Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.Aldrovanda vesiculosa. Cap. 14. Fangen von lebenden Geschöpfen eingerichtet. Was die Functionender verschiedenen Theile betrifft, so kann wenig Zweifel sein, dasz die langen gegliederten Haare sensitiv sind, wie die der Dionaea, und dasz sie, wenn sie berührt werden, verursachen, dasz sich die Lappen schlieszen. Dasz die Drüsen eine wahre verdauende Flüssigkeit ab- sondern, und später die verdaute Substanz aufsaugen, ist sehr wahr- scheinlich, einmal nach der Analogie der Dionaea, -- dann weil die durchsichtige Flüssigkeit in ihren Zellen in sphärische Massen zu- sammengeballt wird, nachdem sie einen Aufgusz von rohem Fleisch aufgesaugt hatten, -- ferner, weil die Zellen des Blattes, welches lange Zeit einen Käfer eingeschlossen hatte, sich in einem undurch- sichtigen und körnigen Zustand befanden, -- und endlich, weil die Integumente dieses Insects, eben sowohl wie die der Kruster (wie Cohn beschrieben hat) welche lange gefangen gewesen sind, so rein waren. Ferner ist es nach der Wirkung, welche ein Eintauchen von 24 Stunden in eine Lösung von Harnstoff auf die viertheiligen Fort- sätze hervorbrachte, -- nach der Anwesenheit von brauner körniger Substanz in den viertheiligen Fortsätzen des Blattes, worin der Käfer gefangen worden war, -- und nach der Analogie der Utricularia -- wahrscheinlich, dasz diese Fortsätze excrementitielle und zerfallende thierische Substanz aufsaugen. Es ist ein noch merkwürdigerer Fall, dasz die Spitzen auf den eingebogenen Rändern augenscheinlich dazu dienen, zerfallene thierische Substanz in derselben Weise wie die viertheiligen Fortsätze aufzusaugen. Wir können hier noch die Be- deutung der eingebogenen Ränder der Lappen, die mit zarten nach innen gerichteten Spitzen versehen sind, und der breiten flachen äuszeren Theile, welche viertheilige Fortsätze tragen, verstehen; denn diese Flächen müssen dem ausgesetzt sein, von faulem Wasser benetzt zu werden, welches von der Concavität des Blattes abflieszt, wenn es todte Thiere enthält. Dieses würde aus verschiedenen Ursachen er- folgen: -- wegen der allmählichen Contraction der Concavität, -- weil Flüssigkeit im Übermasz abgesondert wird, -- und wegen der Ent- stehung von Luftblasen. Mehr Beobachtungen sind über diesen Punkt nöthig, aber wenn diese Ansicht richtig ist, so haben wir den merk- würdigen Fall, dasz verschiedene Theile eines und desselben Blattes sehr verschiedenen Zwecken dienen, -- der eine Theil zu wahrer Ver- dauung, und ein andrer zur Aufsaugung zerfallener thierischer Sub- Aldrovanda vesiculosa. Cap. 14. Fangen von lebenden Geschöpfen eingerichtet. Was die Functionender verschiedenen Theile betrifft, so kann wenig Zweifel sein, dasz die langen gegliederten Haare sensitiv sind, wie die der Dionaea, und dasz sie, wenn sie berührt werden, verursachen, dasz sich die Lappen schlieszen. Dasz die Drüsen eine wahre verdauende Flüssigkeit ab- sondern, und später die verdaute Substanz aufsaugen, ist sehr wahr- scheinlich, einmal nach der Analogie der Dionaea, — dann weil die durchsichtige Flüssigkeit in ihren Zellen in sphärische Massen zu- sammengeballt wird, nachdem sie einen Aufgusz von rohem Fleisch aufgesaugt hatten, — ferner, weil die Zellen des Blattes, welches lange Zeit einen Käfer eingeschlossen hatte, sich in einem undurch- sichtigen und körnigen Zustand befanden, — und endlich, weil die Integumente dieses Insects, eben sowohl wie die der Kruster (wie Cohn beschrieben hat) welche lange gefangen gewesen sind, so rein waren. Ferner ist es nach der Wirkung, welche ein Eintauchen von 24 Stunden in eine Lösung von Harnstoff auf die viertheiligen Fort- sätze hervorbrachte, — nach der Anwesenheit von brauner körniger Substanz in den viertheiligen Fortsätzen des Blattes, worin der Käfer gefangen worden war, — und nach der Analogie der Utricularia — wahrscheinlich, dasz diese Fortsätze excrementitielle und zerfallende thierische Substanz aufsaugen. Es ist ein noch merkwürdigerer Fall, dasz die Spitzen auf den eingebogenen Rändern augenscheinlich dazu dienen, zerfallene thierische Substanz in derselben Weise wie die viertheiligen Fortsätze aufzusaugen. Wir können hier noch die Be- deutung der eingebogenen Ränder der Lappen, die mit zarten nach innen gerichteten Spitzen versehen sind, und der breiten flachen äuszeren Theile, welche viertheilige Fortsätze tragen, verstehen; denn diese Flächen müssen dem ausgesetzt sein, von faulem Wasser benetzt zu werden, welches von der Concavität des Blattes abflieszt, wenn es todte Thiere enthält. Dieses würde aus verschiedenen Ursachen er- folgen: — wegen der allmählichen Contraction der Concavität, — weil Flüssigkeit im Übermasz abgesondert wird, — und wegen der Ent- stehung von Luftblasen. Mehr Beobachtungen sind über diesen Punkt nöthig, aber wenn diese Ansicht richtig ist, so haben wir den merk- würdigen Fall, dasz verschiedene Theile eines und desselben Blattes sehr verschiedenen Zwecken dienen, — der eine Theil zu wahrer Ver- dauung, und ein andrer zur Aufsaugung zerfallener thierischer Sub- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0312" n="298"/><fw place="top" type="header">Aldrovanda vesiculosa. Cap. 14.</fw><lb/> Fangen von lebenden Geschöpfen eingerichtet. Was die Functionen<lb/> der verschiedenen Theile betrifft, so kann wenig Zweifel sein, dasz<lb/> die langen gegliederten Haare sensitiv sind, wie die der <hi rendition="#i">Dionaea,</hi> und<lb/> dasz sie, wenn sie berührt werden, verursachen, dasz sich die Lappen<lb/> schlieszen. 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Aldrovanda vesiculosa. Cap. 14.
Fangen von lebenden Geschöpfen eingerichtet. Was die Functionen
der verschiedenen Theile betrifft, so kann wenig Zweifel sein, dasz
die langen gegliederten Haare sensitiv sind, wie die der Dionaea, und
dasz sie, wenn sie berührt werden, verursachen, dasz sich die Lappen
schlieszen. Dasz die Drüsen eine wahre verdauende Flüssigkeit ab-
sondern, und später die verdaute Substanz aufsaugen, ist sehr wahr-
scheinlich, einmal nach der Analogie der Dionaea, — dann weil die
durchsichtige Flüssigkeit in ihren Zellen in sphärische Massen zu-
sammengeballt wird, nachdem sie einen Aufgusz von rohem Fleisch
aufgesaugt hatten, — ferner, weil die Zellen des Blattes, welches
lange Zeit einen Käfer eingeschlossen hatte, sich in einem undurch-
sichtigen und körnigen Zustand befanden, — und endlich, weil die
Integumente dieses Insects, eben sowohl wie die der Kruster (wie
Cohn beschrieben hat) welche lange gefangen gewesen sind, so rein
waren. Ferner ist es nach der Wirkung, welche ein Eintauchen von
24 Stunden in eine Lösung von Harnstoff auf die viertheiligen Fort-
sätze hervorbrachte, — nach der Anwesenheit von brauner körniger
Substanz in den viertheiligen Fortsätzen des Blattes, worin der Käfer
gefangen worden war, — und nach der Analogie der Utricularia —
wahrscheinlich, dasz diese Fortsätze excrementitielle und zerfallende
thierische Substanz aufsaugen. Es ist ein noch merkwürdigerer Fall,
dasz die Spitzen auf den eingebogenen Rändern augenscheinlich dazu
dienen, zerfallene thierische Substanz in derselben Weise wie die
viertheiligen Fortsätze aufzusaugen. Wir können hier noch die Be-
deutung der eingebogenen Ränder der Lappen, die mit zarten nach
innen gerichteten Spitzen versehen sind, und der breiten flachen
äuszeren Theile, welche viertheilige Fortsätze tragen, verstehen; denn
diese Flächen müssen dem ausgesetzt sein, von faulem Wasser benetzt
zu werden, welches von der Concavität des Blattes abflieszt, wenn es
todte Thiere enthält. Dieses würde aus verschiedenen Ursachen er-
folgen: — wegen der allmählichen Contraction der Concavität, — weil
Flüssigkeit im Übermasz abgesondert wird, — und wegen der Ent-
stehung von Luftblasen. Mehr Beobachtungen sind über diesen Punkt
nöthig, aber wenn diese Ansicht richtig ist, so haben wir den merk-
würdigen Fall, dasz verschiedene Theile eines und desselben Blattes
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