Zweites Capitel. Die Bewegung der Tentakeln bei der Berührung mit festen Körpern.
Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln in Folge der Reizung der Drüsen auf der Scheibe durch wiederholtes Berühren oder durch Gegenstände, die in Berührung mit ihnen gelassen werden. -- Die Verschiedenheit in der Wirkung von Kör- pern, welche lösliche stickstoff haltige Substanz geben, und solchen, welche dergleichen nicht geben. -- Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln direct verursacht durch Gegenstände, die mit ihren Drüsen in Berührung gelassen werden. -- Zeitliche Verhältnisse der beginnenden Einbiegung und der nach- folgenden Streckung. -- Die auszerordentliche Kleinheit der Theilchen, welche Einbiegung verursachen. -- Wirkung unter Wasser. -- Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln, wenn ihre Drüsen durch wiederholtes Berühren gereizt werden. -- Fallende Wassertropfen verursachen keine Einbiegung.
Ich werde in diesem und den folgenden Capiteln einige der vielen von mir angestellten Experimente mittheilen, welche am Besten die Art und die Schnelligkeit der Bewegungen der Tentakeln, wenn sie verschiedenartig gereizt werden, illustriren. Nur die Drüsen allein sind in allen gewöhnlichen Fällen für Reizung empfänglich. Wenn sie gereizt werden, bewegen sie sich und verändern sie ihre Form nicht selbst, sondern übermitteln einen motorischen Reiz dem sich biegenden Theil ihrer eignen und der nahe stehenden Tentakeln, wodurch sie nach der Mitte des Blattes gebracht werden. Genau gesprochen, soll- ten eigentlich die Drüsen reizbar genannt werden, da der Ausdruck empfindlich gewöhnlich mit der Idee eines Bewusztseins verbunden wird; aber Niemand vermuthet, dasz die empfindliche Pflanze (Sinn- pflanze) bewuszt ist, und da ich den Ausdruck bequem gefunden habe, so werde ich ihn ohne Bedenken benutzen. Ich will mit der Bewegung der Tentakeln anfangen, wenn sie indirect durch Reizmittel, welche auf die Drüsen der kurzen Tentakeln gebracht sind, gereizt werden. Die äuszeren Tentakeln werden in diesem Falle, wie man sagen kann,
Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 2
Zweites Capitel. Die Bewegung der Tentakeln bei der Berührung mit festen Körpern.
Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln in Folge der Reizung der Drüsen auf der Scheibe durch wiederholtes Berühren oder durch Gegenstände, die in Berührung mit ihnen gelassen werden. — Die Verschiedenheit in der Wirkung von Kör- pern, welche lösliche stickstoff haltige Substanz geben, und solchen, welche dergleichen nicht geben. — Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln direct verursacht durch Gegenstände, die mit ihren Drüsen in Berührung gelassen werden. — Zeitliche Verhältnisse der beginnenden Einbiegung und der nach- folgenden Streckung. — Die auszerordentliche Kleinheit der Theilchen, welche Einbiegung verursachen. — Wirkung unter Wasser. — Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln, wenn ihre Drüsen durch wiederholtes Berühren gereizt werden. — Fallende Wassertropfen verursachen keine Einbiegung.
Ich werde in diesem und den folgenden Capiteln einige der vielen von mir angestellten Experimente mittheilen, welche am Besten die Art und die Schnelligkeit der Bewegungen der Tentakeln, wenn sie verschiedenartig gereizt werden, illustriren. Nur die Drüsen allein sind in allen gewöhnlichen Fällen für Reizung empfänglich. Wenn sie gereizt werden, bewegen sie sich und verändern sie ihre Form nicht selbst, sondern übermitteln einen motorischen Reiz dem sich biegenden Theil ihrer eignen und der nahe stehenden Tentakeln, wodurch sie nach der Mitte des Blattes gebracht werden. Genau gesprochen, soll- ten eigentlich die Drüsen reizbar genannt werden, da der Ausdruck empfindlich gewöhnlich mit der Idee eines Bewusztseins verbunden wird; aber Niemand vermuthet, dasz die empfindliche Pflanze (Sinn- pflanze) bewuszt ist, und da ich den Ausdruck bequem gefunden habe, so werde ich ihn ohne Bedenken benutzen. Ich will mit der Bewegung der Tentakeln anfangen, wenn sie indirect durch Reizmittel, welche auf die Drüsen der kurzen Tentakeln gebracht sind, gereizt werden. Die äuszeren Tentakeln werden in diesem Falle, wie man sagen kann,
Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 2
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[[17]/0031]
Zweites Capitel.
Die Bewegung der Tentakeln bei der Berührung mit festen
Körpern.
Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln in Folge der Reizung der Drüsen auf der
Scheibe durch wiederholtes Berühren oder durch Gegenstände, die in Berührung
mit ihnen gelassen werden. — Die Verschiedenheit in der Wirkung von Kör-
pern, welche lösliche stickstoff haltige Substanz geben, und solchen, welche
dergleichen nicht geben. — Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln direct
verursacht durch Gegenstände, die mit ihren Drüsen in Berührung gelassen
werden. — Zeitliche Verhältnisse der beginnenden Einbiegung und der nach-
folgenden Streckung. — Die auszerordentliche Kleinheit der Theilchen, welche
Einbiegung verursachen. — Wirkung unter Wasser. — Die Einbiegung der
äuszeren Tentakeln, wenn ihre Drüsen durch wiederholtes Berühren gereizt
werden. — Fallende Wassertropfen verursachen keine Einbiegung.
Ich werde in diesem und den folgenden Capiteln einige der vielen
von mir angestellten Experimente mittheilen, welche am Besten die
Art und die Schnelligkeit der Bewegungen der Tentakeln, wenn sie
verschiedenartig gereizt werden, illustriren. Nur die Drüsen allein
sind in allen gewöhnlichen Fällen für Reizung empfänglich. Wenn sie
gereizt werden, bewegen sie sich und verändern sie ihre Form nicht
selbst, sondern übermitteln einen motorischen Reiz dem sich biegenden
Theil ihrer eignen und der nahe stehenden Tentakeln, wodurch sie
nach der Mitte des Blattes gebracht werden. Genau gesprochen, soll-
ten eigentlich die Drüsen reizbar genannt werden, da der Ausdruck
empfindlich gewöhnlich mit der Idee eines Bewusztseins verbunden
wird; aber Niemand vermuthet, dasz die empfindliche Pflanze (Sinn-
pflanze) bewuszt ist, und da ich den Ausdruck bequem gefunden habe,
so werde ich ihn ohne Bedenken benutzen. Ich will mit der Bewegung
der Tentakeln anfangen, wenn sie indirect durch Reizmittel, welche
auf die Drüsen der kurzen Tentakeln gebracht sind, gereizt werden.
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Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 2
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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. [17]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/31>, abgerufen am 09.11.2024.
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