz sie einen Impuls zurück auf ihre Basen reflec-<lb/>
tiren. Trotzdem wird aber doch etwas Einflusz zu den Drüsen hinauf<lb/>
geschickt, da ihre Absonderung bald vermehrt und sauer wird; und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0264] Drosera rotundifolia. Cap. 11. der kürzeren Tentakeln auf der Scheibe ausgehende strahlt beinahe gleichmäszig nach allen Seiten hin aus. Wenn eine Drüse durch die Quantität oder Qualität der auf sie gebrachten Substanz stark gereizt wird, so schreitet der motorische Impuls weiter fort als von einer nur unbedeutend gereizten Drüse; und wenn mehrere Drüsen gleichzeitig gereizt werden, so vereinigen sich die Impulse von allen und verbreiten sich noch weiter. Sobald eine Drüse gereizt wird, entladet sie einen Impuls, welcher sich eine beträchtliche Entfernung weit erstreckt; nachher aber, während die Drüse absondert und aufsaugt, reicht der Impuls nur hin, den näm- lichen Tentakel eingebogen zu halten, wenn schon die Einbiegung viele Tage dauern kann. Wenn die Beugungsstelle eines Tentakels einen Impuls von seiner eigenen Drüse erhält, so ist die Bewegung immer nach der Mitte des Blattes hingerichtet; dasselbe ist mit allen Tentakeln der Fall, wenn ihre Drüsen durch Eintauchen in eine passende Flüssigkeit gereizt werden. Die kurzen in dem mittleren Theile der Scheibe müssen ausgenommen werden, da sich diese durchaus gar nicht biegen, wenn sie so gereizt werden. Wenn auf der andern Seite der motorische Impuls von einer Seite der Scheibe herkommt, so biegen sich die um- gebenden Tentakeln, mit Einschlusz der kurzen auf der Mitte der Scheibe, sämmtlich mit Präcision nach dem Reizungspunkte hin, wo nur immer derselbe gelegen sein mag, Dies ist auf alle Fälle eine merkwürdige Erscheinung; denn das Blatt erscheint irrthümlich so, als sei es mit den Sinnen eines Thieres begabt. Es ist nur um so merkwürdiger, da, wenn der motorische Impuls die Basis eines Ten- takels schräg in Beziehung auf seine abgeplattete Oberfläche trifft, die Zusammenziehung der Zellen auf ein, zwei oder sehr wenig Reihen an dem einen Ende beschränkt sein musz. Und der Einflusz musz auf verschiedene Seiten der umgebenden Tentakeln einwirken, damit sich alle mit Präcision nach dem Reizungspunkte hin biegen. Wie sich der motorische Impuls von einer oder mehreren Drüsen aus über die Scheibe verbreitet, tritt er in die Basen der umgebenden Tentakeln ein und wirkt unmittelbar auf die Beugungsstelle. Er geht an erster Stelle nicht die Tentakeln zu den Drüsen hinauf, um diese zu reizen, dasz sie einen Impuls zurück auf ihre Basen reflec- tiren. Trotzdem wird aber doch etwas Einflusz zu den Drüsen hinauf geschickt, da ihre Absonderung bald vermehrt und sauer wird; und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/264
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/264>, abgerufen am 27.11.2024.