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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Dionaea muscipula. Cap. 13.

Es besteht noch ein anderer groszer Unterschied in der Thätig-
keit der Blätter, welche solche Gegenstände wie Stückchen Holz, Kork,
Papierkügelchen, einschlieszen, oder deren Filamente einfach berührt
worden waren, und derjenigen, welche organische, lösliche stickstoff-
haltige Substanz darbietende Körper einschlieszen. Im erstern Falle
öffnen sich die Blätter, wie wir gesehen haben, in weniger als 24
Stunden wieder und sind dann bereit, selbst noch ehe sie sich voll-
ständig ausgebreitet haben, sich wieder zu schlieszen. Haben sie sich
aber über stickstoffabgebenden Körpern geschlossen, so bleiben sie
viele Tage lang dicht geschlossen; nachdem sie sich dann wieder aus-
gebreitet haben, sind sie torpid, werden nie wieder thätig oder erst
nach Verlauf einer beträchtlichen Zeit. In vier Fällen öffneten sich
Blätter, nachdem sie Insecten gefangen hatten, niemals wieder, son-
dern fiengen an zu welken, dabei immer geschlossen bleibend -- in
einem Falle fünfzehn Tage lang über einer Fliege, in einem zweiten
vierundzwanzig Tage lang, trotzdem die Fliege klein war, in einem
dritten vierundzwanzig Tage lang über einer Holzlaus, und in einem
vierten fünfunddreiszig Tage lang über einer groszen Tipula. In zwei
andern Fällen blieben Blätter mindestens neun Tage über Fliegen
geschlossen, und wie viel länger noch, weisz ich nicht. Es musz in-
dessen doch hinzugefügt werden, dasz in zwei Fällen, wo auf natür-
liche Weise sehr kleine Insecten gefangen worden waren, das Blatt
sich so schnell wieder öffnete, als wenn nichts gefangen worden wäre;
ich vermuthe, dies war die Folge davon, dasz derartig kleine Insecten
nicht zerdrückt worden waren, oder keine animale Substanz excernirt
hatten, so dasz die Drüsen nicht gereizt wurden. Kleine eckige
Stückchen Eiweisz und Gelatine wurden auf die beiden Enden dreier
Blätter gelegt, von denen zwei dreizehn und das dritte zwölf Tage
lang geschlossen blieben. Zwei andere Blätter blieben über Stückchen
Fleisch elf Tage lang, ein drittes Blatt acht Tage lang, und ein
viertes (dies war indessen geknickt und beschädigt worden) nur sechs
Tage lang geschlossen. Stückchen Käse, oder Casein, wurden auf
das eine Ende, und Eiweisz auf das andere Ende von drei Blättern
gelegt; die Enden mit den ersteren Substanzen öffneten sich nach sechs,
acht und neun Tagen, während die anderen Enden sich etwas später
öffneten. Keines der obigen Stückchen Fleisch, Eiweisz u. s. w. war
gröszer als ein Würfel von Zoll (2,54 Mm.) Seitenlänge; zuweilen
waren sie kleiner; und doch reichten diese kleinen Portionen hin, die

Dionaea muscipula. Cap. 13.

Es besteht noch ein anderer groszer Unterschied in der Thätig-
keit der Blätter, welche solche Gegenstände wie Stückchen Holz, Kork,
Papierkügelchen, einschlieszen, oder deren Filamente einfach berührt
worden waren, und derjenigen, welche organische, lösliche stickstoff-
haltige Substanz darbietende Körper einschlieszen. Im erstern Falle
öffnen sich die Blätter, wie wir gesehen haben, in weniger als 24
Stunden wieder und sind dann bereit, selbst noch ehe sie sich voll-
ständig ausgebreitet haben, sich wieder zu schlieszen. Haben sie sich
aber über stickstoffabgebenden Körpern geschlossen, so bleiben sie
viele Tage lang dicht geschlossen; nachdem sie sich dann wieder aus-
gebreitet haben, sind sie torpid, werden nie wieder thätig oder erst
nach Verlauf einer beträchtlichen Zeit. In vier Fällen öffneten sich
Blätter, nachdem sie Insecten gefangen hatten, niemals wieder, son-
dern fiengen an zu welken, dabei immer geschlossen bleibend — in
einem Falle fünfzehn Tage lang über einer Fliege, in einem zweiten
vierundzwanzig Tage lang, trotzdem die Fliege klein war, in einem
dritten vierundzwanzig Tage lang über einer Holzlaus, und in einem
vierten fünfunddreiszig Tage lang über einer groszen Tipula. In zwei
andern Fällen blieben Blätter mindestens neun Tage über Fliegen
geschlossen, und wie viel länger noch, weisz ich nicht. Es musz in-
dessen doch hinzugefügt werden, dasz in zwei Fällen, wo auf natür-
liche Weise sehr kleine Insecten gefangen worden waren, das Blatt
sich so schnell wieder öffnete, als wenn nichts gefangen worden wäre;
ich vermuthe, dies war die Folge davon, dasz derartig kleine Insecten
nicht zerdrückt worden waren, oder keine animale Substanz excernirt
hatten, so dasz die Drüsen nicht gereizt wurden. Kleine eckige
Stückchen Eiweisz und Gelatine wurden auf die beiden Enden dreier
Blätter gelegt, von denen zwei dreizehn und das dritte zwölf Tage
lang geschlossen blieben. Zwei andere Blätter blieben über Stückchen
Fleisch elf Tage lang, ein drittes Blatt acht Tage lang, und ein
viertes (dies war indessen geknickt und beschädigt worden) nur sechs
Tage lang geschlossen. Stückchen Käse, oder Casëin, wurden auf
das eine Ende, und Eiweisz auf das andere Ende von drei Blättern
gelegt; die Enden mit den ersteren Substanzen öffneten sich nach sechs,
acht und neun Tagen, während die anderen Enden sich etwas später
öffneten. Keines der obigen Stückchen Fleisch, Eiweisz u. s. w. war
gröszer als ein Würfel von ⅒ Zoll (2,54 Mm.) Seitenlänge; zuweilen
waren sie kleiner; und doch reichten diese kleinen Portionen hin, die

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[280/0294] Dionaea muscipula. Cap. 13. Es besteht noch ein anderer groszer Unterschied in der Thätig- keit der Blätter, welche solche Gegenstände wie Stückchen Holz, Kork, Papierkügelchen, einschlieszen, oder deren Filamente einfach berührt worden waren, und derjenigen, welche organische, lösliche stickstoff- haltige Substanz darbietende Körper einschlieszen. Im erstern Falle öffnen sich die Blätter, wie wir gesehen haben, in weniger als 24 Stunden wieder und sind dann bereit, selbst noch ehe sie sich voll- ständig ausgebreitet haben, sich wieder zu schlieszen. Haben sie sich aber über stickstoffabgebenden Körpern geschlossen, so bleiben sie viele Tage lang dicht geschlossen; nachdem sie sich dann wieder aus- gebreitet haben, sind sie torpid, werden nie wieder thätig oder erst nach Verlauf einer beträchtlichen Zeit. In vier Fällen öffneten sich Blätter, nachdem sie Insecten gefangen hatten, niemals wieder, son- dern fiengen an zu welken, dabei immer geschlossen bleibend — in einem Falle fünfzehn Tage lang über einer Fliege, in einem zweiten vierundzwanzig Tage lang, trotzdem die Fliege klein war, in einem dritten vierundzwanzig Tage lang über einer Holzlaus, und in einem vierten fünfunddreiszig Tage lang über einer groszen Tipula. In zwei andern Fällen blieben Blätter mindestens neun Tage über Fliegen geschlossen, und wie viel länger noch, weisz ich nicht. Es musz in- dessen doch hinzugefügt werden, dasz in zwei Fällen, wo auf natür- liche Weise sehr kleine Insecten gefangen worden waren, das Blatt sich so schnell wieder öffnete, als wenn nichts gefangen worden wäre; ich vermuthe, dies war die Folge davon, dasz derartig kleine Insecten nicht zerdrückt worden waren, oder keine animale Substanz excernirt hatten, so dasz die Drüsen nicht gereizt wurden. Kleine eckige Stückchen Eiweisz und Gelatine wurden auf die beiden Enden dreier Blätter gelegt, von denen zwei dreizehn und das dritte zwölf Tage lang geschlossen blieben. Zwei andere Blätter blieben über Stückchen Fleisch elf Tage lang, ein drittes Blatt acht Tage lang, und ein viertes (dies war indessen geknickt und beschädigt worden) nur sechs Tage lang geschlossen. Stückchen Käse, oder Casëin, wurden auf das eine Ende, und Eiweisz auf das andere Ende von drei Blättern gelegt; die Enden mit den ersteren Substanzen öffneten sich nach sechs, acht und neun Tagen, während die anderen Enden sich etwas später öffneten. Keines der obigen Stückchen Fleisch, Eiweisz u. s. w. war gröszer als ein Würfel von ⅒ Zoll (2,54 Mm.) Seitenlänge; zuweilen waren sie kleiner; und doch reichten diese kleinen Portionen hin, die

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/294>, abgerufen am 20.05.2024.